Barbara Schneider: «Das Orchester muss seine führende Rolle erfüllen können»

Barbara Schneider ist Präsidentin der Stiftung Sinfonieorchester Basel. Im Interview spricht sie über Minimal Music, ihr Engagement für das Orchester und die anstehenden Subventionsverhandlungen.

«Wir spielen mit offenen Karten und zeigen, was das Orchester braucht»: Barbara Schneider, Präsidentin der Stiftung Sinfonieorchester Basel. (Bild: Jean-François Taillard)

Barbara Schneider ist Präsidentin der Stiftung Sinfonieorchester Basel. Im Interview spricht sie über Minimal Music, ihr Engagement für das Orchester und die anstehenden Subventionsverhandlungen.

Barbara Schneider war überall dabei: Sie sass im Bus zwischen den Musikern, plauderte mit den britischen Veranstaltern, hörte sich fast jedes der sieben Konzerte an. Und sie sagt «wir», wenn sie vom Orchester spricht. In ihrer Jugend hat sie Geige und Klavier gespielt. Ihre musikalischen Ambitionen endeten aber mit der Schulzeit. Sie selbst sei nicht so dahinter gewesen und ihre Eltern auch nicht. Stolz ist sie darauf nicht: «Es ist keine Leistung, mit etwas aufzuhören», sagt sie.

Barbara Schneider, weshalb begleiten Sie das Sinfonieorchester Basel auf seinen Tourneen?

Ich finde es wichtig, dass die Stiftung als Trägerin des Orchesters den Kontakt zu den Musikerinnen und Musikern pflegt. Hier kann ich in das Orchester hineinhören, und ich bekomme die Reaktionen des Publikums direkt mit. Dazu habe ich auch einige repräsentative Aufgaben wahrzunehmen.

Sie hören in diesen Tagen sieben Konzerte, davon vier Mal das gleiche Programm. Wird es Ihnen nicht langweilig?

Nein, überhaupt nicht! Bei jedem Konzert lerne ich die Stücke besser kennen, entdecke neue Details.

Die Programme beinhalten nahezu ausschliesslich Minimal Music. Beim Publikum ist diese Musik sehr beliebt. Aber ein Teil der Orchestermitglieder hätte andere Werke für ein solch dichtes Tourprogramm bevorzugt.

Es kann nicht das Ziel einer solchen Tournee sein, die Werke zu spielen, die alle spielen: Beethoven, Haydn und so weiter. Das spielen viele andere Orchester auch gut. Wir wollen die besonderen Leistungen und den Ruf von Dennis Russell Davies beachten. Er ist international für seine Interpretationen dieser Art von Musik hoch geschätzt. Damit wollen wir eine Marke auch für das Orchester setzen. Und die Orchestermitglieder ziehen ja auch mit: Alle Konzerte auf dieser Tour waren bislang ein voller Erfolg, weil die Musiker ihr ganzes Können in diese Musik gelegt haben.

Im Subventionsvertrag mit dem Kanton Basel-Stadt ist notiert, dass das Orchester seine Ausstrahlung steigern soll. Ist das Orchester deshalb vermehrt auf Tournee?

Ja. Natürlich müssen wir uns immer wieder fragen: Warum leisten wir uns von Steuergeldern eine solche Tournee? Wir sind hoch subventioniert und haben den Auftrag, die Ausstrahlung des Orchesters zu vergrössern. Das kann mit Konzerten auch im Ausland erreicht werden. Das Stadtmarketing hat in den Programmheften der drei Londoner Konzerte eine grosse Anzeige geschaltet: Basel als Kulturhauptstadt der Schweiz. Darüber lässt sich streiten; aber wenn wir weiter so hervorragende Konzerte in London geben, stärkt das den Ruf des Orchesters und den Namen Basel.

Wie wird die Ausstrahlung gemessen?

Das ist sicher schwierig. Was sich messen lässt, sind die Medienberichte bei einer Tournee wie dieser, die Auslastung, die Zahl der Konzerte, die Zahl der produzierten und verkauften CDs.

