Via Surftrip zum Secondhand-Laden

Ein Reise auf der Suche nach der perfekten Welle veränderte ihr Leben: Kimberley Wichmann vereint in der Chemiserie Plus die Secondhand-Kulturen von Süd- und Nordamerika.

Früher kaufte sie höchstens Skijacken im Brocki, heute hat Kimberley Wichmann ihren eigenen Secondhand-Shop.

(Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Ein Reise auf der Suche nach der perfekten Welle veränderte ihr Leben: Kimberley Wichmann vereint in der Chemiserie Plus die Secondhand-Kulturen von Süd- und Nordamerika.

Aus den Ferien bringt man gerne Kleider-Souvenirs nach Hause. Kimberley Wichmann kehrte jedoch mit leeren Koffern von ihrem Surftrip heim. Um an Geld zu kommen, musste sie am Ende der 20 Monate quer durch Amerika Bus, Bretter und sogar ihre Kleider verkaufen. «Das war eine bittere Zeit, doch inspirierte mich die Erfahrung für den Neuanfang hier», resümiert die 35-jährige Architektin in ihrer kürzlich eröffneten Chemiserie Plus.

Im schmucken Lokal an der Claramatte kombiniert Wichmann gebrauchte Kleider mit frischen Ideen. Hier sollen Frau und Mann nicht nur ungeniert ihre Nasen in Secondhand-Kleider ohne Müffel-Gout stecken: Hier kann man selbst verkaufen oder – über einen Kredit – auch tauschen. «Bei uns ist dieses System noch nicht bekannt. In Nordamerika funktioniert es jedoch schon seit den Siebzigern und ist heute so etabliert, dass es Ladenketten gibt.»

Neu war für Wichmann nicht nur der Tauschhandel von Ware gegen Ware. Auch ihr Interesse für Mode und gebrauchte Kleider im Speziellen war bis vor der Reise gering. «Ich hatte in meinen Teenie-Jahren zwar auch Ski- und Trainerjacken in Brockis gesucht, aber erst in Südamerika fand ich Gefallen am Stöbern in den Secondhand-Shops.»

Plastikwäsche im Bus

Die heissen dort «Ropa Americana» und bieten zu günstigen Preisen bessere Ware als die regulären Shops, da die Qualität der «US-amerikanischen Kleider» höher ist, als jene der für den heimischen Markt produzierten Textilien. Jedes Dorf hat mindestens einen solchen Laden. «Wir kauften nur noch in den ‹Ropa Americana›. In El Salvador sogar gebrauchte Bettwäsche, da die Supermärkte nur solche mit 50 Prozent Plastikanteil hatten, was die heissen Nächte im Bus nicht erträglicher machte.»

Dass Textilien zum roten Faden ihres Trips würden, hatte Wichmann nicht gedacht. Eigentlich wollte sie mit Freund Andi Anderhub in einem Van, den sie Eugen getauft hatten, einfach den Wellen nach die Küste hoch fahren. «Ich träumte seit meinem Architekturstudium von einem langen Surftrip mit Andi.» Im März 2013 war es so weit.

Die beiden flogen ihrem selbst umgebauten Dodge-Feuerwehr-Bus Jahrgang 1978 nach, den sie nach Valparaiso in Chile verschifft hatten und starteten ihren «Endless Summer». «Wo wir enden würden, war unklar. Da ich Halb-Amerikanerin bin, spekulierten wir sogar darauf, in Kalifornien weiterzuleben.» Dort liefen die Wellen endlich von rechts. Besser für Wichmann, schlechter für Anderhub. Aber der hatte seine Wunschwelle schon in Peru erlebt, bei der längsten links laufenden Welle der Welt in Puerto Chicama.

Beide haben in Basel wieder Arbeit gefunden. Wichmann arbeitet 60 Prozent in einem Architekturbüro. «Ich mag die Architektur, doch dieser Beruf kann dich auffressen.» Mit dem Teilzeitpensum kann sie zwar keine Bauprojekte mehr planen, dafür hat sie mehr Zeit, andere Ideen zu verwirklichen – wie nun die Chemiserie Plus.

Das Konzept von Secondhand-Ankauf, -Tausch und -Verkauf testete sie bereits mit temporären Shops wie etwa am Open Air Basel. «Zwischen den Konzerten war der Stand rammelvoll. Aber der beste Kunde war definitiv der Mischer von Mark Lanegan, der Bandshirts und Alben tauschte.» Mit der Chemiserie Plus hofft Wichmann nun auch die Schweizer für dieses Kleiderkonzept zu gewinnen. «In unserer Wohlstandsgesellschaft sind sich einige zu gut, Geld für gebrauchte Kleider zu nehmen. Dabei würde gerade in der schnelllebigen Mode der Tausch oder Weiterverkauf doch Sinn machen.»

Einen Monat nach Eröffnung hängen die von Anderhub geschreinerten und geschraubten Gestelle jedenfalls voll. Es hat teure Vintage-Stücke darunter, doch die meisten Kleider kosten zwischen neun und 30 Franken. Anfangs kamen natürlich vor allem Freundinnen und Freunde. Doch mittlerweile kehren immer mehr Fremde ein. «Ein paar Latinos  aus dem Quartier shoppen hier schon selbstverständlich und auch eine Handvoll Amerikaner kam schon tauschen. Die Schweizer stellen interessiert Fragen und bringen beim nächsten Besuch Kleider mit.»

Es scheint also, der Klamottentausch wird auch hierzulande populär – nicht nur nach Fussballspielen oder auf Kleinkinder-Kleiderbörsen.

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Chemiserie+, Drahtzugstr. 24, 4057 Basel

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