Basel-Stadt und Baselland machen gemeinsame Sache zum Wohl der Patienten – und der Kantonskassen

Eine enge Kooperation haben Thomas Weber und Lukas Engelberger angekündigt, nun halten sie Wort: Die Gesundheitsdirektoren der beiden Basel planen eine Spitalgruppe und nennen es einen Meilenstein der Gesundheitspolitik. Jetzt muss nur noch die Politik mitziehen.

Das Bruderholzspital, wie es heute geführt wird, soll es in Zukunft so nicht mehr geben. Beide Basel planen eine gemeinsame Spital-Holding, in der das Bruderholz zur Tagesklinik werden soll.

(Bild: Georgios Kefalas)

Die beiden grossen Kantonsspitäler sollen zu einer Spitalgruppe zusammengeschlossen werden. Doppelspurigkeiten sollen somit vermieden und Angebote gebündelt werden. Zudem soll das heutige Bruderholzspital einer ambulanten Tagesklinik Platz machen. Jetzt muss noch die Politik mitziehen.

Und es gibt sie doch, die oft beschworene und manchmal vermisste Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den beiden Basel: Bereits im März kommunizierten die beiden Kantone, dass eine engere Kooperation im Gesundheitswesen angestrebt wird.

Während drei Monaten erarbeiteten Thomas Weber und Lukas Engelberger, die Gesundheitsdirektoren von Baselland und Basel-Stadt, gemeinsam mit Werner Widmer und Michel Plüss, den Verwaltungsratspräsidenten des Kantonsspitals Baselland und des Universitätsspitals Basel, nun eine Strategie, um eine engere Zusammenarbeit zwischen den Kantonen im Spitalwesen umzusetzen.

Bei einer Medienkonferenz zum Spitalwesen beider Basel haben sie nun kommuniziert, wie diese Zusammenarbeit konkret aussehen soll. Dabei haben die Verantwortlichen das «gegenseitige Vertrauen» stark betont: Da war von gegenseitiger Wertschätzung die Rede, von der Schaffung des Gesundheitsraums Nordwestschweiz und von gemeinsamen Bergbesteigungen im metaphorischen Sinne.

Spezialisierungen anstatt gegenseitiges Wettrüsten

Geplant ist als Ausgangslage eine Zusammenschliessung des Kantonsspitals Baselland und des Universitätsspitals Basel-Stadt zu einer Spitalgruppe. Die Gesundheitsversorgung solle durch die neue Strategie optimiert werden: Es gebe momentan zu viele Betten und zu wenige Patienten, zudem gebe es zu viele parallele Angebote in den unterschiedlichen Spitälern, die jeweils zu wenig ausgelastet seien. Gleichzeitig solle das Kostenwachstum im Spitalbereich für die Kantone und Einzelpersonen gedämpft werden.

Doppelspurigkeiten und leere Betten sollen vermieden werden. Gewisse Angebote sollen künftig auf einen Standort konzentriert und dafür weiter spezialisiert werden. Es soll in Zukunft spezialisierte Kompetenzzentren geben. Welche Bereiche dies betrifft und wie weit diese Trennung schlussendlich gehen soll, ist noch unklar

Drastische Veränderung für das Bruderholzspital

Besonders drastisch sind die Veränderungen für das Bruderholzspital, das zur «Tagesklinik für operative und interventionelle Eingriffe», kurz TOP, werden soll. Wenn das Projekt es durch die Parlamente und an der Bevölkerung vorbei schafft, wird das Bettenhaus komplett zurückgebaut, es sollen also gar keine stationären Patienten mehr behandelt werden. Dagegen ist die Durchführung von kleineren und planbaren operativen Eingriffen in einer Tagesklinik geplant, die Patienten können danach wieder nach Hause geschickt werden. Die stationäre akutsomatische Versorgung soll sich dann auf die Standorte Basel und Liestal konzentrieren.

Die Umsetzung des Konzepts ist bis etwa im Jahr 2020 geplant.

Durch die weniger platzaufwändige TOP würde somit auch potenziell neuer Wohnraum entstehen. Was die Vertreter und Angestellten des Bruderholzspitals zu diesen Plänen sagen, ist noch nicht bekannt. Vorerst befindet sich das Projekt noch in der Planungsphase, die Spitäler werden bis auf weiteres normal weiterarbeiten. Die Umsetzung des Konzepts ist bis etwa im Jahr 2020 geplant.

