«Auch einmal ausländische Erzeugnisse zulassen» – Als sich die Muba der Welt öffnete

Die Muba war lange Jahre eine nationale Leistungsschau. Dann machte sich die Globalisierung auch bei ihr bemerkbar.

ARCHIVE --- AM 14. APRIL 1917 WURDE IN BASEL DIE ERSTE SCHWEIZER MUSTERMESSE ER÷FFNET. DIESES JAHR (VOM 15. BIS 24. APRIL) FINDET SIE ZUM HUNDERTSTEN MAL STATT. AUS DER GESCHICHTE DER MUBA STELLEN WIR IHNEN DIESES BILD ZUR VERF‹GUNG --- Eine Praesentation mit automatischen Puppen des Pneuherstellers Firestone an der Schweizer Mustermesse in Basel, aufgenommen im April 1963. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str)

(Bild: Keystone/Photopress-Archiv/Str)

Die Muba war lange Jahre eine nationale Leistungsschau. Dann machte sich die Globalisierung auch bei ihr bemerkbar.

Pirouetten und Ausfallschritte nach links und rechts konnten die «Firestone»-Girls auf ihrem Einrad nicht machen. Und doch scheint es eine Art Verkehrsballett gewesen zu sein, was den Besucherinnen und Besuchern im April 1963 beim Auftritt des Prattler Pneuherstellers an der Mustermesse in Basel geboten wurde.

Die neun mechanischen Puppen konnten sich offenbar dank Schienen auf der Bühne vorwärts und rückwärts bewegen. Wie die Choreografie im Einzelnen aussah, muss allerdings offen bleiben. Zeitgenössische Zeitungsberichte über den «Firestone»-Messestand, in denen sich allfällige Details über das Buchstaben-Ballett finden liessen, gibt es nicht.

Einer von 2300 Ausstellern

Allzu erstaunlich ist Letzteres nicht. Das Prattler Unternehmen war lediglich einer von rund 2300 Ausstellern, die sich 1963 an der Schweizer Mustermesse in Basel dem Publikum präsentierten. Das Spektrum der in 21 Hallen ausgestellten Produkte war enorm und umfasste Uhren, Anlagen für Stromerzeugung und -verteilung, Radiatoren, Ölheizungen, modische Stoffe, Kosmetika, Kochherde, Büromaschinen, Farben, Lacke, optische Geräte und vieles andere mehr.

Damit bewegte sich die 47. Ausgabe der Schweizer Mustermesse in den Bahnen, die die Initianten dem Anlass in den wirtschaftlich schwierigen Jahren des Ersten Weltkriegs einst zugedacht hatten: Die Messe sollte dem Publikum und damit potenziellen Käufern ein möglichst umfassendes Bild der schweizerischen Produktion aus allen Landesgegenden und in allen Industriezweigen vermitteln.



Die 21 Messehallen der Schweizer Mustermesse im Jahr 1963.

Die 21 Messehallen der Schweizer Mustermesse im Jahr 1963.

Diese Vorgaben behielt die Mustermesse auch nach dem Ersten Weltkrieg bei. Und unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre und des Zweiten Weltkriegs wurde der nationale Charakter der wirtschaftlichen Leistungsschau erneut bekräftigt.

Das Publikum fühlte sich auch Anfang der 1960er-Jahre durch dieses Messekonzept angesprochen und besuchte die Leistungsschau in Massen. So finden sich beispielsweise für das zweite Messewochenende von 1963 in der «National-Zeitung» folgende Zahlen: Die SBB transportierten 56’946 Besucher und setzten dabei 71 Extrazüge ein. Auf den offiziellen Parkplätzen zählte man 24’096 Autos und Autobusse; diese dürften ihrerseits rund 100’000 Menschen nach Basel gebracht haben. Das Fazit der Zeitung: «In den Messehallen waren am zweiten Mustermesse-Wochenende 1963 annähernd 220’000 Besucher unterwegs.»

Ausländische Erzeugnisse

Trotz solchen Publikumszuspruchs mochte man sich bei der Messeleitung nicht einfach auf den Lorbeeren ausruhen. In einem Artikel zur Messeeröffnung 1963 zog Messedirektor Hermann Hauswirth unter anderem auch Veränderungen in Betracht. Dabei erinnerte er daran, dass der Verwaltungsrat mit der Statutenrevision von 1961 der Messeleitung die Kompetenz erteilt habe, «ausnahmsweise unter ganz bestimmten Voraussetzungen und Kautelen (…) in bestimmten Fachgruppen auch einmal ausländische Erzeugnisse zuzulassen».

Zudem gab Hauswirth zu bedenken, dass Veränderungen im internationalen Messewesen «die Internationalisierung der Mustermesse in neuem Licht erscheinen» liessen. Hauswirth bezog sich damit auf die wachsende Beliebtheit von internationalen Fachmessen, «die sich darauf beschränken, das internationale Angebot eines einzigen Industriezweiges, allenfalls mit seinen nächsten Randgebieten, zusammenzufassen».

Die Notwendigkeit, die Muba neu auszurichten, kam dann wohl schneller, als von manchen erwartet. Als Katalysator und zusätzliche Herausforderung wirkte dabei die Mitte der 1970er-Jahre einsetzende Wirtschaftskrise. Diese sollte auch das Gesicht der Schweizer Wirtschaft stark verändern. Dazu gehörte unter anderem auch, dass die amerikanischen Eigentümer 1978 die «Firestone»-Pneufabrik in Pratteln schlossen und dem Standort Schweiz goodbye sagten.

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