Die Entführung von 43 mexikanischen Studenten sorgt weltweit für Proteste, auch in Basel. Am Donnerstagabend versammelten sich Demonstranten auf dem Marktplatz; vor drei Wochen stürmte eine Gruppe eine Vorlesung des mexikanischen Botschafters an der Uni Basel. Diese Aktion stiess auf internationale Beachtung.
Jeder Einzelne ist sowohl auf Papier wie auch in den Gedanken der Anwesenden vertreten: Die Porträts der 43 in Mexiko vermissten Lehramtsstudenten liegen auf dem Boden, daneben ebenso viele Kerzen. Ein Maskierter zieht rotes Glitzerpulver aus der Tasche, das er rituell über die Fotos wirft: Mit dieser Performance wird das Blut dargestellt, das in Mexiko geflossen ist. Aufschriften wie «Stoppt die Gewalt, stoppt die Korruption» oder «Wir sind alle Ayotzinapa» sind auf den Plakaten und Transparenten zu lesen.
Rund 90 Personen haben sich am Donnerstagabend vor dem Rathaus eingefunden, um an die Welle der Gewalt in Mexiko zu erinnern. Laura Arnaud und Esdra Cordova, zwei in Basel lebenden Mexikanerinnen, haben die Kundgebung spontan auf die Beine gestellt. «Wir haben genug von der Gewalt, Korruption und Straffreiheit», sagt Arnaud. «Daher möchten wir alle Stimmen vereinen, um wenigstens etwas Druck zu machen.»
Von den 43 verschleppten Studenten fehlt noch immer jede Spur. (Bild: Michel Schultheiss)
Mit der Zahl 43 und der roten Farbe rufen die Demonstranten die Studenten von der Ausbildungsstätte in Ayotzinapa im mexikanischen Bundesstaat Guerrero in Erinnerung, von denen seit bald zwei Monaten noch immer jede Spur fehlt. Vermutlich fielen die als politisch linksgesinnt bekannten Studenten in Iguala einem Komplott von Drogenmafia, Polizei und Lokalpolitikern zum Opfer.
Die Massenentführung von Iguala löste in den letzten Wochen in weiten Teilen Mexikos heftige Proteste aus und fand weltweit Beachtung. Der Fall Ayotzinapa gilt als bislang grösster Skandal in der Amtszeit des Präsidenten Enrique Peña Nieto.
Auf dem Basler Marktplatz zählten die Anwesenden nach einer Schweigeminute und einem Lied sämtliche Namen der Vermissten auf. «Man hat sie uns lebend genommen, lebend wollen wir sie zurück», verlangten sie.
Schwingt in diesem Satz noch ein Funke Hoffnung mit, sieht es für die Studenten allerdings düster aus. Zumindest gemäss unbestätigter Aussagen von Mitgliedern der kriminellen Organisation «Guerreros Unidos», in deren Hände die Studenten vermutlich unter Komplizenschaft der Polizei gelangt waren. Demnach sollen die 43 Entführten ermordet und deren Leichen verbrannt worden sein.
Mahnwachen auf der ganzen Welt
Die Kundgebung auf dem Marktplatz, bezog sich auch generell auf die Gewalt in Mexiko und den Drogenkrieg: «Wir möchten auch an alle anderen Toten erinnern», so eine Teilnehmerin.
Am Tag dieser Mahnwache jährte sich der Beginn der Mexikanischen Revolution von 1910. In weiten Teilen Mexikos ist es zu massiven Protesten gekommen. Allein in der Hauptstadt gingen Zehntausende auf die Strasse und forderten den Rücktritt von Peña Nieto. Mahnwachen wurden in Städten auf der ganzen Welt abgehalten.
Eine Protestaktion fand an der Universität Basel bereits vor drei Wochen, am 30. Oktober, statt. Ein Video von der Gruppe, die während eines Anlasses zu Ehren des mexikanischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Octavio Paz (1914 bis 1998) mit Transparenten das Rednerpult in einem Vorlesungssaal des Kollegiengebäudes stürmte, hat auf Youtube internationale Beachtung erlangt.
Der Protest richtete sich jedoch nicht die Veranstaltung, sondern gegen den mexikanischen Botschafter in der Schweiz, Jorge Castro-Valle, der als Redner eingeladen war. Mit dem Video wollten sich die Demonstranten in eine ganze Reihe weltweiter Protestaktionen einreihen. In Basel kaum wahrgenommen, fand die Aktion sogar in die mexikanische Presse, etwa in das namhafte Magazin «Proceso».
Im Video wird auch ein Bezug zu Octavio Paz hergestellt. Der Schriftsteller trat 1968 nach dem Massaker an demonstrierenden Studenten in Tlatelolco aus Protest von seinem Diplomatenposten in Indien zurück. Mit ihrer Aktion forderten die Macher des Videos den heutigen Botschafter Castro-Valle auf, sich an Octavio Paz ein Beispiel zu nehmen.