Bärn, i ha di gärn!

Es gibt böse Zungen, die behaupten, Bern sei die fadeste Hauptstadt der Welt: Null Metropole, lauter dunkle Gebäude und langsame Menschen. Ein Gegen- und Liebesbeweis.

Stefan Theilers Videoapotheke ist Altstadtgeist in seiner schönsten Form: eine halbe Stunde hinsitzen und schon kennt man die ganze Rathausgasse.

Es gibt böse Zungen, die behaupten, Bern sei die fadeste Hauptstadt der Welt: Null Metropole, lauter dunkle Gebäude und langsame Menschen. Ein Gegen- und Liebesbeweis.

«Die Hauptstadt der Schweiz? Ganz klar Zürich. Oder?» Kaum ein Schweizer, der noch nicht mit dem Image-Problem unserer Hauptstadt konfrontiert wurde. Die Begriffsstutzigkeit von Auswärtigen ist aber selten ein Problem. Die Zürcher freuts und die Berner – die sind viel zu unaufgeregt, als dass sie etwas auf andere Meinungen geben würden. 

Genauso entspannt kann man das Wochenende in Bern angehen: Wer nicht bei Freunden unterkommen kann, mietet sich auf Airbnb für zwei Nächte eine herzige Wohnung im Breitsch und spart sich so anonyme Hotelzimmer und fades Frühstücksbuffet im Speisesaal.

Mit Mani Matter in die Idealistenkiste

Zu Bern gehört Bärner Musig und wer gerne hinhört, sollte sich für den Freitagabend Mani Matter auf den iPod laden und mit dem Nünitram im Ohr und unter den Füssen nach Wabern fahren. Hier wartet für einmal nicht der Gurten (der als Alternativprogramm immer noch am Samstag bestiegen werden kann – tolle Aussicht, solides Birchermüesli im Panorama-Restaurant und ein DiscGolf-Parcours, dessen alberner Name einen nicht davon abhalten soll, ihn auszuprobieren, es lohnt sich!), sondern der «Freier Feier Freitag» der «Heitere Fahne – die Idealistenkiste»

Die ehemalige Gurtenbrauerei-Wirtschaft, die letzten Winter vom integrativen Kollektiv «Frei_Raum inklusive Kultur» vor dem Verlotter-Tod gerettet wurde, bietet Gaumenschmaus und hinreissende Konzerte, Lesungen oder Theaterstücke, bis tief in die Nacht hinein.

Von der Brauerei zum Kulturlokal: Die «Heitere Fahne» in Wabern feierte kürzlich einjähriges Bestehen.

Von der Brauerei zum Kulturlokal: Die «Heitere Fahne» in Wabern feierte kürzlich einjähriges Bestehen.

Den Samstagmorgen verbringt man hauptstadtgerecht mit Brunchen. Hierzu schlendert man zu «Zwöi feissi Meitli» von Stiller Has ins gleichnamige Kafi an der Herrengasse und stopft sich mit selbstgebackener Züpfe oder Flammenkuchen in wunderbar wagemutigen Variationen (Gorgonzola-Pflaume!) voll. Dazu erinnert man sich herrlich nostalgisch an «Mein Name ist Eugen» – denn der Eugen im Buch wohnt direkt vis-à-vis, an der Herrengasse 9. 

Gute Beratung in der Video-Apotheke

Danach flaniert man die alten Gassen hinunter und landet in der Rathausgasse 38, in Stefan Theilers zauberhaften Videoapotheke: Der gebürtige Innerschweizer hat immer ein offenes Ohr für Liebeskummer, Stadtneurosen und Novemberblues und verschreibt heilkräftige Filme (Woody Allen gegen Herzschmerz, Ingmar Bergman gegen Einsamkeit). 



Der Videoapotheker mit seiner guten Freundin, die des Öfteren übers Grammophon läuft.

Der Videoapotheker mit seiner guten Freundin, die des Öfteren übers Grammophon läuft.

Nach einem Kafi mit dem Apotheker unter der begrünten Laube vor dem Laden gehts von der Rathausgasse runter ins Mattequartier, wo man in schönstem Mattenenglisch «Tunz mer e Ligu Lehm!» (Gib mir ein Stück Brot!) ruft und schaut, wer sich aus den kleinen Fenstern rausbeugt und reagiert. Danach weiter entlang der Aare, unter der Kirchenfeldbrücke hindurch, bis zum Oktogon, um den Rest des Nachmittags seelebaumelnd im Berner Hammam zu verbringen.

Am Abend gehts in die Reithalle. Weil Bern und Reithalle, das muss einfach sein. Wer genug vom Sozi-Geplänkel hat, kann immer noch eine Tanznacht im Café Kairo auf der anderen Seite der Lorrainebrücke einlegen.

Jass-Spass in der Brasse

Der Sonntag wird jassend und brunchend in der Brasserie Lorraine verbracht. Hier kann nach Herzenslust geschlemmt werden, und der alte Holzkasten neben der Bar hat Futter für eine ganze Armee von Spielwütigen parat. Wer sich danach noch bewegen kann, begibt sich mit einem Eistee aus dem Bahnhofs-Migros auf den Bundesplatz und schaut sich die spielenden Kinder, schreienden Demonstranten, stöckelnden Missen oder workaholischen Politiker an – je nach Jahres- und Tageszeit. 

Am Ende lässts sich tiefenentspannt wieder nach Hause fahren, das unverkrampfte Lebensgefühl der Berner wirkt noch nach und man merkt: Trotz fehlendem Hauptstadt-Renommee ist Bern in seiner Ruhe eben doch vielleicht kosmopolitischer als so manch anderer Ort. Wie singen die grossen Patent Ochsner so schön: «Item, weme dänkt / Im Ändeffekt was söus / Weischwinimeine?»

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