Eine Ausstellung über Fossilien und Mineralien ist nur etwas für verkalkte Opas? Weit gefehlt! Wie sich ein Besuch der Mineralienbörse mit Fachmann Hans-Rudolf Rüegg zu einer Reise ins Weltall entwickelte.
In der Fachszene wohlbekannt, geht die Basler Mineralienbörse an Laien mehr oder weniger spurlos vorbei. Man könnte es als Treffen von Strahlern und ein paar esoterisch Verstrahlten abtun. Also habe ich mich bei Hans-Rudolf Rüegg, Techniker am Umweltwissenschaften-Institut der Uni Basel und sozusagen ein Urgestein der Basler Mineralienkenner-Szene, angehängt.
Begonnen hat für Hans-Rudolf Rüegg alles mit einem Stein, gefunden in einem Garten beim Brunnmattschulhaus. Er stellte sich als versteinerte Koralle heraus. Als der Neunjährige die Versteinerung zu einem Besuch ins Naturhistorische Museum mitnimmt, erfährt er, wie der ehemalige Meeresbewohner ins binnenländliche Basel gelangt ist. «Ein Mitarbeiter des Museums erklärte mir, dass die gesamte Umgebung vor der Alpenfaltung am Grunde eines Ozeans lag. Anfangs fragte ich mich, ob der gute Mann hier wohl in der richtigen Institution ist oder ob er nicht viel eher in die Nervenheilanstalt in der Nähe des Flughafens gehört», scherzt Rüegg. Dann fing er an, Bücher zu lesen und mit dem Velo Touren zu unternehmen, um weitere Fossilien zu suchen.
Versteinerte Zeitreisende, heute zu finden im Schweizer Mitelland und den Alpen. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Als es Zeit wird, sich für einen Beruf zu entscheiden, kommt für ihn nur ein Ort infrage. So macht er sein Hobby zum Beruf, bewirbt sich beim Geologischen Institut der Universität Basel und absolviert dort die Ausbildung zum Techniker.
Wenn Hans-Rudolf Rüegg erzählt, wird schnell klar, mit wie viel Leidenschaft er bei der Sache ist: «Es ist mir wichtig, den Leuten klarzumachen, dass es sich eben nicht bloss um tote Objekte handelt. Hinter jedem Stein, den man aufliest, steckt eine Geschichte!» Und die erzählt er mit Begeisterung, wenn jemand an seinen Stand tritt. Fein sortiert reihen sich versteinerte Ammoniten an polierte Amulette und kleine grüne Glassplitter. Letztere stammen von einem Meteoriteneinschlag in Deutschland. «Der Aufprall hatte eine derartige Wucht, dass Teile zurück ins All geschleudert wurden, bevor sie von der Schwerkraft wieder zur Erde gezogen wurden. Bis nach Tschechien sind sie geflogen.»
Kein Kot, sondern beim Wiedereintritt in die Atmosphäre geschmolzene Glaspartikel. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Ein erster Blick auf die restlichen Aussteller verspricht Grosses: Fossilien, Edelsteine in roher und geschliffener Form, zu Schmuckstücken veredelte Kostbarkeiten, Gebrauchsgegenstände, Steinkunst und versteinerter Kot. Auch die obligatorische Esoterik-Fraktion ist anzutreffen.
Bitte oszillieren Sie!
An deren Ständen werden nach dem Prinzip des «Nützts nichts, so schadets nichts» Steine verkauft, welche die Seele in Schwingung versetzen und positive, ja sogar heilende Kräfte freisetzen sollen (Hildegard von Bingen lässt grüssen). «Wenn die den Menschen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, wenn sie sie in der Hosentasche bei sich tragen, ist das ja in Ordnung», erklärt Rüegg.
