Basel ist mit Sprücheklopfern auf Du und Du

Auf der Suche nach Sprüchen und Reimen übers Gundeli duzt die Verwaltung die Bevölkerung plötzlich. «Mach mit …» heisst der Aufruf zum Projekt «Brückenpoesie» zur Verschönerung der Margarethenbrücke. «Macht mit …» sagt deshalb heute auch die TagesWoche.

Auf der Suche nach Sprüchen und Reimen übers Gundeli duzt die Verwaltung die Bevölkerung plötzlich. «Mach mit …» heisst der Aufruf zum Projekt «Brückenpoesie» zur Verschönerung der Margarethenbrücke. «Macht mit …» sagt deshalb heute auch die TagesWoche.

Die Stadt will die Margarethenbrücke verschönern und macht dafür auf IKEA (Werbespruch: «Wohnst Du noch oder lebst Du schon?») oder Privatradio: Sie duzt die Bevölkerung: «Mach mit beim Gundeli Poesie-Wettbewerb! Gesucht sind eigene, poetische Gedanken, Reime, Fantasien, Raps, Sonette, Oden oder Balladen, die Du mit dem Gundeli verbindest.»

Angesprochen fühlen sollen sich davon explizit nicht nur Kinder, junge Erwachsene oder persönlich Bekannte von Verwaltungsangestellten, sondern die ganze Bevölkerung, insbesondere die Bewohner des Gundeldingerquartiers. Man wolle damit nahe bei den Leuten sein, erklärt Projektleiter Olivier Wyss. Die Anrede DU sei nicht so formell wie SIE.

Hip und cool dank Business-Du

Eine interessante Idee mit Ausbaupotential: Näher bei den Bürgern dank unformeller Anrede. Man stelle sich vor, dass diese frische Bürgernähe auch auf andere Verwaltungsabteilungen übergreift. Zum Beispiel auf die Staatsanwaltsschaft: «Guten Abend Hans, komm doch gelegentlich mal zu einer Einvernahme vorbei» oder die Steuerverwaltung «Liebe Sonja, Du hast vielleicht im Stapel der Post unser Schreiben übersehen, aber Du schuldest uns immer noch 14 345 Franken».

Die Stadt wäre damit in bester Gesellschaft, hip und cool. Schliesslich ist es sowieso nicht immer einfach zu entscheiden, wann geduzt oder gesiezt werden soll, schreibt selbst der Duden. Und dann geht es bei diesem Ideenwettbewerb ja auch um Kreativität und Kunst und da gehört eine gewisse Lockerheit zum normalen Umgang, wie auch das deutsche Magazin Stern schon vor einigen Jahren festgehalten hatte: «…vor allem die Kreativen wissen gar nicht wohin mit ihrem antrainierten angelsächsischen Business-Du».

Was für überraschende Resultate wohl mit dieser bewusst eingesetzten Bürgernähe erzielt werden können?

«Macht doch schon bei uns mit …»

Wir fordern DICH, lieber Leser, liebe Leserin nun auf, bereits hier und jetzt DEINE Ideen für Brückensprüche als Kommentar zu publizieren oder über community@tageswoche.ch an uns zu schicken. 

Das Projekt «Brückenpoesie» im Gundeli ist ein Ideenwettbewerb, mit dem die Margarethenbrücke verschönert werden soll. Die Brücke sei eine viel genutzte Verbindung ins Gundeldingerquartier, die leider immer wieder verschmiert oder versprayt werde, heisst es in einer Medienmitteilung. Die Erfahrung zeige, dass Kunst im öffentlichen Raum unter Beteiligung der Quartierbewohner Vandalismus vorbeuge. Deshalb werden nun poetische Gedanken und Reime gesucht, die in Verbindung mit dem Gundeli stehen. Die von einer Jury ausgewählten besten zwei oder – je nach Platz – mehr Sprüche werden im August als Schriftzüge auf die Brücke gemalt. Die Kosten für das Projekt betragen insgesamt 85 000 Franken, wie Projektleiter Olivier Wyss auf Anfrage sagte. Weitere Informationen zum Projekt und die Teilnahmebedingungen finden Sie hier.

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