Angst gesät, Frust geerntet

An einer Betriebsversammlung machen Basler Paketpöstler ihrem Ärger Luft. Sie berichten von einem diktatorischen Führungsstil, einem Klima der Angst und notorischen Verstössen gegen das Arbeitszeitgesetz.

Ein Paketpöstler darf nur während der Arbeit sein Auto irgendwo abstellen. Parkiert er aber während seiner Pause ausserhalb eines Parkfeldes, risikiert er eine Busse.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

An einer Betriebsversammlung machen Basler Paketpöstler ihrem Ärger Luft. Sie berichten von einem diktatorischen Führungsstil, einem Klima der Angst und notorischen Verstössen gegen das Arbeitszeitgesetz.

Peter Heiri und Fritz Bütikofer von der Gewerkschaft Transfair waren nervös vor der Krisensitzung mit den Basler Paketpöstlern. Angespannt, weil einige Paketpöstler sich für die Betriebsversammlung von gestern Montag abgemeldet hatten, aus Angst vor Repressalien, wie die Gewerkschafter zu Beginn der Versammlung informierten. «Wenn die Paketpöstler aus Angst nicht an einer Betriebsversammlung teilnehmen, dann stimmt etwas gar nicht mehr», sagte Branchenleiter Peter Heiri.

Wie schlecht es bestellt ist um das Arbeitsklima bei den Basler Paketpöstlern machte die TagesWoche in ihrer letzten Ausgabe publik. Und die versammelten Paketpöstler doppelten nach: «Es ist bei uns wie in einer Diktatur. Über nichts, was angeordnet wird, können wir diskutieren», sagte einer. «Angst wird gesät», sagte ein anderer. Und wer nicht spure, bekomme eine Verwarnung, die Kündigung angedroht oder werde strafversetzt.

Nur wenige können Mittagspause korrekt einhalten

So wie jene zwei Paketpöstler, welche nach acht respektive fünf Jahren von ihren Touren in der Innenstadt abgezogen wurden, wie die TagesWoche aufdeckte. Sie hatten es gewagt, sich für ihre Mittagspause zu wehren. In der Innenstadt fänden sie meist schlicht keinen Parkplatz, um diese Pause korrekt einzuhalten. Die Post stellte sich auf den Standpunkt, dieses Problem hätten keine anderen Paketpöstler, nur die zwei aus der Basler Innenstadt.

Umso erstaunlicher dann die Umfrage bei den versammelten Basler Paketpöstlern. Nur gerade drei von über zwanzig Paketpöstlern gaben zu Protokoll, sie würden und könnten die vorgeschriebene Mittagspause korrekt einhalten. Alle anderen erklärten, sie würden entweder durcharbeiten oder ihr Fahrzeug auf dem Trottoir parkieren und hoffen, dass sie nicht erwischt würden oder dass die Polizei wieder einmal ein Auge zudrücke.

Arbeitsrechtsprofessor: Aufsichtsbehörde müsste einschreiten

Offenbar hält ein Grossteil – und nicht nur zwei der rund hundert Basler Paketpöstler – die Mittagspause nicht ein. Damit liegt der Verdacht auf der Hand, dass es täglich zu zahlreichen Verstössen gegen das Arbeitszeitgesetz kommt. Die Aufsichtsbehörde, das Bundesamt für Verkehr, müsste umgehend einschreiten. Dies forderte Arbeitsrechtsprofessor Thomas Geiser von der Universität Sankt Gallen schon in der letzten Ausgabe der TagesWoche. Doch das zuständige Bundesamt für Verkehr macht es sich einfach und übernahm die Sprachregelung der Post: Das BAV habe keine weiteren Hinweise, dass bei der Post «Defizite bei der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes» bestehen würden. «Angesichts der Tatsache, dass die Post rund 40 000 Arbeitnehmende zählt, geht das BAV davon aus, dass vermehrt Meldungen eingehen würden, sollte die Post das Arbeitszeitgesetz nicht korrekt einhalten», sagte ein Sprecher gegenüber der TagesWoche.

Dass die beiden Pöstler strafversetzt wurden, nur weil sie sich für die ihnen zustehende Mittagspause gewehrt hatten, schüchtert deren Kollegen ein. «Jetzt traut sich erst Recht keiner mehr, den Mund aufzumachen», sagte ein Paketpöstler an der Betriebsversammlung. Dass dies aber dringend nötig wäre, zeigte die über zweistündige Diskussion. Die Klagen rissen nicht ab. So bekundeten die Paktpöstler auch Mühe damit, dass sie schlechter bezahlt würden. Grund dafür sei die sogenannte Arbeitszeitberechnung. Anhand von nur fünf willkürlich ausgewählten Arbeitstagen im Jahr werde diese hochgerechnet. Von der Leitung würden sie dann unter Druck gesetzt, den neu berechneten Zeitaufwand für ihre Tour umgehend zu unterschreiben, beklagen mehrere Paketpöstler übereinstimmend.

Wer nicht klingelt, bekommt Strafpunkte

In dieses System passt auch eine Art Mängelprotokoll für jeden Mitarbeiter: Positive Eigenschaften werden gar nicht erst erfasst. Vermerkt werden nur Fehler, etwa, wenn einer nicht klingelt, einen Unfallrapport nicht vollständig ausfüllt oder ein Formular nicht abgibt. Anhand der addierten Fehlerpunkte gibt es dann eine Bewertung.

«Die Paketpost ist wegen des liberalisierten Paketmarktes unter Druck. Die Post zieht die Schraube immer weiter an, um die Produktivität zu erhöhen», erklärte Gewerkschafter Heiri. Bereits im Frühling hätten die Gewerkschaften transfair und Syndicom einen Beschwerdekatalog mit der Leitung der Basler Paketpost besprochen. Doch dieser runde Tisch habe offenkundig nichts gebracht. Nach über zweistündiger, hitziger Diskussion versprachen die Gewerkschaftsvertreter den frustierten Paketpöstlern, dass sie jetzt den Druck erhöhen würden.

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