«Schokolade hat eine lange Geschichte», sagt Stephanie Greiner. «Besonders hier in der Schweiz. Es gibt Unternehmen, die seit über 100 Jahren bestehen.» Die 34-Jährige – halb Schweizerin, halb Kolumbianerin – organisiert die «Xocotour Suisse». Auf geführten Touren erfahren die Teilnehmenden alles zur Geschichte der Schweizer Schokolade und können bei Degustationen den Schoko-Connaisseur in sich selbst entdecken.
Frau Greiner, Sie wohnen und arbeiten – nach 15 Jahren im Ausland – seit einiger Zeit wieder in der Schweiz. Warum?
Basel ist meine Heimatstadt – ich bin hier aufgewachsen. Dass ich hierher ziehen würde, war aber nicht geplant. Die Entscheidung war situationsbedingt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade einen Arbeitsplatz in Genf bekommen, bei L’Oréal, und war in eine neue Wohnung umgezogen. Doch dann ist meine Mutter krank geworden und ich beschloss, mich um sie zu kümmern. Job, Apartment, Freund – das alles habe ich dort zurückgelassen.
Zukunftspläne hatten Sie in Basel keine?
Nein. Die haben sich erst nach meiner Ankunft entwickelt.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihr eigenes Unternehmen zu gründen?
Während der ersten Jahre habe ich mich ausschliesslich um meine Mutter gekümmert. Als sie gestorben ist, wusste ich zunächst nicht, ob ich in der Stadt bleiben sollte. Es war aber klar, dass ich aus familiären Gründen in der Nähe bleiben wollte. Also beschloss ich, auf die Dauer hierher zu ziehen.
Fiel Ihnen der Neustart leicht?
Es ging darum, mein Leben neu zu gestalten. Ich fand mich unvermittelt zurück in meiner Heimatstadt – ohne soziales Umfeld und ohne alte Verbindungen. Ausser meiner Familie. Es war mir wichtig, wieder etwas aufzubauen. Zum Beispiel ein eigenes Unternehmen. Dadurch konnte ich mich hier wiederfinden und die Stadt neu kennenlernen.
«Basler und Schweizer im Allgemeinen stehen neuen Ideen eher zurückhaltend gegenüber.»
Wie kamen Sie auf die Idee mit den Schokoladen-Touren?
Zufall. Mein Bruder hatte sich entschieden, nach der Hotelfachschule ein «Gap Year» zu machen und arbeitete während dieser Zeit bei einem kleinen Chocolatier in Lausanne. Das Geschäft produzierte alles Mögliche – Pralinen, Tafeln – wovon er immer wieder etwas mit nach Hause nehmen durfte. Die Arbeit hat ihm Spass gemacht. Und später ist er dann zurück nach Hause gezogen, um dort in einem anderen Laden zu arbeiten. Wir haben uns oft über Schokolade unterhalten.
Ein weites Feld.
Unser Lieblingsthema waren die Touristen, die in die Schweiz kommen und nur die Schokolade der Grosshersteller kennenlernen. Sie entdecken selten die Konfiserien und Chocolatiers, mit denen wir aufgewachsen sind, die ein Teil der Stadtgeschichte sind. Familienbetriebe, die noch alles von Hand verarbeiten. So entstand die Idee zur «Xocotour Suisse».
Wie ging es dann weiter?
Ich stellte ein Programm zusammen und zeigte es dem Tourismusverband. Die fanden die Idee super. Interessant ist ja, dass es das nicht wirklich gab oder gibt. Die Schweiz ist als «Schokoladen-Land» bekannt – und trotzdem ist noch niemand auf diese Idee gekommen.
Wie reagierte Ihr Umfeld?
Basler und Schweizer im Allgemeinen stehen neuen Ideen eher zurückhaltend gegenüber. Dies ist nicht negativ gemeint, es reflektiert einfach die geringe Bereitschaft der Schweizer, Risiken einzugehen – was ganz im Sinne der schweizerischen Geschichte und Politik ist. Es ist eine Eigenschaft, welche vor Fehltritten bewahren kann, aber sie bremst gleichzeitig die kreative Energie.
«Ich spüre bei der jüngeren Generation Aufbaustimmung und den Drang zu Veränderungen.»
Sie haben dieses Unternehmen von Grund auf selbst aufgebaut. Was war dabei das Schwierigste?
