Banken wollen beim Crowdfunding mitmischen

Crowdfunding boomt, über 40 Plattformen kämpfen um das Geschäft mit dem Schwarm. Erfolgreich sind die wenigsten. Experten sprechen von einer Blase.

Zusammen wirds gut, diese Idee steckt hinter dem Crowdfunding.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Crowdfunding boomt, über 40 Plattformen kämpfen um das Geschäft mit dem Schwarm. Erfolgreich sind die wenigsten. Experten sprechen von einer Blase.

Andys Tuba ist verbeult, verstimmt und stinkt. Die Feldmusik Knutwil will ihm deshalb ein neues Instrument kaufen, Kostenpunkt: 15’000 Franken. Eine solche Investition kann die Blasmusikkappelle aus der Gemeinde in Luzern nicht alleine stemmen, nun ist der Schwarm gefragt. Die Crowdfunding-Kampagne bei «Funders», der frisch lancierten Plattform der Luzerner Kantonalbank (LUKB), soll das Geld in die Kasse spülen. 

Dass nach der Baselbieter Kantonalbank (BLKB) und der Raiffeisenbank nun auch noch die LUKB in das Crowdfunding einsteigt, ist Beleg dafür, wie sich dieses Konzept in der Schweiz inzwischen etablieren konnte. Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) an der Hochschule Luzern untersucht in einem jährlichen Crowdfunding Monitoring die Entwicklungen auf diesem Markt. In der jüngsten Analyse vom Mai dieses Jahres stellen die Autoren ein gewaltiges Wachstum fest: «Immer mehr Crowdfunding-Plattformen drängen auf den Markt.» Ende April zählten die IFZ-Forscher in der Schweiz über 40 aktive Crowdfunding-Dienste.

Andreas Dietrich ist als Professor für die IFZ-Studie verantwortlich. Er warnt vor einer Blase. «Die Schweiz braucht keine 40 verschiedenen Plattformen. Viele davon sind irrelevant und werden das auch bleiben.» Es werde zweifelsohne zu einer Konsolidierung kommen, ist der Experte überzeugt. «Wahrscheinlich überleben am Schluss zehn bis fünfzehn Plattformen», sagt Dietrich.

Die Anzahl Crowdfunding-Plattformen stieg 2014 sprunghaft an, wie diese Grafik aus dem «Crowdfunding Monitoring 2016» zeigt. Heute sind rund 45 Unternehmen aktiv.

Die Anzahl Crowdfunding-Plattformen stieg 2014 sprunghaft an, wie diese Grafik aus dem «Crowdfunding Monitoring 2016» zeigt. Heute sind rund 45 Unternehmen aktiv. (Bild: Institut für Finanzdienstleistungen, Hochschule Luzern)

Doch nicht nur die Anzahl Plattformen nimmt rasant zu, auch finanziell gewinnt das Crowdfunding an Relevanz. So haben die vermittelten Gelder um über 70 Prozent zugenommen. Im vergangenen Jahr sind insgesamt 27,3 Millionen Franken gesammelt worden. Das Crowdfunding wächst und wächst, kein Wunder, wollen jetzt auch die Banken auf den Zug aufspringen.

Ist Crowdfunding noch ein Trend oder schon ein Hype? Auf jeden Fall ist es ein anspruchsvolles Geschäft, wie sich auch die BLKB eingestehen muss. Dort wurde Ende 2014 «Miteinander erfolgreich» lanciert, um erste Experimente mit der Schwarmfinanzierung zu unternehmen. Das Projekt entstand in Partnerschaft mit Swisscom und wird auf kleiner Flamme gekocht, erst drei BLKB-Mitarbeiter kümmern sich darum.

Die BLKB bedient auf ihrer Plattform zwei Sparten des Crowdfunding. Am bekanntesten ist das sogenannte Crowdsupporting, bei dem Unterstützer Geld geben und dafür eine materielle oder symbolische Gegenleistung erhalten.

Weniger etabliert, aber aus Bankensicht weitaus interessanter ist das Crowdlending, der Schwarmkredit. Privatpersonen oder KMU stellen dort ihr Projekt vor und fragen die Community um einen Kredit mit vordefinierter Laufzeit. Die Geldgeber erhalten dafür Zinsen und nach Ablauf oder tranchenweise ihr Geld zurück. Dieses Konzept stellt das Kerngeschäft vieler Banken in Frage, es ist also wenig erstaunlich, dass diese bei dieser Entwicklung eine Rolle spielen wollen.

Misslungener Start

Während bei der BLKB der Supporting-Bereich bei einer Erfolgsquote von 70 Prozent recht erfolgreich angelaufen ist, bleibt das Crowdlending eine Baustelle. Ein einziges Projekt wurde dort seit vergangenem Juli vorgestellt. Die Finanzierung ist misslungen, nicht einmal die Hälfte des Geldes ist zusammengekommen.

Atilla Sahin ist bei der BLKB für das Crowdfunding zuständig, er erklärt sich den misslungenen Start mit der fehlenden Bekanntheit des Crowdlending. Auch sei seitens der Kreditnehmer, also der KMU, ein Umdenken nötig. «Wir hatten zwar einige Anfragen von KMU, doch die Projekte haben sich alle wieder zurückgezogen.» Die BLKB verlangt von Crowdlending-Projekten die Offenlegung von Geschäftszahlen, damit sich die potenziellen Geldgeber über ihre Investition informieren können. «Die Erfahrung zeigt, dass die wenigsten KMU dazu bereit sind, diese Transparenz zu gewähren», sagt Sahin. «Und dies obwohl diese Zahlen nur für User sichtbar sind, welche sich auch mit einer ID identifizieren.»

