Aus der Sicht eines geplagten Anwohners

Er würde niemandem mehr empfehlen, ans Rheinbord zu ziehen – meint ein Betroffener, der anonym bleiben will.

Er würde niemandem mehr empfehlen, ans Rheinbord zu ziehen – meint ein Betroffener, der anonym bleiben will.

Ich lebe seit meiner Kindheit am Rhein – seit 40 Jahren zwischen Johanniter- und Dreirosenbrücke. Ich weiss genau, was am Unteren Rheinweg abläuft. Und alles war gut, bis der Bermenweg vor drei Jahren neu gestaltet und verbreitert wurde. Dann fing es an, das Theater. Die Leute kamen in Massen, das wilde Grillieren begann, das Urinieren im Vorgarten, und es wurde laut. Sehr laut. Es ist eine Katastrophe!

Vor allem das Grillieren macht mir Mühe, zumal die Leute keine Ahnung haben, wie man das richtig macht. Es ist unbeschreiblich, wie es in meiner Wohnung nach Rauch stinkt. Kein Wunder, wenn auf einer Länge von 50 Metern 30 Grills aufgestellt werden. Seit ich eine Grill-Invasion vor meinem Haus habe, kann ich nichts Derartiges mehr essen. Ich ertrage den Geruch nicht mehr. Auf der Terrasse sitzen kann ich an den Wochenenden nur bis Mittag. Dabei würde ich auch im Sommer gerne mal am Abend draussen sein und ein Glas Wein trinken. Das ist aber unmöglich, denn sonst würde ich wie eine Rauchwurst stinken.

Immer Lärm bis 2 Uhr früh

Was am Unteren Rheinweg bei schönem Wetter alles los ist, ist eine Sauerei. An den Wochenenden sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen – so dreckig ist es. Überall liegen leere Bierdosen, Wodkaflaschen, Scherben. Jeden Tag ist es lärmig – und zwar bis 2 Uhr früh. Vom Wochenende ganz zu schweigen. Die Leute, die dort unten sitzen, interessiert es nicht, dass es auch noch Anwohner gibt. Es geht ihnen nur um Party, Party und nochmals Party. Es ist fürchterlich!

Wenn es schlecht läuft, bekomme ich wegen des Stimmengewirrs und der Musik nur zwei Stunden Schlaf in der Nacht – ehe ich um fünf Uhr aufstehen und zur Arbeit muss. Ich suche das Gespräch nicht mehr mit den Verursachern, ich rufe direkt die Polizei. Da habe ich keine Hemmungen. Wieso auch? Ich habe schliesslich keine Lust mehr, mich wüst beschimpfen zu lassen.

Verwaltung hat die Situation nicht mehr unter Kontrolle

Am Rheinufer muss immer etwas laufen – das ist auch richtig so, und dagegen gibt es nichts einzuwenden. Es ist für mich klar, dass der Rhein allen gehört und wer an einer solchen Lage lebt, Lärm in Kauf nehmen muss. Aber bitte nicht auf diese lästige Weise! Mehr Rücksichtsnahme wäre angebracht. Die Verwaltung hat das Ganze nicht mehr unter Kontrolle. Was wir seit drei Jahren ertragen müssen, ist unvorstellbar. Es ist teilweise nicht zum Aushalten. Ich hoffe, dass die neuen Buvetten etwas Ruhe bringen. Am Anfang war ich skeptisch. Aber vielleicht locken diese ja ein anderes Publikum an und es wird sauberer. Schön wärs.

Ich würde niemandem mehr empfehlen, an den Unteren Rheinweg zu ziehen. Vor ein paar Jahren war es noch schön, dort zu leben, jetzt ist es keine privilegierte Lage mehr. Unsere Nachbarn ziehen nach 30 Jahren weg. Sie haben die Nase voll vom Theater. Aber das versteht niemand, der den Wahnsinn hier nicht miterlebt. Für die sind wir Bünzlis. Aber ich bleibe. Denn der Untere Rheinweg ist und bleibt meine Heimat.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18.05.12

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