Der Weg von der Markthalle zur Heuwaage hinunter führt am Untersuchungsgefängnis vorbei. Die Einzigen, die dort die Fenster öffnen können, sind die Angestellten. Manchmal lassen sie etwas Sonne herein – und dann sieht man von der Strasse hinein. In die Männer-Garderobe.
Eine TagesWoche-Leserin* spazierte am Gefängnis vorbei, schaute – und zückte ihr Handy. Was sie sah, machte sie wütend. Nicht der Würth-Kalender mit den halbnackten Frauen an der Wand, sondern der Kleber an Spind Nummer 27 brachte sie in Rage. «Ich bin empört darüber, dass solch rassistisches Gedankengut von einer staatlichen Organisation toleriert wird», schreibt sie.
Flüchtlingsfeindlicher Kleber der Identitären Bewegung
Zwei Sticker und ein Poster kleben an Spind Nummer 27. Die Totenschädel sind das Erkennungszeichen von Yakuza Premium, einem deutschen Street-Wear-Label, das seit einigen Jahren gerne von Mitgliedern der rechten Szene getragen wird.
Eindeutig problematisch ist der «Islamists not welcome»-Kleber, auf dem ein Kreuzritter zwei «Islamisten» in die Flucht schlägt. Eine Anspielung auf das flüchtlingsfreundliche «Refugees Welcome»-Symbol. Im Kleingedruckten prangt zweimal das Logo der «Identitären Bewegung» (IB), dazu der Satz: «Stay back or we’ll kick you back» («Bleibt zurück oder wir treten euch zurück»).
Im Webshop der IB gibt es exakt dieses Logo auf Sticker oder T-Shirts. Es sei die ideale Ware «für alle, denen die Moralheuchelei der linken Asylindustrie auf den Wecker geht».
Der österreichische Verfassungsschutz stufte die Identitären, die in Deutschland, Frankreich und Österreich längst überwacht werden, schon im Jahresbericht 2014 als klar rechtsextrem ein:
Die als «Bewegung» auftretende Szene, stellt die «Identität des eigenen Volkes» in den Mittelpunkt ihrer Propaganda. Unter dem Deckmantel das jeweilige Land respektive «ganz Europa» vor einer «Islamisierung» und vor Massenzuwanderung schützen zu müssen, wird auf einer pseudo-intellektuellen Grundlage versucht, das eigene rassistisch/nationalistisch geprägte Weltbild zu verschleiern. Die Distanzierung vom Neonazismus in öffentlichen Statements ist als taktisches Manöver zu werten, da sich in den Reihen der Bewegungseliten amtsbekannte Neonazis befinden und Kontakte in andere rechtsextremistische Szenebereiche bestehen.
Bleibt die Frage, was ein Kleber der IB auf einem Spind eines Mitarbeiters des Basler Untersuchungsgefängnisses verloren hat.
Gegen die «Regeln»
Kurze Antwort: eigentlich nichts. Nach der Anfrage der TagesWoche wird der Kleber, der vorher anscheinend keinen der Kollegen gestört hat, zur Chefsache. «Die Gefängnisleitung hat mit dem Mitarbeiter gesprochen, ihm die Regeln in Erinnerung gerufen und ihn angehalten, die Kleber sofort vom Spind zu entfernen», sagt Martin R. Schütz, Leiter Kommunikation des Basler Justiz- und Sicherheitsdepartements.
Ausserdem werde «das Thema im Sinne einer Sensibilisierung auch im Team aufgenommen». Bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dulde die Leitung «keine Äusserungen politisch extremistischer Haltungen in Wort oder Bild – namentlich nicht im Dienst oder wenn der Ruf des Arbeitgebers durch eine individuelle Verletzung dessen Grundwerte wie Rechtsstaatlichkeit, vorurteilslose Gleichbehandlung aller und Beachtung der Menschenrechte Schaden erleiden könnte», sagt Schütz.
Wird trotzdem ein derartiger Fall festgestellt, dann würden Angestellte zu Führungsgesprächen aufgeboten. Bei einer «erstmaligen Auffälligkeit» würden die Mitarbeitenden «in der Regel auf ihre Rollen und Rollenkonflikte sensibilisiert». Ausserdem, fügt Martin R. Schütz an, würden «Themen wie Menschenrechte, Rassismus, Vorurteile u.ä. in den Aus- und Weiterbildungen behandelt».
«Übers Ganze gesehen keine Probleme»
Der Basler Justizvollzug stelle bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern «übers Ganze gesehen keine Probleme mit extremistischem Gedankengut fest», sagt Schütz. «Dies schliesst nicht aus, dass in Einzelfällen ein solches auftreten kann.»
Womit man in Basel-Stadt übrigens bisher ebenfalls keine Probleme hat, sind Islamisten. Das gilt auch für den Arbeitsort des Mitarbeiters mit dem Islamisten-Kleber. Schütz: «In Basel-Stadt stellen wir bislang nur wenige Einzelfälle von religiös radikalisierten Gefangenen fest.»
*Name der Redaktion bekannt