Trotz offenkundiger Verstösse in Sachen Arbeitssicherheit bei der Uhren- und Schmuckmesse Baselworld schritten die Kontrolleure des Amtes für Wirtschaft und Arbeit nicht ein. Im Gegenteil: Das Amt stellt Messestandbauern und Messe einen Persilschein aus.
Aus noch unbekannten Gründen habe sich eine Kiste aus dem Obergeschoss gelöst und einen Arbeiter erdrückt. Trotz sofortiger Reanimation sei der Mann seinen Verletzungen am Unfallort erlegen. Das meldete die Staatsanwaltschaft am 6. März 2009. Den Zeitungen ist der tragische Unfall, wenn überhaupt, ein paar Zeilen Wert.
Gestorben ist der Arbeiter bei den Aufbauarbeiten zur Uhren- und Schmuckmesse Baselworld. Vier Jahre später wartet der damals verantwortliche Bauführer auf sein Gerichtsverfahren wegen fahrlässiger Tötung. Zur Gerichtsverhandlung kommt es auch nur, weil er den von der Staatsanwaltschaft ausgestellten Strafbefehl angefochten hat.
Beim diesjährigen Aufbau hatten die Messestandbauer mehr Glück. Kein gravierender Arbeitsunfall beim Auf- und Abbau. «Ein solch erfreuliches Resultat wäre ohne hohe Professionalität und sehr hohes Verantwortungsgefühl der Arbeiter, der Firmen und der Messe nicht möglich gewesen», erklärt Hansjürg Dolder, Leiter des baselstädtischen Amtes für Wirtschaft und Arbeit. An einer kürzlich einberufenen Pressekonferenz betonte er die «sehr hohe» Arbeitssicherheit und das Verantwortungsgefühl von Arbeitern und der Messe beim Aufbau- der Baselworld.
Klare Verstösse gegen die Arbeitssicherheit
Das ist erstaunlich, trugen doch etliche Messestandbauer keinen Helm und Turnschuhe statt Schutzschuhe mit Stahlkappen. «Wir trafen relativ viele Leute ohne Helm an», sagt Hansueli Scheidegger von der Gewerkschaft Unia. Ein klarer Verstoss gegen Sicherheitsbestimmungen, wie die Suva bestätigt. Solange diese teilweise mehrstöckigen Messestände aufgebaut werden, noch im Rohbau stehen, müssten Arbeiter zwingend Helm und Schutzschuhe tragen, damit Verletzungen vermieden werden, wenn etwa Gegenstände herunter fallen. Verschiedene von Fotografen und Leserreportern gemachte Aufnahmen belegen zahlreiche Verstösse. Ein Umstand, der auch den Kontrolleuren des Amtes für Wirtschaft nicht entgangen sein dürfte bei ihren rund 700 durchgeführten Kontrollen.
Doch AWA-Leiter Hansjürg Dolder wiegelt ab: «Sicherheitsausrüstungen wie Helme oder Sicherheitsschuhe sind im Zuständigkeitsbereich der Suva, weshalb auch Fachleute der Suva vor Ort waren und sich um diesen Bereich gekümmert haben.» Die Suva wiederum erklärt, man konzentriere sich auf Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe mit hohem Risiko. «Das Unfallgeschehen beim Auf- und Abbau der Messestände ist nicht auffällig.» Die Kontrolleure der Suva waren denn auch nur ein einziges Mal vor Ort. Von den AWA-Kontrolleuren seien bei der Suva keine Meldungen eingegangen. Diese seien gegenüber anderen Institutionen auch nicht meldepflichtig.
«Selbstdeklarationen sind Alibikontrollen»
Amtsleiter Hansjürg Dolder lobte nicht nur die sehr hohe Arbeitssicherheit beim Aufbau der Baselworld, auch gegen das Arbeitsgesetz hätten seine Kontrolleure keine Verstösse festgestellt. Kein Wunder, liessen diese die rund 700 kontrollierten Messestandbauer einfach einen Fragebogen ausfüllen. «Aufgrund dieser Angaben und teilweise zusätzlicher Nachfragen wurden keine Verstösse gegen das Arbeitsgesetz festgestellt», so das AWA in einer Stellungnahme. Erfasst wird die effektive Arbeitszeit der Messestandbauer bis heute nicht. Dies verunmögliche seriöse Kontrollen, kritisierte die Gewerkschaft Unia.
Michel Rohrer, der im Auftrag verschiedener paritätischer Kommissionen mit der Zentralen Paritätischen Kontrollstelle (ZPK) jährlich über 2000 Kontrollen durchführt, will sich zu den konkreten Kontrollen des AWA an der Baselworld nicht äussern. Er sagt jedoch: «Kontrollen, die sich nur auf Selbstdeklarationen abstützen, sind reine Alibiübungen.» Das wäre etwa so, wie wenn die Polizei bei einer Grosskontrolle die angehaltenen Autofahrer fragen würde, ob sie vorher zu schnell gefahren seien oder Alkohol getrunken hätten und wer zwei Mal mit Nein antwortet, einfach weiterfahren darf.
Daniel Münger, SP-Landrat und Präsident der ZPK, erklärt: «Die kantonalen Behörden haben einfach keine Lust zu kontrollieren. Echte Kontrollen bedeuten doppelten Aufwand: Die Abklärungen sind aufwändiger und wenn man etwas findet, müssen die Staatsangestellten erst noch gegen die Fehlbaren Sanktionen aussprechen.»