Thomas Bächtold – der Abenteurer, der die Heimat endlich erobern will

Thomas Bächtold zeigt auf seinen Expeditionen reisefreudigen Abenteurern die exklusivsten Plätze der Welt. Nun will er sein eigenes Abenteuer erleben – und endlich Europa entdecken.

(Bild: Nils Fisch)

Thomas Bächtold zeigt auf seinen Expeditionen reisefreudigen Abenteurern die exklusivsten Plätze der Welt. Nun will er sein eigenes Abenteuer erleben – und endlich Europa entdecken.

Expeditionsleiter Thomas Bächtold zeigt seinen Kunden die exklusivsten Plätze der Welt. Weisse Haie sieht er jährlich vor Mexiko, Australien oder Südafrika. Weisse Weihnachten kennt seine Familie dagegen nicht. Dieser Wunsch ging für die Bächtolds auch dieses Jahr nicht in Erfüllung – obwohl sie diese Weihnachten in Basel verbrachten. «Trotzdem herrscht hier mit all den Weihnachtsmärkten, Lichtern und Dekorationen eine Stimmung, die wir daheim in Australien nicht kennen.»

Doch seine knapp zwei und vier Jahre alten Töchter sollen hier nicht nur den Winter erleben. Ein Jahr wird die Familie nun in der Schweiz wohnen, um Neues zu entdecken. «Europa ist der Kontinent, den ich am wenigsten kenne. Ausserdem hoffe ich, meine Kinder werden durch die Erfahrung irgendwann von derselben Lust gepackt wie ich, die unglaubliche Vielfalt an Natur und Kultur auf dieser Welt zu erleben.» Die vielzitierten Reisestrapazen machen den Kleinen wenig aus, war die Familie doch nur schon in diesem Jahr auf den Salomonen, in Palau, Asien und Amerika. 


 

Ein Freudentanz vor der Rückkehr

Thomas Bächtold zeigt auf seinen Expeditionen reisefreudigen Abenteurern die exklusivsten Plätze der Welt. Nun will er sein eigenes Abenteuer erleben – und endlich Europa entdecken. Der Freudentanz in Westguinea brachte allerdings nichts: Schnee an Weihnachten blieb ihm in Basel versagt. Ein Porträt: tageswoche.ch/+5gpah

Posted by TagesWoche on Mittwoch, 30. Dezember 2015

Auch Bächtold hat das Herumziehen in die Wiege gelegt bekommen. Die Mutter war als fliegende Krankenschwester in Neufundland unterwegs, der Vater für ein Chemie-Unternehmen in Kanada. Als er ein Kleinkind war, zog die Familie für sechs Jahre nach Sydney. Die Schulzeit absolvierte er dann in der Schweiz. «Kurz vor der Matur flog ich von der Schule, weil ich zu viel Seich gebaut hatte.»

Sparen für die Weltreise

Bächtold machte das Handelsdiplom, arbeitete jedoch nur so lange im Büro, bis er genug Geld für eine Weltreise hatte. «Ich dachte an ein halbes Jahr, doch in der Zeitspanne hatte ich kaum mehr als das Startland Brasilien gesehen.» Nach zwei Jahren landete er in Australien, wo er dank seinem zweiten Pass bei einer Bank arbeiten konnte. «Ich verschob Papierberge von einem Pultende ans andere. Lange hielt ich das nicht aus.»

Er verdingte sich für drei Monate bei einem Tauchladen am Great Barrier Reef, dafür konnte er dort gratis den Tauchlehrer machen. Bald hatte er auch den Instruktor und fand einen Job im exklusiven Hayman Island Resort. «Das war in den Neunzigerjahren das Nonplusultra. Ich hatte das Glück, mit Michael Schuhmacher, Robin Williams, Natalie Cole und Janet Jackson die Wunder des Great Barrier Reef zu erkunden. Eine wilde Zeit. Manchmal sprangen wir zum Tauchen vom Wasserflugzeug aus ins Riff.»

Trotzdem löste er sich von der Trauminsel, um als Safari-Guide Afrika besser kennenzulernen. «Ich fand immer einen Job, der mich wieder etwas Neues entdecken liess.» Bald heuerte er auf Tauchschiffen an und kreuzte als Tauchguide und Kameramann quer über die Weltmeere. «Ich habe unglaublich viel gesehen und erlebt.» Doch nicht nur Schönes.



Diving with Whale sharks at Osolob on Cebu in the Southern Visayas in the Philippines onboard the SY Philippine Siren

Tauchen mit einem Walhai – für Thomas Bächtold schon fast Alltag, wie diese Szene vor den Philippinen zeigt. (Bild: Thomas Bächtold)

Kopfüber auf dem Boot

Anfang des neuen Jahrtausends geriet er im karibischen Belize in einen Zyklon. Das Tauchschiff war zwar in einem vermeintlich sicheren Hafen an einem Dock vertäut. «Nachts wurde der Dschungel erst totenstill, dann erfasste uns der Sturm mit fast 300 Stundenkilometern.» Bächtold war mit Kunden unter Deck, da stellte es das Boot auf den Kopf. «Wasserfontänen füllten das Boot im Nu. Ich kannte das Schiff zwar blind, doch merkte ich im schwarzen Wasser erst dank dem Motorengeräusch, dass wir auf dem Kopf standen. So konnte ich noch knapp ins Freie tauchen.»

