Es ist eine ungeheuerliche Geschichte, die in der «SRF-Rundschau» am vergangenen Mittwoch aufgerollt wurde. Eine junge Mutter in Solothurn wird verdächtigt, ihr acht Wochen altes Baby getötet und später auch noch ihr zweites Kind misshandelt zu haben.
Die Staatsanwälte nehmen die Ermittlung auf und greifen dabei zu Methoden, die eher nach amerikanischer Krimiserie klingen als nach dem Alltag Schweizer Strafverfolger.
Die Wohnung der jungen Frau wird verwanzt, und verdeckte Ermittler dringen – getarnt als gute Freunde – bis in den hintersten Winkel ihres Lebens vor. Am Ende wird das Verfahren eingestellt, zurück bleibt nur das Trauma eines gewaltigen Vertrauensbruchs sowie eine Kiste voller Geschenke und lieber Briefe an eine vermeintliche Freundin, die ihr nach Abschluss des Falls wieder zugestellt wurden.
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Solche Überwachungs- und Ermittlungsmethoden müssen sich die Staatsanwälte in den Kantonen vom jeweils zuständigen sogenannten Zwangsmassnahmengericht (ZMG) bewilligen lassen. Ebenso urteilen diese Gerichte darüber, ob Beschuldigte in Untersuchungs- oder Sicherheitshaft genommen werden dürfen.
Die Rundschau hat ergänzend zum Fallbeispiel aus dem Solothurn eine weitere Recherche veröffentlicht. 18 Schweizer Kantone erheben, wie viele Anträge gutgeheissen oder abgewiesen werden. Eine Umfrage unter diesen Kantonen zeigt, dass die Gesuche der Staatsanwaltschaften in den allermeisten Fällen bewilligt werden: Die Gutheissungsquote beträgt satte 97 Prozent. Das heisst, die Strafverfolger kommen in aller Regel durch mit ihren Zwangsmassnahmen.
Dieser hohe Wert sei deshalb problematisch, weil die Verhandlungen vor dem ZMG unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Auch die Urteile werden nur in ganz seltenen Fällen öffentlich. Urs Saxer, Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich, hält die hohe Gutheissungsquote gegenüber SRF für «erstaunlich und erklärungsbedürftig».
668 Entscheide im Bereich Haft
Die Kollegen von «SRF-Rundschau» haben uns die Zahlen für den Kanton Basel-Stadt freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Eine offizielle Gutheissungsquote gibt es jedoch nicht, diese werde gemäss Gericht in Basel nicht erhoben. Das heisst, wir kennen für Basel nur die Anzahl Entscheide, welche das ZMG fällt (2017: 822 Fälle). Eine Unterscheidung zwischen Gutheissung und Abweisung ist jedoch nur für ganz bestimmte Bereiche möglich.
So wissen wir etwa, dass das ZMG Basel-Stadt im vergangenen Jahr in 303 Fällen Untersuchungshaft angeordnet und dem Wunsch der Stawa nur gerade in 19 Fällen widersprochen hat – das entspricht einer Gutheissungsquote von 93,7 Prozent. Das ZMG entscheidet jedoch nicht nur über U-Haft, sondern auch über Sicherheitshaft, Verlängerungen von U-Haft, Entlassungen und vieles mehr. So hat das ZMG insgesamt 668 Entscheidungen im Bereich Haft getroffen.
Das zweite wichtige Feld, in dem das ZMG Entscheide fällt, sind die Überwachungsmassnahmen. Diese reichen von Post- und Telefonüberwachung, GPS-Überwachung und Standortbestimmung über die Erhebung von Randdaten bis zum Einsatz verdeckter Ermittler. Hier hat das ZMG 154 Entscheide getroffen. Wie diese Entscheide ausgefallen sind, ist aus den Zahlen nicht ersichtlich.
Zum grössten Teil (in 92 Fällen) ging es dabei um die Erhebung von Randdaten. Diese Daten geben beispielsweise Aufschluss darüber, welche Telefonnummern wann von einem überwachten Handy aus angerufen wurden, nicht jedoch über den Inhalt der Gespräche oder der SMS. In 21 Fällen wurde über eine Post- und Telefonüberwachung entschieden.
Eine genaue Aussage darüber, wie streng das hiesige ZMG die Gesuche der Basler Strafverfolger handhabt, lässt sich also nicht treffen. Das Beispiel mit der U-Haft deutet jedoch darauf hin, dass das ZMG hier sich ungefähr im schweizerischen Mittelfeld bewegen dürfte.
Stawa führt keine Statistik
Die Staatsanwaltschaft selbst gibt auf Anfrage bekannt, keine Statistik zu den gestellten Haftanträgen und Anträgen auf Überwachung zu führen. Stawa-Sprecher René Gsell schätzt die Gutheissungsquote auf «circa 85 Prozent». Damit würde das ZMG Basel-Stadt von allen in der «Rundschau» geprüften Behörden der Stawa am genausten auf die Finger schauen.
Überprüfen lässt sich diese Aussage allerdings nicht, da keine harten Zahlen vorliegen. Doch zumindest anzweifeln lässt sie sich. Denn wir kennen die Quote im Bereich U-Haft, wo das ZMG fast 94 Prozent aller Gesuche gutheisst. Und diese Gesuche stellen den mit Abstand grössten Einzelposten aller Entscheide dar, nämlich deutlich mehr als ein Drittel (303 von 822 Entscheiden).