In einem offenen Brief an Justiz- und Sicherheitsdirektor Baschi Dürr zeigt sich das Solinetz der Region Basel empört: Das Basler Migrationsamt hat gegen acht Sans-Papiers, deren Aufenthaltsstatus über Härtefallgesuche eben erst legalisiert wurde, Strafanzeige erhoben.
Anni Lanz, Menschenrechtsaktivistin mit Ehrendoktorwürde der Universität Basel, ist wütend. Es sei «beschämend», dass dasselbe Amt, das einer Gruppe von Sans-Papiers über Härtefallgesuche den Aufenthaltsstatus habe legalisieren müssen, die Betroffenen nun mit Strafanzeigen eindecke. «Und das aufgrund derselben Unterlagen, die sie für ihre Härtefallgesuche einreichen mussten.» Mit anderen Worten: Sans-Papiers, die sich vor wenigen Wochen über eine Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus freuen konnten, haben nun ein Strafverfahren am Hals – weil die Behörden aufgrund ihrer Unterlagen die Beweise für ihren illegalen Aufenthalt in der Hand haben.
Lanz sagte dies am vergangenen Freitag im Rahmen der Pappteller-Prozession, auf der Studenten und Dozenten der Schule für Gestaltung vom Messeplatz zur Elisabethenkirche gezogen waren. Lanz rief die Anwesenden dazu auf, einen offenen Brief des Solidaritätsnetzes der Region Basel an Justiz- und Sicherheitsdirektor Baschi Dürr zu unterzeichnen. Das Solidaritätsnetz ist eine lose Vereinigung von Menschen, die sich für Migranten einsetzt.
Der offene Brief moniert, dass das Migrationsamt gegen acht offiziell aufgenommene Sans-Papiers Strafanzeigen wegen illegalem Aufenthalt und Arbeiten ohne Bewilligung erhoben hat. Und darüber hinaus Personen, welche diese Sans-Papiers unterstützt hätten, verzeigt habe. «Wie paradox: Für die Legalisierung eines Sans-Papiers wird eine mindestens zehn Jahre dauernde ununterbrochene Anwesenheit und eine existenzsichernde Erwerbsarbeit in der Schweiz vorausgesetzt. Und der Nachweis darüber wird dann für ein Strafverfahren verwendet», heisst es im Brief.
Abschreckende Signalwirkung
Fabrice Mangold von der Basler Anlaufstelle für Sans-Papiers bestätigt auf Anfrage, dass es zu diesen Anzeigen gekommen ist. In einem Fall sei auch bereits eine bedingte Geldstrafe und ein entsprechender Strafregistereintrag verhängt worden. Zusätzlich wurde eine Busse ausgesprochen – die Betroffenen müssen auch die Verfahrenskosten tragen. «Dieses Vorgehen ist ein harter Schlag für die Betroffenen und hat überdies eine verheerende negative Signalwirkung für weitere Sans-Papiers, die ein Härtefallgesuch ins Auge fassen wollen», sagt Mangold.
Die Anlaufstelle hat nun eine «anwaltschaftliche Vertretung» eingeschaltet, die gegen die Strafen Rekurs einlegen wird. Das führt dazu, dass die Fälle vor Gericht kommen werden. «Wir werden die Prozesse natürlich begleiten», sagt Mangold.
Ein Offizialdelikt
Das Basler Migrationsamt wollte auf Anfrage keine Stellung nehmen. Amtsleiter Michel Girard verwies die TagesWoche an die Medienstelle des Justiz- und Sicherheitsdepartements. Dort äussert man sich formalistisch: Die Betroffenen hätten sich rechtswidrig in der Schweiz aufgehalten und seien einer nicht bewilligten Tätigkeit nachgegangen. Damit hätten sie gegen Strafbestimmungen im Ausländergesetz verstossen.
«Da es sich um Offizialdelikte handelt, muss die jeweilige Behörde – hier das Migrationsamt – grundsätzlich von sich aus aktiv werden und die Straftat verfolgen», schreibt Mediensprecher Martin Schütz. Ganz so wohl scheint es den Verantwortlichen im Justiz- und Sicherheitsdepartement dabei aber nicht zu sein: «Wir haben derzeit bei anderen Kantonen und beim Bund eine Anfrage zur dortigen Praxis laufen.»
Mangold setzt nun die Hoffnung auf einen politischen Vorstoss, der vom Grossen Rat mit deutlichem Mehr an die Regierung überwiesen worden ist. SP-Grossrat Leonhard Burckhardt hatte in einem Anzug angeregt, dass die Regierung prüfen solle, ob Basel-Stadt nach dem Vorbild des Kantons Genf gut integrierten Sans-Papiers den Schritt zu einem legalen Aufenthalt erleichtern könne.
Baschi Dürr hatte in der Grossratsdebatte betont, dass sich Basel-Stadt keine harte Gangart gegen Sans-Papiers vorwerfen lassen müsse.