Wie das Museum für Gegenwartskunst sich unter dem erweiterten Kunstmuseum behaupten soll.
Geschenke, die Folgekosten verursachen, sind selten beliebt. Denn wo das Geld auftreiben, wenn man es nicht gerade vorrätig hat? Vor dieser Frage steht aktuell das Basler Kunstmuseum. Kommenden Montag wird die Baubewilligung für den Erweiterungsbau eingereicht. 100 Millionen soll er kosten, meistens wird es dann etwas mehr, weiss man aus Erfahrung. Doch die 100 Millionen sind bekanntlich nicht mehr das Problem, dank einer grosszügigen Spende der Mäzenin Maja Oeri über 50 Millionen Franken und dem Kanton, der den Rest tragen wird. Doch damit ist es nicht getan. Rund 4,8 Millionen Franken zusätzliche Betriebskosten sollen jährlich anfallen, schätzt man. Die Hälfte davon soll vom Kanton, die andere Hälfte privat getragen werden.
Trotz dieser finanziellen Unsicherheit überwiegt viereinhalb Jahre vor der geplanten Eröffnung die Freude über den Neubau – beim Kunstmuseum und auch beim Kanton, wie Philippe Bischof, der Leiter Abteilung Kultur Basel-Stadt, bestätigt. Er ist zuversichtlich, dass man die Gelder zusammenkriegen wird: «Natürlich ist es eine Herausforderung», sagt er. Und gleich eine doppelte: Mit den angestrebten Public Private Partnerships hat man im Bereich der Betriebsfinanzierung kaum Erfahrung, und Erhöhungen des Kulturbudgets spricht man im Parlament meist nur unter Zähneknirschen. Bei den 4,8 Millionen Franken handelt es sich zudem nur um eine Schätzung. In den letzten Monaten wurde das Projekt verfeinert, nun kann man sich daranmachen, exaktere Berechnungen anzustellen. «Bis spätestens Ende 2013 wollen wir intern genaue Zahlen auf dem Tisch haben», sagt Bischof.
Darüber, was passieren würde, könnten die Betriebskosten nicht reingeholt werden, will sich Bischof keine Gedanken machen. «Ein Neubau bedeutet Mehrkosten – diese Konsequenz muss allen bewusst sein», erklärt er. Jetzt geht es vor allem darum, einen sinnvollen Bespielungsplan für die künftig drei Häuser zu erstellen.
Keine Schliessung
Kein Thema sei es dabei, das Museum für Gegenwartskunst (MGK) zu schliessen. Auf der Strasse fragt man sich genau das aber schon länger: Das Haus im St.-Alban-Tal ziehe zu wenig Besucher an, und wenn der Erweiterungsbau käme, dann würde man dort unten wohl bald die Tore schliessen, mutmassen einige.
Die Leere im und vor dem Haus ist offenkundig, seit zehn Jahren sind die Besucherzahlen kontinuierlich am Sinken. Doch realistisch ist eine Schliessung nicht, wie Bischof bestätigt: «Es geht beim Neubau nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch.» Sprich: Der Erweiterungsbau soll ein zusätzliches Angebot schaffen, nicht etwas Bestehendes verdrängen.
Auch Bernhard Mendes Bürgi, der Direktor des Kunstmuseums, bestätigt, dass eine Schliessung ausser Frage stehe: «Wir sind stolz auf das weltweit erste Museum für Gegenwartskunst, deshalb wird es unser Zentrum dafür bleiben.» Das MGK, das 1980 ebenfalls dank einer Spende realisiert werden konnte, soll «eines von drei Geschwistern» sein, wie Bischof es formuliert. Eine Neuausrichtung des Hauses wird jedoch notwendig.
Im überarbeiteten Modell von Christ & Gantenbein sind Kunstmuseum und Erweiterungsbau durch einen internen Gang noch enger verbunden als bisher. «Es wird sich für das Museum die Frage stellen, wie es die architektonisch unterschiedlichen Häuser optimal nutzen will», sagt Bischof. «Ich bin überzeugt, dass das Kunstmuseum mit dem grossartigen Sammlungsbestand und der Lust, mit zeitgenössischen Künstlern zusammenzuarbeiten, die drei Ebenen auf interessante Art wird bespielen können.» Der Kulturchef stehe diesbezüglich zwar in einem inhaltlichen Austausch mit den Museumsleuten, doch müsse das Museum in seiner Planung frei sein.
Grosse Teile der heute im MGK gezeigten Sammlung werden künftig im Erweiterungsbau präsentiert werden, parallel zu den geplanten grossen Sonderausstellungen. Nur Joseph Beuys soll als «Ahnherr und Repräsentant der Gründung 1980» im obersten Geschoss des MGK verbleiben, so Bürgi. Ansonsten soll das MGK verstärkt Sammlungswerke aus den vergangenen 20 Jahren zeigen.
Spiel mit der Sammlung
Damit bliebe das MGK als Sammlungshaus positioniert. Für Kulturchef Bischof dürfte man künftig ruhig noch offensiver denken. Doch auch er sieht Potenzial im Spiel mit der Sammlung. «Es gäbe vielleicht die Möglichkeit, etwas kurzfristiger zu planen als in den beiden grossen Häusern, etwa eine Videowoche mit herausragenden Sammlungsvideos zu veranstalten.» Mehr Raum für Spielarten, das will auch Museumsdirektor Bürgi: «Die Ausstellungspraxis im MGK soll experimenteller sein als im Erweiterungsbau.»
Mit dem Projektraum «Elaine» hat das Museum einen ersten Schritt zum Experiment schon gewagt. Dort, im Nachbarhaus des MGK, werden seit Kurzem neue Vermittlungs- und Präsentationsformen erfolgreich ausprobiert, auf kleinem Raum. Künftig kann solcherlei vielleicht in grösserem Rahmen stattfinden. Denn wer hat schon so viel Glück, gleich ein ganzes Haus geschenkt zu bekommen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 11/11/11