Es war schwer, überhaupt den Entschluss zu fassen. Ich glaube, es ist immer anstrengend, den ersten Schritt zu machen. Die Entscheidung wurde mir etwas erleichtert, da ich nicht viel Geld investieren musste, um das Projekt zu starten. Ich konnte einfach von einem Tag auf den anderen anfangen. Jetzt muss ich überlegen, wie ich an Kunden komme. Das ist der schwierigste Teil.
Läuft es denn gut?
Schon. Es gibt Wochen, in denen wir täglich ein bis zwei Touren haben. Das ist aber nicht immer der Fall.
Diese Touren sind eine «One-Woman-Show»?
Genau. Die Idee ist aber, dass ich in Zukunft Leute habe, die mir einen Teil der Arbeit abnehmen. Zum Beispiel das Marketing. Es wäre schön, wenn ich jemanden hätte, der für mich Werbung macht und Kunden findet. Ganz zurückziehen möchte ich mich aber nicht. Die Touren machen mir immer noch Spass – das werde ich nicht aufgeben. Zumindest nicht ganz.
Was stellt für Sie als junge Unternehmerin in Basel eine besondere Herausforderung da?
Dass man die Inspiration und Motivation immer wieder bei sich selbst suchen muss. Oft fehlt hier der Impuls durch eine anregende und ermutigende Umgebung, was ich im Vergleich zu anderen Ländern oder Städten, in welchen ich bisher gelebt habe, vermisse. Es gibt keinen starken unternehmerischen Geist und daher muss man Entrepreneur-Gemeinschaften gezielt suchen oder selbst aufbauen. Die jungen Generationen bringen jedoch langsam einen neuen Wind, und das macht es wiederum auch interessant, in Basel zu arbeiten, denn es gibt viel Ausbaupotenzial und ich spüre bei der jüngeren Generation Aufbaustimmung und den Drang zu Veränderungen.
«Der Basler ist eigentlich sehr offen, an Unbekanntes will er sich aber in seinem eigenen Rhythmus herantasten.»
Wie kommen Sie generell in Basel zurecht – als halb Einheimische, halb Nicht-Einheimische?
Der Basler ist eigentlich sehr offen, interessiert und entspannt, aber er ist nicht neugierig und entscheidet gerne selbst, wann er auf Unbekanntes oder Neues zugeht, er will sich in seinem eigenen Rhythmus herantasten. Alles andere kann einem Basler aufdringlich, überheblich oder gar suspekt erscheinen. Daher braucht die lokale Gesellschaft oft etwas länger, um mit Neuem warm zu werden.
Möchten Sie in Basel bleiben?
Ich glaube, ein Standbein hier zu haben, ist sicher eine gute Idee. Aber ich bin flexibel und schliesse es auch nicht aus, eine Weile woanders zu wohnen und zu arbeiten. Oder woanders ein Projekt aufzubauen und zwischen Städten zu pendeln. Wie es sich halt ergibt. Was ich mir gut vorstellen könnte ist, einige Zeit in Kolumbien zu verbringen – es kommt auf die politische Lage dort an.
«Viele, teils oberflächliche soziale Verbindungen zu pflegen, ist hier nicht die Norm.»
Wir stark verbunden sind Sie mit Kolumbien?
Obwohl wir in der Schweiz aufgewachsen sind, sorgte meine Mutter dafür, dass wir über die Kultur informiert waren. Sie hat uns die Sprache beigebracht, in dem sie zu Hause nur Spanisch gesprochen hat, lehrte uns die Traditionen und ist mindestens einmal im Jahr mit uns nach Kolumbien gereist. Dadurch entwickelte ich eine Verbundenheit. Im Grossen und Ganzen fühle ich mich zu gleichen Teilen kolumbianisch und schweizerisch.
Welchen Rat würden Sie Ausländerinnen in der Schweiz geben?
Aktiv den Kontakt suchen und nicht zu schnell aufgeben. Das heisst: sich nicht von einer anfänglichen Unaufgeschlossenheit verunsichern lassen. Viele, teils oberflächliche soziale Verbindungen zu pflegen, ist hier nicht die Norm. Man hat eher wenige, aber gute Freundschaften – daher dauert es auch etwas länger, eine Verbindung aufzubauen.
Und was können die Einheimischen tun?
Auch die lokale Gesellschaft sollte etwas mehr Offenheit zeigen. Auf Expats zugehen, sie aktiv in die lokalen Aktivitäten einbinden. Und aktiv den inter-kulturellen Austausch suchen, denn es ist immer produktiver, wenn Einheimische die Integration engagiert fördern und nicht nur fordern.