Grosser Sparbedarf vor allem in Baselland

Die geplanten Neuerungen verdeutlichen den akuten Sparbedarf, vor allem für den Kanton Baselland. Immerhin stiegen dort die Spitalkosten im Jahr 2014 um 25 Millionen Franken. Dies hat damit zu tun, dass die Kantone seit 2012 mindestens 55 Prozent der Grundkosten von stationären Behandlungen übernehmen. Zudem wurde im selben Jahr die freie Spitalwahl in der gesamten Schweiz eingeführt. Was für die Versicherten «sehr attraktiv» ist, birgt für die Kantone Risiken, da nicht gewährleistet ist, dass das für Spitalaufenthalte ausgegebene Geld in die Kantonskasse zurückfliesst.

Durch die angestrebte Spezialisierung wird zum Teil zwar mehr Mobilität gefordert, das Konzept ist aber auch eine Reaktion auf bereits mobile Patienten: Während sich 91 Prozent der Stadtbasler auch in Basel-Stadt behandeln lassen, lassen sich 46 Prozent der Baselbieter Patienten in Spitälern ausserhalb des Kantons behandeln, davon die meisten in Basel. Die effizientere Organisation des Spitalwesens würde Einsparungen ermöglichen, die auch der Forschung zugute kämen, und schlussendlich zur Wettbewerbsfähigkeit des Gesundheitsraums Nordwestschweiz beitrügen, sagte Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger.

Sinnvoller Prozess anstatt Sparübung

Unter Spardruck steht auch das Kantonsspital Baselland: Die teure Infrastruktur ist auf drei Standorte verteilt, hat aber zu wenige Patienten, um das wirtschaftliche Bestehen zu sichern. Durch die Zusammenarbeit mit Basel-Stadt könne eine unangenehme Sparübung vermieden werden und stattdessen ein Verschmälerungsprozess stattfinden, der tatsächlich Sinn mache, erklärt Verwaltungsratspräsident Werner Widmer.

Weniger prekär ist die Lage des erfolgreichen Universitätsspitals Basel-Stadt. Die Bettenstation dort ist gut ausgelastet, mit dem Bau des Klinikums 2 wird dieser Bereich sogar weiter ausgebaut. Trotzdem betont Michel Plüss, dass die Zusammenarbeit eine Bereicherung darstelle: Es sei eine Chance, die Nutzen für die Bevölkerung zu verbessern und das Kostenwachstum zu dämpfen.

Trennung der Behandlungspfade

Es ist zwar viel von Effizienz und Einsparungen die Rede, die Änderungen seien aber viel mehr als blosse Sparmassnahmen, betont Engelberger. Das Konzept sei ein Meilenstein in der Gesundheitspolitik, der als schweizerische Pionierarbeit in der regionalen Gesundheitsversorgung angesehen werden könne. So sei etwa die Trennung von stationären und ambulanten Behandlungen hochmodern und innovativ.

Ein Vorteil ist zudem, dass sich die Wartezeiten bei Notfällen verringern, wie Unispital-Verwaltungspräsident Plüss sagt. Die meisten Beschwerden gingen ein, weil Patienten mit einer geplanten Operation warten müssen, wenn etwa ein Notfall dazwischenkommt. Durch die Trennung der Behandlungspfade Notfall, stationäre Behandlungen und planbare Operationen und Interventionen könne dies vermieden werden.



Die Gesundheitsdirektoren Lukas Engelberger (BS, links) und Thomas Weber (BL) sollen enger zusammenarbeiten. (Bild: TagesWoche)

Die neue Strategie sei keine Sparübung, betonen die Gesundheitsdirektoren Lukas Engelberger (BS, links) und Thomas Weber (BL).

Keine Kündigungen vorgesehen

Beim Personal solle auf keinen Fall gespart werden: Natürlich würde durch die zunehmend ambulante Behandlung weniger Nachtpflegepersonal benötigt, sagt Widmer, da aber von einem konstanten Mangel medizinischen Fachpersonals die Rede sei, müsse sich niemand um seine Arbeitsstelle fürchten. Plüss betont sogar, dass die patientennahen Funktionen wie die Pflege von der neuen Strategie profitieren würden. Durch Einsparungen andernorts gebe es wieder mehr Luft für den direkten Kontakt mit den Patienten.

Sparen könne man hingegen durch das Wegfallen von grossen Bauinvestitionen, so sei etwa das Bettenhaus auf dem Bruderholz nicht erdbebensicher und bedürfe einer sehr kostenaufwendigen Rennovation. Zudem könne durch bessere Koordination bei unterschiedlichen Bereichen gespart werden, etwa beim Einkauf, der Logistik, der Informatik oder der Abrechnungsadministration.

In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob sich die Parlamente vom Optimismus der Initianten anstecken lassen. Voraussichtlich werden diese noch einiges an politischer Überzeugungsarbeit leisten müssen, bevor dieser Meilenstein umgesetzt werden kann. Auch die Reaktionen der Vertreter und Angestellten der betroffenen Spitäler, insbesondere des Bruderholzspitals, werden wohl noch für Gesprächsstoff sorgen.

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