Aus der Traum, Alter!

Beim Ruf nach einer Jugendbewilligung fehlt eine Einsicht: Nicht nur die Jugend will.

Sieht so eine illegale Party aus? Im Falle des 1. Mai-Happenings auf der Kraftwerkinsel: Ja. (Bild: Tara Hill / Bearbeitung; Hansjörg Walter)

Beim Ruf nach einer Jugendbewilligung fehlt eine Einsicht: Nicht nur die Jugend will.

Am Mittag des 1. Mai 2012, während traditionsbewusste Genossen auf dem Marktplatz demonstrierten und ein Polizei-Grossaufgebot einige Dutzend unentwegte Harassenläufer aufs Birsköpfli begleitete, pilgerten mehrere Hundert Menschen auf die Birsfelder Kraftwerkinsel. Der Grund? Ein offenes Geheimnis: Auf der vom Rhein abgeschirmten Wiese steigt am Tag der Arbeit alljährlich eines der beliebtesten Open-Airs der Region.

Ein zu offenes Geheimnis, wie sich herausstellen sollte: Kaum ertönten aus der generatorbetriebenen Anlage die ersten Klänge, fuhren auch schon die Kastenwägen vor. Kurz nach 15 Uhr war der Traum aus und vorbei, die unbewilligte Feier bereits freundlich, aber bestimmt (unter Androhung einer Busse im fünfstelligen Bereich) abgebrochen.

Kollektiv organisiert

Bemerkenswert daran: Zuvor war der Anlass jahrelang ohne jegliche Zwischenfälle unbehelligt über die Bühne gegeangen. Ein Argument mehr also für eine «Jugendbewilligung», die aktuell alle fünf Basler Jungparteien in einem denkwürdigen Schulterschluss einfordern? Jein. Die breite Abstützung der laufenden Petition zeigt zunächst schlicht, wie akzeptiert (und apolitisch) das Anliegen unter der jungen Basler Bevölkerung ist, wie sehr «illegale Partys» bereits zur Normalität gehören.

Kein Wunder: Seit Beginn der 90er-Jahre, also seit Geburt der jetzigen Jungbürger, steigt die Zahl unbewilligter Open-Airs konstant. Dass weite Bevölkerungskreise erst jetzt die Tragweite des Phänomens begreifen, liegt nicht zuletzt daran, dass Events dieser Art bis vor Kurzem vornehmlich im Kollektiv organisiert wurden. Nur wer über ein gutes Netzwerk und genügend Know-how verfügte, ging das Wagnis ein, nur wer in der Szene verkehrte, erfuhr davon. Die gebotene Vorsicht wirkte präventiv: Lärm, Abfall, Ausschreitungen blieben die Ausnahme.

Kollateral geschädigt

Seit soziale Netzwerke und Mobilfunk es theoretisch jedem Teenie ermöglichen, spontan selber «illegale Partys» zu schmeissen, häufen sich dagegen – wenig überraschend – auch die Kollateralschäden. Ohne die «Jugendbewilligung» vorschnell zu verwerfen: Es stellt sich die Frage, wie sinnvoll es ist, wie in Zürich ausgerechnet das Alter respektive die «Jugend» zum Credo zu erheben. Wäre es nicht umgekehrt ein Gewinn, den Jugendlichen erfahrene Veranstaltungsveteranen oder mobile Jugendarbeiter zur Seite zu stellen?

Auf der Insel blieb es jedenfalls trotz des Partyabbruchs friedlich. Allerdings waren unter den Anwesenden – im Gegensatz etwa zur Sauvage in der Grosspeter-Garage – auch keine «Autonomen» auszumachen, dafür auffällig viele Teilnehmer mit Kind und Kegel im Gepäck. Anstelle des Tanzbeins schwang man schliesslich Büchsenbier und Grillgut, anstelle der geplanten DJ-Sets plärrte bald eine Kakofonie portabler iPhone-Boxen über die Wiese: gewöhnungsbedürftig, gewiss, aber völlig legal. Und vor allem: Alter egal.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18.05.12

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