Doch er warnt: «Diese esoterische Ebene betrachten wir Wissenschaftler aber mit Skepsis. Besonders wenn es da um medizinische Anwendungsbereiche geht.» Wenn jemand, der nicht über ein fundiertes Wissen verfüge, Mineralien aufgrund angeblicher heilender Wirkungen abkoche und den Absud trinke, könne es passieren, dass er oder sie ein schwermetallhaltiges (etwa arsen- oder bleihaltiges) Mineral aufnimmt. «Dann geht es einem nachher sicher nicht besser», warnt Rüegg.
Durch ganz real schwingende Kristalle werden Uhren betrieben. «Quarzuhren verfügen über einen eingebauten Quarzkristall, welcher zu oszillieren beginnt, wenn er elektrisch stimuliert wird. Dadurch lässt sich Zeit sehr genau messen.»
In alten Erzminen
Nach einem Rundgang zurück bei seinem Ausstellungsplatz angekommen, sagt Rüegg, ein Aspekt des Mineraliensammelns sei sicherlich der Jagdgedanke. Das Sammeln, das zur Sucht ausarten könne. Neben der privaten Faszination kommen aber auch gesellschaftliche und historische Aspekte hinzu. «Man kann das auch ganz grundsätzlich sehen: Wenn wir unseren Boden nicht hätten, hätten wir nichts zu essen. Dann gäbe es uns gar nicht! Dem hohen Mineralienanteil in unserem Boden haben wir es zu verdanken, dass dieser fruchtbar und bebaubar ist. Die erodierten Mineralien wurden mit dem Wind ins Flachland getragen und bilden den sogenannten Lössboden.»
Der Mensch und das Mineral teilen eine jahrtausendealte Geschichte. Einen Teil davon arbeitet Rüegg in der Schweiz auf. «Im Moment arbeite ich mit der Stiftung ‹Untergrund Schweiz› daran, ein umfassendes Archiv aller alten Erzminen der Schweiz zu erstellen. Während des Ersten und Zweiten Weltkrieges war es wichtig, selbstständig Rohstoffe zu beschaffen. Nach den Kriegen war der Import aus dem Ausland wieder billiger, die Minen wurden geschlossen und vergessen.»
Aufgrund der schwachen Strahlung ungefährlich, sollte trotzdem weder eingeatmet noch unter dem Bett gelagert werden: Uranoxid. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Und wo wir schon bei Minen sind, nimmt Rüegg eine Kartonkiste mit einem grünlich überzogenen Stein hinter einer Verkleidung des Stands hervor und packt den Geigerzähler aus. Früher wurde Uranoxid in Menzenschwand im Schwarzwald abgebaut. Heute sind die Minen geschlossen und nur noch das Radon-Thermalbad zeugt vom Pioniergeist des Uranabbaus.
Für den Verkauf des radioaktiven Minerals gibt es übrigens Auflagen: Nicht an Kinder, sondern an Fachpersonen und nur in geeigneten, luftdichten Behältern sei dieses abzugeben.
Sedimentieren im Parabelflug
Hans-Rudolf Rüeggs Arbeit und Hobby kreisen nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch um die Zukunft. Erst im Herbst diesen Jahres führte er mit einem Wissenschaftler der Uni Basel ein Experiment durch, welches bei einem Parabelflug das Sedimentierverhalten kleinster Partikel in der Schwerelosigkeit beschreibt. Heisst übersetzt: Es geht darum, den besten Landeplatz auf dem Mars zu ermitteln, um nach Leben zu suchen.
Mein Blick fällt zurück auf die Meteoriten in der Auslage. Und wenn es wieder einmal zu einem Einschlag kommen sollte wie jenem in Deutschland, von dem die Glassplitter an Rüeggs Stand stammen? Oder von noch grösseren Dimensionen, wie zum Beispiel jener, der für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich war? «Darauf sind wir nicht vorbereitet», sagt Rüegg: «Eigentlich müssten wir uns jeden Morgen freuen, dass wir nicht im Schlaf von einem Meteorit ausgelöscht wurden.»