Die BLKB steht dazu, dass «Miteinander erfolgreich» ein Versuchslabor ist. «Wir befinden uns in einem Lernprozess und haben sehr wenig Ressourcen zur Verfügung», sagt Sahin. Erste und wichtigste Erkenntnis dieser Experimente: «Die grösste Herausforderung ist es, eine engagierte Community aufzubauen. Hier mussten wir bei null anfangen.»

Entweder ganz oder gar nicht

Experte Andreas Dietrich hält die Crowdlending-Versuche der Banken für halbherzig. «Wer dieses Business wirklich vorantreiben will, muss dies mit vollem Einsatz machen. Das ist bis jetzt den wenigsten gelungen, obwohl das aktuelle Zinsniveau alternative Anlageformen wie das Crowdlending eigentlich begünstigen würde.» Dietrich relativiert auch das Engagement der Banken im Bereich Crowdsupporting. Es handle sich dabei nicht um ernsthafte Versuche, ein neues Geschäftsmodell zu erproben. «Für die Banken erfüllt das Crowdsupporting eher eine Werbefunktion. Die BLKB zum Beispiel kann sich damit als regionale Sponsoringplattform für Vereine positionieren.»

Ganz und gar ernsthaft wird das Crowdfunding hingegen bei Wemakeit betrieben. Einige Zahlen zum Schweizer Marktführer, der auch international tätig ist (Stand Juni 2016):

 

  • Gründung: 2012
  • Anzahl finanzierter Projekte: 1’797
  • Gesamtsumme der eingesammelten Gelder: 15,5 Millionen Euro
  • Erfolgsquote: 65 Prozent, ein im weltweiten Vergleich hoher Wert
  • Wachstum 2015: 87 Prozent

 

Der Vorsprung von Wemakeit auf die Konkurrenz ist gross. So gross, dass man sich dort keine Sorgen macht, obwohl beinahe monatlich neue Crowdfunding-Plattformen eröffnen, wie Melina Roshard sagt. Sie ist die Geschäftsführerin bei Wemakeit. «In unserem Bereich des Crowdsupporting merken wir kaum etwas von der Konkurrenz durch neue Plattformen.» Das Crowdfunding insgesamt sei in der Schweiz noch ein Wachstumsmarkt, «eine Verdrängung einzelner Plattformen findet noch kaum statt.» Grundsätzlich sei Wemakeit aber froh, wenn neue Akteure einsteigen, denn dadurch würde das Konzept des Crowdfunding bekannter. «Davon profitieren auch wir», sagt Roshard.

Wemakeit ist ausserdem eine der wenigen Crowdfunding-Plattformen in der Schweiz, die kostendeckend operieren. «Wemakeit ist selbsttragend. Wir finanzieren uns hauptsächlich über die Kommission von 6 Prozent auf erfolgreiche Projekte», sagt Roshard. Wemakeit hat ausserdem die selbst programmierte Software über eine Lizenz an Swisscom verkauft. Geld verdient Wemakeit drittens auch dank Partnerschaften mit Institutionen und Sponsoren, welche ihre Fördergelder via Wemakeit vergeben. Dazu gehört in Basel etwa die Christoph Merian Stiftung. Banken wie die St. Galler Kantonalbank, die zwar beim Crowdfunding dabei sein wollen, den Aufwand einer eigenen Plattform aber scheuen, können ebenfalls eine solche bezahlte Partnerschaft eingehen.

»Wemakeit wird es gut gehen, solange die Kurve weiterhin so steil nach oben zeigt.»
Hannes Gassert, Partner 

Wemakeit macht also mehr als nur Crowdfunding. Doch den Erfolg verdankt das Unternehmen nicht nur dem diversifizierten Geschäftsmodell. Hannes Gassert, Partner bei Wemakeit, hat noch eine andere Erklärung. «Das Crowdfunding ist ein Geschäft, das nur über die Masse funktioniert. Wemakeit wird es gut gehen, solange die Kurve weiterhin so steil nach oben zeigt.»

Zuversichtlich stimmt Gassert auch der Blick auf die Konkurrenz. «In der Schweiz ist kaum jemand wirklich bereit und fähig, eine professionelle Crowdfunding-Plattform zu betreiben.» Die Plattform-Schwemme lässt ihn kalt. «Viele Akteure, die neu ins Crowdfunding einsteigen, unterschätzen den Aufwand, den erfolgreiches, wirksames und nachhaltiges Crowdfunding bedeutet», sagt Gassert. Die Technologie sei vorhanden und recht günstig zu haben, «der Aufbau einer aktiven und engagierten Community ist jedoch etwas ganz anderes. Das dauert Jahre.»

Soviel Zeit hat Andy von der Feldmusik Knutwil jedoch nicht. Seine Kampagne für eine neue Tuba beim Crowdfunding-Neuling «Funders» läuft harzig. Nach knapp zwei Wochen sind von den gesuchten 15’000 erst etwas mehr als 1000 Franken zusammengekommen.

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