Unser täglicher Rausch

Es musste so weit kommen: Auch die 99. Ausgabe der Tour de France hat einen Dopingfall. Vor ein paar Tagen ist der luxem­burgische Radprofi Fränk Schleck sowohl in der A- wie in der B-Probe positiv auf das ­Diu­­­re­­tikum Xipamid getestet worden. Der Stoff hat keine direkte leistungsstei­gernde Wirkung, kann aber zur Verschleie­­rung von Doping­substanzen benutzt […]

Es musste so weit kommen: Auch die 99. Ausgabe der Tour de France hat einen Dopingfall. Vor ein paar Tagen ist der luxem­burgische Radprofi Fränk Schleck sowohl in der A- wie in der B-Probe positiv auf das ­Diu­­­re­­tikum Xipamid getestet worden. Der Stoff hat keine direkte leistungsstei­gernde Wirkung, kann aber zur Verschleie­­rung von Doping­substanzen benutzt werden.

Doch egal, ob Schleck gedopt hat oder nicht – denk­wür­dig an diesem Fall ist ohne-hin ­etwas anderes: Er hat kaum Wellen ­geschlagen. Noch vor we­nigen Jahren hätte Ähnliches reflexartig zu Empörung und zur Auffor­derung ge­führt, endlich wirksame Mass­nahmen gegen Sportdrogen zu ergreifen.

Sind wir schon so sehr gegen Miss­bräuche im Sport abgehärtet? Oder ist der Konsum von Aufputschmitteln und Drogen aller Art in unserer Gesellschaft so normal geworden, dass sich kritische Fragen erübrigen?

Für Letzteres sprechen die Ergebnisse des dies­jährigen UNO-Weltdrogenreports. Trotz massiver Auf­wendungen in der Suchtmittel­prophylaxe ist der Drogenkonsum nicht zurückgegangen. Auch in der Schweiz nicht.

Rund 20 Jahre nach Räumung der offenen Drogenszenen am Zürcher Platzspitz und Lettensteg sind zwar die sichtbaren Formen der Ver­elen­dung durch Drogen verschwunden und der Heroinverbrauch, in den 1980er-Jahren Pro­blemdroge Nummer 1, ist rück­läufig. Zugenommen hat aber der Konsum von synthetischen Party­drogen und Kokain.

Neusten Schätzungen zufolge schnupfen hierzu­lande rund 100 000 Menschen regel­mäs­sig Koks. Anhand des sichergestellten Kokains ­gehen die Behörden davon aus, dass der Verbrauch in der Schweiz ­zwischen 3,7 und 5,3 Tonnen pro Jahr liege – Tendenz steigend, wie Roger Flury von der Bundes­kriminal­polizei gegenüber dem «Beobachter» erklärte.

Dani Winter ist in unserer Titelgeschichte den jüngsten Entwicklungen auf den Grund gegangen. Sein Fazit: Wir Schweizer sind ein Volk auf Drogen. Für jede Lebenslage gibt es die passende Substanz – und wir greifen gerne zu. tageswoche.ch/+azetm

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 27.07.12

Nächster Artikel