Natashia Collier wird ab Januar als «Auntie Sam» einen Expat-Blog betreiben. Die Amerikanerin ist bestens vorbereitet: Sie hat Freunde aus der Basler und der Expat-Welt, kennt alle Wettermuster und Garage-Adressen der Stadt und weiss jetzt endlich auch, wo das Ketchup im Migros steht.
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Es gibt Menschen, die reisen mit leichtem Gepäck. Natashia Collier gehört definitiv nicht dazu: Mit einem riesigen rosa Koffer kommt sie zu unserem Gespräch – alles Utensilien für das Porträtfoto, wie die quirlige Amerikanerin erklärt: «Ich hab einfach mal alles reingeworfen, was irgendwie mit mir zu tun hat.»
Und das ist eine ganze Menge: Als Collier den Koffer öffnet, erscheinen stapelweise Flyer (Collier organisiert regelmässig Burlesque-Shows in Basel), zwei grosse Schminkbeutel, Rollschuhe (sie gibt einmal pro Woche den Basler Rollergirls Unterricht), Bücher über die Schweiz, ein Tüllkleid und ein kleines rotes Hütchen, das sich Collier ins Haar pinnt, während sie gut gelaunt mit dem Fotografen ihre Ideen für das Porträt bespricht. Diese Frau ist mehr als gut vorbereitet, sie stürzt sich regelrecht hinein.
«So bin ich eben», sagt Collier lachend, als ich sie später darauf anspreche. «Bevor wir in die Schweiz zogen, bereitete ich mich monatelang vor, habe Blogs von Baslern gelesen, Wettermuster studiert und geschaut, wo die schönen Buchhandlungen, die Cafés und Garagen sind.» Garagen? Collier nickt. «Klar, wer eine Garage hat, braucht Platz für seine Arbeit, breitet sich aus – da will man nicht in der Nähe wohnen. Also hab ich mich schlau gemacht. Als ich ankam, hab ich dann gemerkt, dass hier alles zusammengeht: Du kannst eine Garage in der Nähe eines Cafés haben und gleich daneben ohne Probleme ein Kind grossziehen. Dass so was funktioniert, wäre mir in Amerika nie in den Sinn gekommen.»
Expat auf Abwegen
Das Garagenmissverständnis war nur eine von vielen Herausforderungen, die sich stellten, als Collier mit ihrem Ehemann, der eine Stelle bei einem Pharmaunternehmen bekommen hatte, vor vier Jahren nach Basel zog. Am schwierigsten waren die Ausflüge in den Supermarkt. «Bis ich gemerkt habe, dass das Ketchup nicht bei den anderen Gewürzen steht, sondern in der Nähe der Tomatenprodukte, ging es mehrere Monate!» Collier lacht.
Es waren die unerwarteten alltäglichen Dinge, die der Amerikanerin am meisten zu schaffen machten. Collier löste das Problem, indem sie tat, was sie am besten kann: sich reinstürzen. Sie kam mit Baslern ins Gespräch, fand schnell Anschluss und bewegte sich fortan zwischen beiden Welten. Expat und Nicht-Expat.
Collier löst Probleme, indem sie tut, was sie am besten kann: sich reinstürzen.
Die Geschichten, die Collier von den beiden Seiten mitbekam, waren frustrierend. Da sind zum einen ihre Expat-Freunde, die sich nicht in Restaurants trauen, weil sie Angst haben, sich nicht verständigen zu können. Auf der anderen Seite Colliers Basler Freunde, die grosse Augen machen, wenn sie ihnen von der Blase erzählt, in der die Expats leben. «Das Interesse ist zwar auf beiden Seiten da, aber die Vorstellungen sind sehr unterschiedlich. Man kennt die jeweiligen Probleme nicht. Und niemand vermag es so richtig, zu vermitteln», meint Collier. Also beschloss sie, eine Brücke zu schlagen: mit einem Blog, der das Verständnis füreinander fördert und die beiden Welten miteinander vertraut macht.
Lebensratgeberin Auntie Sam
«Ask Auntie Sam» wird der Blog heissen, der im Januar startet und als Ratgeber für Expats und Nicht-Expats dienen soll. Man wird Collier Fragen schicken können, die sie persönlich beantwortet – auf Wunsch auch ohne Veröffentlichung. Eine Art Dr. Sommer für die TagesWoche? Collier lacht. «Klar! Auch Fragen um Liebe, Sex und Beziehungen stellen sich in Situationen, wo Expats in ein neues Umfeld ziehen. Anything goes.»
Der Blog wird auf Englisch sein und «Auntie Sam» wird auch auf Englisch antworten, «schreiben können mir die Leute aber in allen Sprachen – bring it on!», ruft Collier. Je mehr Chaos, desto besser. Wenn sie etwas in ihrem turbulenten Leben gelernt habe, dann dass sie mit Chaos umgehen könne. Darin sei sie richtig gut. Wir zweifeln keine Sekunde daran und freuen uns darauf, Tante Sam unsere chaotischen Sörgeli und Ängschtli zu erzählen, damit sie uns mit ihren Büchern und Flyern, Tüllkleidern, Rollschuhen und Füssen in beiden Welten mit gutem Rat zur Seite stehen kann.