Zarte Erscheinung mit berauschender Präsenz

Gegenwärtig begeistert Sandra Hüller in der weibliche Hauptrolle im Kinofilm «Toni Erdmann». Das weckt in Basel wehmütige Erinnerungen, denn der deutsche Bühnen- und Filmstar feierte seine ersten grossen Erfolge als Ensemblemitglied am Theater Basel.

Sandra Hüller: von der Bühne ans Filmfestival in Cannes.

(Bild: Pascal Le Segretain/Getty Images)

Gegenwärtig begeistert Sandra Hüller in der weibliche Hauptrolle im Kinofilm «Toni Erdmann». Das weckt in Basel wehmütige Erinnerungen, denn der deutsche Bühnen- und Filmstar feierte seine ersten grossen Erfolge als Ensemblemitglied am hiesigen Theater.

Es ist einer dieser grossen Theatermomente, die im Gedächtnis eingebrannt bleiben: Da sieht man dieses zarte junge Wesen auf der Bühne – eine Erscheinung, die man auf der Strasse draussen im ersten Moment wohl übersehen würde. Doch wenn sie auf der Bühne loslegt, strahlt sie eine Aura aus, die jeden bis in die hinterste Ecke des Zuschauerraums in den Bann zieht.

«Sandra Hüller hat die absolute Präsenz – das haben sonst nur Tiere, Kleinkinder oder Ausserirdische», liess sich die Regisseurin Barbara Frey einst in der «Basler Zeitung» zitieren. Das war im Jahr 2003. Frey inszenierte damals die Uraufführung von Lukas Bärfuss‘ Drama «Die sexuellen Neurosen unserer Eltern». Hüller spielte das geistig behinderte Mädchen Dora, das seine Sexualität entdeckt und auch auslebt. Ein heikler Part, den Hüller bravourös spielte oder vielmehr nachlebte: unaufgesetzt, stark und innig.

Beachtlicher Preissegen

Hüller war damals gerade 25 Jahre alt. Entdeckt in der Schauspielära unter Lars-Ole Walburg trat die junge Mimin aus dem ostdeutschen Thüringen 2002/03 ihr erstes Engagement an einem grossen Theater an. Und startete gleich durch: In Shakespeares «Romeo und Julia» machte sie die süss-jugendliche Julia zur stärksten Figur der Tragödie, als Gretchen in Goethes «Faust» bestach sie durch eine fesselnde Schlichtheit. Süss und stark, fesselnd und schlicht sind vermeintliche Gegensätze: Hüller hat diese verinnerlicht, was das Geheimnisses ihrer faszinierender Bühnenpräsenz ist.

Bald folgte dasselbe Phänomen auf der Leinwand. 2006 zum Beispiel in ihrer ersten grossen Filmrolle in Hans-Christian Schmids «Requiem». Dafür wurde sie an der Berlinale mit dem Silbernen Bären als beste Darstellerin geehrt. Ihre ersten Auftritte am Theater Basel hatten zur Auszeichnung als Nachwuchsschauspielerin des Jahres der Zeitschrift «Theater heute» geführt. Viele weitere bedeutende Preise folgten. Und wenn ihr aktueller Film «Toni Erdmann» von Maren Ade an den Filmfestspielen in Cannes nicht ganz obenaus schwingen konnte, so gab es doch den Preis der Kritikervereinigung.

Vier Jahre in Basel

Von 2002 bis 2006 Jahre hat Sandra Hüller, die sich an der renommierten Ernst-Busch-Schule in Berlin zur Schauspielerin hatte ausbilden lassen, das Bühnengeschehen am Theater Basel mitgeprägt. Trotz ihrer Erfolge auf der Leinwand blieb sie dem Theater stets treu. Nach Basel folgten Engagements und Auftritte untere anderem an den Münchner Kammerspielen, der Ruhrtriennale, dem Theater Freiburg, an der Volksbühne Berlin und jüngst am Zürcher Neumarkt-Theater.

Wenn man sie heute, zehn Jahre nach dem Basler Engagement, auf den Pressefotos auf der glamourösen Croisette in Cannes sieht, hat man das Gefühl, dass dieses zarte Wesen, das im Spiel eine solche Kraft entwickeln kann, sich kaum verändert hat. Nur, dass sie noch berühmter geworden ist, als sie es damals in Basel bereits war.

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