Auf dezente Weise extravagant

Am 8. März hat die Blickfang Designmesse die Türen geöffnet. Die Fülle an feinsten Gegenständen ist grotesk – und die Dichte an ausgezeichneten Entwürfen hoch. Ein Rundgang.

Hans-Jörg Walter (Bild: Hans Joerg Walter)

Am 8. März hat die Blickfang Designmesse die Türen geöffnet. Die Fülle an feinsten Gegenständen ist grotesk – und die Dichte an ausgezeichneten Entwürfen hoch. Ein Rundgang.

An der Messe hängt ein grosses Banner: Zum Blickfang da lang, «your design shopping event». Ein unerträgliches Wort, das gleich nach Erlebniscenter kommt. Warum muss es ein Event sein und warum meines? Das Vokabular des profanen Massenkonsums ist auf dem Plan. An einer anderen Stelle steht: «Der Design-Event to go». Kann ich diesen Event eintüten lassen und mitnehmen wie Kaffee in Pappbechern? Oder soll ich verstehen, dass der aktuelle Blickfang der Place to be ist?

Genau das ist die Frage, jetzt, da der vierte Basler Blickfang zum ersten Mal im Messebau stattfindet. Die Halle 5 kommt professionell daher, gut organisiert und als Raum neutral. Vorbei die Zeiten, als die Messe in der E-Halle auf der Erlenmatt stattfand, zwischen Eimern, die Wassertropfen aus dem undichten Dach auffingen, umgeben vom Industriecharme, mit dem sich Design so gerne paart. Der fünfte Blickfang ist grösser, die Standgebühr höher, der Raum umstritten.

Kleine Betriebe, faire Bedingungen

«Alle haben die E-Halle geliebt,» sagt Elli Schindler, Projektleiterin von Blickfang Schweiz, gibt sich aber zuversichtlich. Man freue sich über mehr Platz in der Messehalle 5. Was solls also, auf zur Tuchfühlung. Das ist im Sinn des Wortes ein Genuss. Man wandelt in Wolken guter Gerüche, je nach Stand riecht es nach feinen Hölzern, Ölen, guten Stoffen. Der massvolle Wohlgeruch von Handarbeit und Qualität, unaufdringlich und würzig.

Im Grunde gehts hier um etwas ganz einfaches: Kleine Betriebe, überwiegend aus dem schweizerischen und deutschsprachigen Raum, stellen Produkte aus, die in den entsprechenden Ländern unter guten Bedingungen hergestellt werden, bei Verwendung von europäischen oder Fairtradematerialien. Viele gute Lebensläufe, hat man das Gefühl, stehen hinter diesen Möbeln, Kleidern, Accessoires. Gute Ware in guten Entwürfen, Punkt.

Das gleiche Umfeld ist es hingegen, in dem reichlich Platz ist für Gemeinplätze. Sind wir nicht schrecklich nachhaltig? Als Mode hat das ökologische Bewusstsein immer auch den Klang der Anbiederung. Und schnell mal spiessig ist sie auch, die Vorstellung, seinen gesamten Lebensraum mit lauter Gegenständen aus vollendetem Handwerk einzurichten, und dazu noch stilvoll. So ein Leben ist overdressed, all der aufgetürmte Stil führt schon wieder in die Geschmacklosigkeit. In diesen Aspekten liegt die groteske Kehrseite der Blickfangmesse, die zugleich die Blüte einer übergestalteten Wohlstandsgesellschaft ist.

Ergreifend beeindruckend

Doch das ist der Eindruck der Summe und hat nichts mit den einzelnen Auftritten der Designer zu tun. Die Menge von ausgezeichneten Entwürfen ist schlicht und ergreifend beeindruckend. Einige hervorragende Schreiner sind da, etwa Christian Tanner aus Basel: Möbel aus besten Hölzern nach Wahl, in skandinavischer Zurückhaltung gestaltet, zugleich sehr eigen, am besten selber ankucken. Das Label All Berlin Craft bringt eine Idee mit, die auf den ersten Blick die Lebensdauer eines Gags zu haben scheint. Aber die Leuchten aus festem Papier in Gestalt von Handtaschen und Kleidern könnten einem ganzen Raum Gesicht verleihen. Sie sind übrigens bezahlbar.

Einen grossen Anteil der Messe machen Kleiderlabels. Auch hier durch die Bank wertige Stoffe in guter Verarbeitung. In den Kollektionen überwiegen seriöse, feinsinnige Farbtöne, schrille Entwürfe sind die Ausnahme, einiges ist auf dezente Weise extravagant: Mode für Citoyens, die auf vorteilhafteste Weise in Erinnerung bleiben, statt aufzufallen (mit Armani gesprochen). Siehe etwa Marc Stone aus Zürich oder Hannes Roether aus München.

Das erlesenste Kaufhaus

Natürlich finden sich auch genügend Kuriositäten, über deren Nützlichkeit oder ästhetischen Gewinn sich streiten lässt. Etwa seitlich schaukelnde Schaukelstühle oder dirndelbekleidete Skulpturen, die irgendwie auch ein Schrank sein sollen.

Hinzu kommen: ein Austellungsbereich zu reduziertem Austellungspreis für Newcomerlabels aus der Region (die sich bewerben mussten), sowie ein Bereich für solche Jungdesigner, die von arrivierten Kollegen ausgewählt wurden. Für Verpflegung von ausdauernden Besuchern ist sehr ansprechend gesorgt.

Die Messe ist das erlesenste Kaufhaus, das sich denken lässt, oder auch ein Querschnitt durch junges Design aus kleinen Häusern von hier und Übersee: Wen das anspricht, der muss da hin.

  • Blickfang, Internationale Designmesse für Möbel, Mode und Schmuck
    Messegelände Halle 5, Sperrstrasse Ecke Riehenring
    Samstag, 9. März, 10-20 Uhr
    Sonntag, 10. März, 11-19 Uhr
    Tageskarte 15/10 CHF, Mehrtageskarte 23 CHF

 

 

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