Die Stiftung hat gerade einen neuen Subventionsantrag gestellt. Was steht darin?

Wir verlangen keine höheren Subventionen, das wäre unrealistisch, der Kulturetat des Kantons wird gesamthaft nicht aufgestockt.

Ist es nicht üblich zu pokern? Mehr zu verlangen, damit man nach einer Kürzung immer noch gut dasteht?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das nichts bringt. Wir spielen mit offenen Karten und zeigen, was das Orchester braucht und was wir selber auch zu den Finanzen beitragen.

Was macht Sie denn so sicher, dass man Ihnen nicht grundsätzlich weniger Geld gibt als anvisiert? Schlägt man Ihnen keinen Wunsch ab?

Wir werden den Bedarf gut begründen müssen und Regierung und Parlament davon überzeugen, dass ein Berufsorchester, das voll ausgelastet in Konzerten und Opern spielt, seinen Preis hat. Wir wollen auch darlegen, dass korrekte Löhne für diese Arbeit bezahlt werden müssen.

Die Musiker der anderen Orchester verdienen weniger, warum?

Das Sinfonieorchester Basel wird vom Kanton als Leitinstitution bezeichnet. Daher müssen wir offenlegen, dass wir mit diesem Geld dem Subventionsvertrag entsprechen.

Was sind Ihre Ziele in den Subventionsverhandlungen?

Das Sinfonieorchester Basel muss weiterhin seine führende Rolle im Basler Musikleben erfüllen können, dafür beantragen wir die Mittel. Ein Ziel in den neuen Subventionsverhandlungen ist auch, die Löhne und die Stellenanzahl stabil zu halten. Wir haben heute 92 Vollzeitstellen – damit ist ein Sinfonieorchester knapp spielfähig. Für Werke von Mahler oder Bruckner braucht es da schon eine Menge Zuzüger.

Noch für eine Saison steht das Stadtcasino als Konzertort zur Verfügung, danach wird während zwei Jahren umgebaut. Wo wird das Orchester dann seine Konzerte geben können?

Das wissen wir noch nicht. Es sind verschiedene Standorte in Diskussion, fest steht aber noch nichts. Aber das betrifft ja viele Ensembles, nicht nur uns.

Wäre es nicht schade, wenn der Schub, den das Orchester nun durch die Selbstständigkeit und das Engagement Dennis Russell Davies’ bekommen hat, durch die leidige Musiksaalsituation wieder verloren ginge?

Ja, das wäre sehr schade.

Wäre ein Neubau nicht besser gewesen?

Ich habe 2007 den Neubau befürwortet. Das Volk hat anders entschieden. Dass man jetzt den Weg einer sehr geschickten Renovation geht und damit vieles im Casino verbessert, vor allem auch den Eingangsbereich, halte ich für eine clevere Lösung.

Weshalb ist der Eingangsbereich so wichtig?

Dort wird das Publikum aufgefangen. Der Empfang soll angenehm sein und der Freude aufs Konzert dienen.

Falls das Orchester in Basel einen Konzertort etwas weiter ausserhalb der Stadt wählt, steht zu befürchten, dass nicht alle Abonnementen mitziehen.

Ja, diese Gefahr besteht. Nicht alle Konzertbesucherinnen und -besucher wollen oder können den Weg an einen anderen Konzertort auf sich nehmen. Aber Kirchen oder alternative Räume sprechen auch ein neues Publikum an. Und das Orchester klingt und spielt in anderen Räumen auch immer wieder neu. Das erleben wir hier auf der Tournee jeden Tag. Der Umbau des Stadtcasinos kann auch eine Chance sein.

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Dieses Interview marktiert den Abschluss des Tourtagebuchs von Jenny Berg. Alle Artikel von der Reisen finden Sie gesammelt unter diesem Link. Oder direkt nachfolgend in der Übersicht:

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