Sorry, Hans-Peter Tschudi! Der letzte Basler Bundesrat und «Vater der Altersvorsorge» muss seinen Park im St. Johann hergeben. Der Park gehört umgewidmet. Zu Ehren der «Mutter des vorsorgelosen Alters».
Bei der Analyse der Abstimmung sind sich die meisten Medien in einem Punkt einig: Die 70 Franken AHV-Zuschlag für Neurentner waren keine gute Idee. Weitere Erklärungen und Prognosen in unserer Presseschau.
Reflexe bei «watson»
Die Gegner hätten eine clevere Kampagne geführt, schreibt Peter Blunschi bei «watson»: «Ist der Stimmbürger verunsichert, stimmt er reflexartig Nein.» Für eine baldige Reform sieht er schwarz, insbesondere für die Zweite Säule, da sich grosse Player im Nein-Lager uneinig seien, wie der tiefere Umwandlungssatz kompensiert werden soll. «Der Arbeitgeberverband will den Koordinationsabzug streichen und damit die versicherte Lohnsumme erhöhen. Seine Schwesterorganisation, der Gewerbeverband, lehnt dies ab.» Blunschi schliesst pessimistisch: «Nun droht ein hässlicher Klein-Klein-Krieg, bei dem der Berg nicht einmal ein Mäuschen gebären wird.»
Ohrfeige bei der NZZ
«Jetzt muss das AHV-Alter steigen», kommentiert Helmut Stalder in der NZZ. Das Nein sei eine Ohrfeige für Bundesrat Berset und ein Denkzettel fürs Parlament. «Es ist ganz klar ein bürgerliches Nein gegen eine von Mitte-links geprägte Vorlage», schreibt Stalder und folgert, die Stimmberechtigten seien «durchaus in der Lage, der Notwendigkeit eines höheren Rentenalters ins Auge zu sehen.»
Zeitdruck beim «Tages-Anzeiger»
Der «Tages-Anzeiger» betitelt seine Analyse: «Die nächste AHV-Reform wird rechts.» Er erwartet, dass sich die CVP mit SVP und FDP einigen wird: Das dürfte darauf hinauslaufen, dass die 70 Franken AHV-Aufschlag vom Tisch sind und im Gegenzug das Rentenalter steigt. «Viel Zeit bleibt nicht mehr», überschreibt Daniel Foppa einen Kommentar, in dem es heisst: «So kam das Nein zustande, weil die Rentenreform für Linksaussen wegen des höheren Frauenrentenalters und der Senkung des Umwandlungssatzes eine Abbauvorlage war – und weil sie aus Sicht der Rechten wegen des AHV-Zuschlags von 70 Franken eine Ausbauvorlage war. Was zieht man nun für Schlüsse aus diesen gegensätzlichen Gründen?»
Poesie bei «La Liberté»
Serge Gumy in «La Liberté» schreibt nicht, das Volk sei halt ein bisschen blöd. Er formuliert es so: Die AHV-Revision sei «intellektuell kohärent, aber ohne Zweifel zu komplex für den gewöhnlichen Bürger» gewesen. So lande die Reform Bersets nun «auf dem Friedhof mit all den anderen abgelehnten Reformen». Er warnt: «Die Renten drohen gar zu sinken.» Poetisch dann der Ausblick: «Die Seeschlange der Altersvorsorge ist noch nicht fertig damit, sich in den eigenen Schwanz zu beissen.»
Psycho-Ökonomie beim «Nouvelliste»
«Le Nouvelliste» aus dem Unterwallis deutet das Ergebnis psycho-ökonomisch: «Die Reform wurde wie ein Basar präsentiert, auf dem jeder ein Schnäppchen machen kann. Und so hat jeder an sich gedacht – an das, was er mehr für sich ergattern kann, oder weniger als sein Nachbar haben wird. Und beim Vergleichen wurde sich jeder der Unausgeglichenheit der Reform gewahr», schreibt Stéphanie Germanier. Nun müssten die Politiker mit Sanierungsmassnahmen vor das Volk treten – und zwar mit einer nach der anderen.
Fatalismus bei der «Tribune de Genève»
«Die Notwendigkeit einer Reform ist unbestritten», schreibt Chefredaktor Pierre Ruetschi in der «Tribune de Genève». Nun gehe es um Leben oder Tod des Rentensystems. «Aber es ist nicht auszumachen, wie die politischen Gegner von gestern in vernünftiger Frist einen neuen Kompromiss zusammenschnüren können. (…) Die ersten Vorschläge der Rechten, die am Sonntag im Siegestaumel in die Runde geworfen wurden, haben bei der Linken sofort für nervöse Ausschläge gesorgt.» Dann wird der Autor fatalistisch: «Kann man die AHV retten vor der Implosion? Man will es glauben. (…) Der Bundesrat hat keine andere Wahl, als absolut alles zu unternehmen, um eine Lösung zu finden. Aber welche?»
Gerne hätten wir auf alle im Text erwähnten Artikel verlinkt. Doch anders als die TagesWoche verstecken viele Medien ihre Beiträge mittlerweile hinter einer Bezahlschranke.