Jetzt ist es offiziell: Novartis sorgt mit ihrer Sanierung des STEIH-Areals in Hüningen nicht nur für Gestank, sondern bestäubt das Umland auch mit giftigem Lindan-Abfall. Dies bestätigt das Amt für Umwelt und Energie (AUE) am Montag in einer Medienmitteilung.
Nachdem am 5. September der Vorwurf von Martin Forter öffentlich wurde, dass Novartis die Umgebung kontaminiere, haben das AUE und das Lufthygieneamt beider Basel (LHA) Messungen für Basel angekündigt. Diese wurden nun über das Wochenende analysiert. Erste so genannte «Wischproben» an drei Stellen zeigten bereits auf, dass auf Grossbasler Seite in nächster Umgebung des STEIH-Areals «erhöhte Werte» an Lindan-Abfall gefunden wurden, im Kleinbasel an der Uferstrasse «leicht erhöhte Werte».
AUE entwarnt
In weiteren Bodenproben «an 22 Stellen im näheren und weiteren Umfeld des Sanierungsstandorts» konnte an sämtlichen Stellen Lindan-Abfall nachgewiesen werden. «Erhöhte Werte» habe das AUE mit den Bodenproben «an vier Standorten» gefunden, heisst es in der Mitteilung. Der höchste Wert weist demnach das ehemalige Hafenareal St. Johann auf, das direkt neben dem STEIH-Areal liegt. Mit einem rund halb so hohen Wert betroffen sind nach Messungen des AUE die Einfahrt zum Novartis-Campus, die Dreirosenanlage und die Uferstrasse.
Die in Basel festgestellten Werte lägen allesamt «deutlich unter dem Prüfwert», den das Bundesamt für Umwelt (BAFU) in der «Wegleitung Bodenaushub» festschreibt. Deshalb gibt das AUE vorerst Entwarnung: Aufgrund der ersten Einschätzung bestehe «kein Risiko», konkrete Schutzmassnahmen für die Bevölkerung müssten «heute nicht empfohlen werden», schreibt das AUE.
Luftbelastung bleibt unklar
Die auf den Bodenproben beruhende Entwarnung hält der Altlastenexperte Martin Forter für fragwürdig. Entscheidend sei schliesslich nicht die Bodenbelastung, sondern diejenige der Luft. «Das Risiko bei der Aufnahme von Lindan-Abfall über die Lunge ist ein ganz anderes», sagt Forter. Der Messwert für den Boden reiche höchstens für eine «grobe Beurteilung der toxischen Wirkung».
Auch nicht einverstanden ist Forter mit der vom AUE, LHA und der zuständigen französischen Behörde (DREAL) vor Ort getroffenen Beurteilung, woher der gemessene Lindan-Abfall-Staub stamme. Die dabei gemeinsam identifizierten Quellen – der Schiffverlad von «eher schwach kontaminiertem» und die offene Zwischenlagerung von gewaschenem Material – seien sicher auch für den Staub verantwortlich. Die Beurteilung, der Staub würde «kaum aus den Zelten entweichen, in denen die Aushubarbeiten stattfinden», sei jedoch Schönfärberei. «Es besteht kein Grund dafür, so zu tun, als wäre alles perfekt», sagt Forter. Dass solche Schutzzelte bei Wind den nötigen Unterdruck nicht aufrechterhalten können, hat Forter bereits am 5. September mit Videoaufnahmen belegt. Dieses Problem bleibe weiterhin, sagt er.
Weitere Massnahmen sollen folgen
Insofern sagen die jüngsten Messergebnisse für Forter vor allem eins aus: «Die Umgebung wird nun zum dritten Mal mit Lindan-Abfall kontaminiert. Diesmal ist es Novartis.» Für den Pharmakonzern sei es «höchste Zeit», dafür zu sorgen, dass kein weiterer Lindan-Abfall in die Luft verfrachtet werde. Denn auch wenn Forter anhand der Messergebnisse die konkreten gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung nicht abschätzen kann, steht für ihn fest: «Lindan-Abfall hat sicher nichts in der Luft zu suchen.»
Indes ist die Risikoabschätzung beim AUE noch nicht abgeschlossen. Es stehe diesbezüglich in Kontakt mit einem externen Experten. Novartis prüfe «zusätzliche Optimierungen» und DREAL würde nach der Inspektion vom 12. September nötigenfalls «zusätzliche Massnahmen anordnen», heisst es in der Mitteilung des AUE. Das LHA und das AUE hätten zudem mit «längerfristig angelegten Messungen» begonnen, in denen die Luftbelastung geprüft werde. Diese Ergebnisse würden «erst in ein paar Wochen» kommuniziert. Die Sanierung selber dauert noch ein halbes Jahr.