Dort zog es ihn an den Schiffsschrauben vorbei in die Luft. «Ich dachte, das ist nun der Flug in den Himmel.» Doch der Zyklon spuckte Bächtold wieder aus, und er krachte 100 Meter vom Schiff entfernt in die Mangroven. «Ich zog mich immer wieder in die Mangroven runter, um dem Sog des Sturmes zu entkommen.» Nach einer gefühlten Ewigkeit flaute der Sturm endlich ab. Bächtold gehörte zu den acht Überlebenden von 28 Menschen auf dem Schiff. «Ich konnte kaum glauben, dass ich nur mit ein paar Kratzern davongekommen war.»

Bald danach heuerte er auf einem anderen Schiff an. «Es war ein unglaublich harter Unfall. Trotzdem wollte ich weiter tauchen.» Als das Schiff aber von Palau im Südostpazifik wieder nach Belize sollte, ging er doch von Bord und wurde Operations-Manager einer Tauchbasis in Palau. Zum Glück, denn dort lernte er seine Frau kennen. «Natalia kam eigentlich nur auf einem Ferientrip bei uns tauchen, doch zum Glück war es nicht nur bei mir Liebe auf den ersten Blick.» Die Australierin machte gleich den Tauchmaster und zog zu ihm ins Hotel. «Da auch noch mein Bruder als Tauchguide anheuerte, war es an der Zeit, eine Wohnung zu finden. Meine erste. Die zehn Jahre davor hatte ich nie gekocht oder Wäsche gewaschen. Ich lebte aus dem Koffer.»



Great White Sharks, Guadelupe Island, Mexico

Weisse Haie? Kein Problem – auch sie wollen bestaunt werden in Mexico. (Bild: Thomas Bächtold)

Häuslich? Nein danke

Erst wollten die beiden in Palau häuslich werden und ein Eco-Resort eröffnen, doch dann zogen sie zusammen als Guides auf Expeditionsschiffen weiter. «Nach sechs Monaten hatten wir bereits alle sieben Kontinente bereist und beim Aufwachen wusste ich manchmal nicht, wo ich gerade war. Wir wechselten von einer Antarktis-Runde auf Eis direkt zur Safari in den Steppen Afrikas oder zum Tauchen in Neu Guinea.» Sieben Jahre zogen die beiden so um den Globus und reisten 11 Monate im Jahr. «Wir hatten mal durchgerechnet, dass uns diese Trips regulär 3,5 Millionen Dollar gekostet hätten. So verdienten wir bei diesen unglaublichen Erlebnissen sogar etwas.»

Vor sechs Jahren gründeten die beiden ihre eigene Expeditionsfirma Wild Earth Expeditions. «Wir wollten unsere Erfahrung nutzen, um kleinen Gruppen von maximal 16 Personen die schönsten Ecken dieses Planeten zu zeigen.» Im hart umkämpften Markt trumpft Bächtold mit selbst konzipierten Trips, die sonst keiner anbietet: etwa zu allen fünf Grosskatzen in Indien, oder von minus 30 Grad im Himalaya bis runter in die Bengalen bei plus 30. Auch erhielt er als erster Anbieter eine Lizenz, um vor der Küste Mexikos mit einem Forschungs-U-Boot weisse Haie zu begleiten.

Der letzte Trip kombinierte Tauchen und Schnorcheln im südost-indonesischen Raja Ampat mit einer Trekking Tour durch die Berge West-Papuas. Über 40 einheimische Träger von vier verschiedenen Stämmen sorgten dabei für das Wohl der 12-köpfigen Trekkingtruppe. «Damit bei solch einem Trip alles reibungslos läuft, müssen wir schon zwei Jahre vorher mit der Planung beginnen.» Gut sechs mehrwöchige Touren bietet das Unternehmen jährlich an.



Thomas with Elephant seal Wieners at Gold Harbor in South Georgia

Sesshaft? Nicht ganz, aber zumindest eine Verschnaufpause mit See-Elefant an der Küste von Südgeorgien. (Bild: Thomas Bächtold)

Nicht länger als zwei Monate am selben Ort

Mit den Kindern wurde die Familie nördlich von Sydney sesshaft. Die Hälfte des Jahres arbeitet Bächtold dennoch irgendwo in schönster Ferne. «Ich bin wie ein Zigeuner und kann schwer länger als zwei Monate am selben Ort bleiben. Allerdings vermisse ich die Familie mittlerweile schon sehr.»

Deshalb soll sie nach seinen Trips so oft wie möglich nachreisen können. Ausserdem plant Bächtold, neue Guides für Wild Earth Expeditions aufzubauen. Denn die Trips sind eigentlich immer ausgebucht, und wenn er die Anzahl der Angebote und Guides erweitert, kann er auch mal daheim bleiben oder seinen grössten Traum erfüllen: «Irgendwann hoffe ich, wieder nur mit Familie und Freunden die Welt zu entdecken.»

Den Anfang macht er nun hier in Europa. Denn auch wenn das für die meisten Ohren unspektakulär klingt, Bächtolds Augen funkeln, wenn er von seinen nächsten Zielen spricht: «Ich will endlich mal Berlin und Rom entdecken!»

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