96 Stunden geprobt – und jetzt ein einziges Mal auf der Bühne

In Arlesheim erarbeiteten junge Künstler in nur vier Tagen und Nächten eine Theateraufführung. Heute Freitagabend wird das Resultat präsentiert – ein einziges Mal.

Schlaflose Nächte: Die Künstler probten fast ununterbrochen. (Bild: Jonathan Kakon)

In Arlesheim erarbeiteten junge Künstler in nur vier Tagen und Nächten eine Theateraufführung. Heute Freitagabend wird das Resultat präsentiert – ein einziges Mal.

Das «Neue Theater am Bahnhof» in Arlesheim ist zur Zeit Schauplatz eines aussergewöhnlichen Theaterexperiments namens «96amstück». 14 junge Künstler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz proben seit Dienstag an ihren Stücken, die sie nach nur 96 Stunden – also vier Tagen – der Öffentlichkeit präsentieren. Heute Freitagabend um 20 Uhr kann das Resultat bewundert werden.

Im vergangenen Herbst ist das Theater Arlesheim an Jonas Darvas herangetreten. Das Theater sei eine Woche lang unbenutzt. «Wir wollten diese Situation nutzen, um einen Nährboden für junge Künstler zu schaffen», sagt Darvas, der das Projekt mitorganisiert. Also hätten sie den Aufruf in der freien Szene in Deutschland, Österreich und der Schweiz gestreut. 14 Bewerber wurden schliesslich angenommen. «Wir wollten, dass verschiedene Disziplinen und Länder vertreten sind.»

Gefüllter Kühlschrank

«Wir nehmen den Künstlern die äusseren Hürden», sagt Darvas. «Das Loslegen geht einfacher, wenn man sich nicht um die Kosten, den Ort und das Essen kümmern muss.» Mitorganisator Daniel Wernli erklärt  auch gleich, wie das konkret abläuft: «Wir füllen den Kühlschrank, sie organisieren sich selbst.»

Zusammengewürfelte Truppe: Die Künstler reisten aus Wien, Hamburg, Biel und Zürich an.

Zusammengewürfelte Truppe: Die Künstler reisten aus Wien, Hamburg, Biel und Zürich an. (Bild: Jonathan Kakon)

Derzeit arbeiten die Theaterschaffenden fast ununterbrochen an ihren Stücken. Weil es sich mit vollem Magen bekanntlich besser probt, werden sie vom Slam-Poeten Laurin Buser und von Elias Buess bekocht, der bis vor Kurzem noch im Restaurant Feldberg tätig war.

Vom Basler Stammtisch inspiriert

«Wir haben uns auf die Suche nach Räumen gemacht, wo die Geschwindigkeit der Moderne noch nicht angekommen ist», sagt die Basler Tänzerin Johanna Heusser. Das Thema ihrer Gruppe liesse sich mit «zeitlosen Räumen» umreissen.

Auf der Suche nach solchen Räumen sind die Künstler auf das Restaurant Drei Rosen Bazar gestossen. «Eine Stammbeiz wie diese ist ein zeitloser Ort, an dem auch kaputte Menschen zusammenkommen. Man könnte sie die Zwangsentschleunigten nennen», sagt Kathrin Herm, die in Salzburg Regie studiert und mit Johanna in der Gruppe arbeitet. «An diesen Orten kann man sich verlieren. Sie sind wohlig, es herrscht kein Druck.» Sie hätten sich ein Motiv rausgegriffen aus dem grossen Diskurs Zeitinsolvenz und die Suche nach der verlorenen Zeit. «Heutzutage lässt sich der Raum nicht noch weiter kapitalisieren. Nur noch mit der höheren Taktung von Dingen lässt sich die Wertschöpfung steigern», sagt Herm.

Überirdisches und ein blutiges Video

Auf der Bühne proben zwei Frauen vor eingeschalteten Scheinwerfern. Auf einem Notebook spielt ein Video, das später an die Wand projiziert werden soll: Metzger zerlegen darin Tierteile. Alles ist in Bewegung, Messer blitzen zwischen rosaroten Massen auf, Rippen fliegen über den Bildschirm. «Das haben wir in einer Arlesheimer Metzgerei aufgenommen», sagt die Schauspielerin Sibylle Mumenthaler. Dann verkleidet sie sich, legt sich eine Goldkette um den Hals und klappt den Kragen ihrer weissen Rüschenbluse darüber. «Irdische und überirdische Dinge» seien Thema ihres Stücks. «Oder bildhafter ausgedrückt: fleischlich und geistlich.»

Wie die Theaterschaffenden die vielfältigen Themen zu Stücken umgesetzt haben, zeigt sich heute Abend. Geht es nach Initiator Darvas, bedeutet die Vorstellung aber nicht das Ende des Schaffensprozesses: «Die Aufführung kann als Schnitt, als offengelegter Stand betrachtet werden. Vielleicht nehmen die Künstler das Resultat zum Anlass, um darauf eine grössere Produktion aufzubauen.»


Öffentliche Werkschau des Projekts «96amstück»: 6. Februar um 20 Uhr im «Neuen Theater am Bahnhof» in Arlesheim, Stollenrain 17. Eintrittspreis freiwillig/pay what you can. Platzreservationen an 96amstueck@gmail.com.

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