«B’Art» – der Name sagt schon alles. Wer den Barbershop im Gotthelf-Quartier betritt, reist auch ein Stück in die Vergangenheit zurück, als Männer sich noch nach allen Regeln der Kunst um den Bart gehen liessen.
Gedämpftes Licht fällt durch das Schaufenster und legt den Raum in gediegene Halbschatten, tupft Lichtreflexe auf eine alte Registrierkasse, blitzende Rasierklingen in Schaukästen und Salbentiegel auf einem Apothekerschrank.
Beim Rasierstuhl am Fenster – italienisches Modell, Sechzigerjahre – wartet Onur Keser mit festem Händedruck, gelassenem Blick und einem sorgfältig skulptierten Bart, neben dem das Gestrüpp in meinem Gesicht noch unordentlicher wirkt.
Beim Rasierstuhl am Fenster – italienisches Modell, Sechzigerjahre – wartet Onur Keser mit festem Händedruck, gelassenem Blick und einem sorgfältig skulptierten Bart, neben dem das Gestrüpp in meinem Gesicht noch unordentlicher wirkt.
In einer Vitrine steht eine Fotografie von Türkân Şoray, der «Sultanin des türkischen Kinos», die als Tätowierung auch von Kesers rechtem Unterarm lächelt. Es ist die einzige feminine Note in dem Laden, der Männern vorbehalten ist.
«Für Frauen gibt es so viele Angebote», erklärt der 37-jährige Keser. «Die müssen nur einmal in ein Warenhaus laufen, schon sind sie frisiert, parfümiert und geschminkt.» Bei dem Barbier dagegen dreht sich alles um die männliche Gesichtsbehaarung, auf deren Pflege wir uns in meinem Fall rasch einigen: kürzen und konturieren.
Keser beginnt jede Behandlung mit einer Beratung, er versteht sich als Dienstleister. «Natürlich ist der Kunde König, aber die meisten sind froh um eine Empfehlung.» Markante Gesichtszüge beispielsweise vertragen sich schlecht mit einem kantigen Schnitt.
Der Stuhl wird in Liegeposition gekippt, die Füsse ruhen zwanglos auf dem Rand des Waschbeckens – Komfort geht vor. Mit der Tondeuse wird gestutzt, dann folgt eine Massage mit Sandelholzöl und weiteren Cremen. Der Barbier deckt mein Gesicht mit einem vorgewärmten Tuch zu, damit alles einwirken kann.
«Unter dem Tuch», höre ich Kesers Stimme gedämpft, «schlafen viele ein.»
Mit Pflegeprodukten hat Kesers Traum vom eigenen Barbershop begonnen. Bärte waren schon immer sein Ding. Mit 15 Jahren fing Keser mit Nassrasur und Styling an, wobei er richtige Klingen den billigen Plastikrasierern vorzog.
Vor sieben Jahren liess sich der damalige Marketingassistent einer Sanitärfirma einen Vollbart wachsen, sein Bruder tat es ihm gleich. Doch als Keser ein Bartpflege-Set verschenken wollte, fand er – nichts. «Es gab zwar einzelne Produkte und Händler, aber keinen Ort, an dem man sich beraten lassen konnte.»
Messer am Hals
Keser hatte eine Marktlücke entdeckt und schaltete im Frühjahr 2016 eine Website auf, um eine eigene Linie von Pflegemitteln zu vertreiben. Dann bot sich die Gelegenheit, einen Laden im ehemaligen Ausstellungsraum eines Perückenmachers zu eröffnen. Keser griff zu und machte seine Passion zum Beruf. «Wenn ich rasiere, bin ich voll da. Es ist das, was ich am liebsten mache, jeden Tag und bis nach Mitternacht – wenn das möglich wäre.»
Seit Monatsbeginn ist Keser in Besitz seines Barbier-Diploms, das gerahmt an der Wand hängt: Nicht weil er das Handwerk erst hätte lernen müssen, sondern weil er keine halben Sachen macht. «Ich kann es nicht erklären, aber ich habe das Rasieren einfach im Blut.»
Das wohlig-warme Tuch hebt sich, das Gesicht wird mit Rasierschaum eingepinselt, und da ist es – das Messer. An meinem Hals. Unschöne Szenen spielen sich vor dem inneren Auge ab: klirrende Klingen, klaffende Kehlen. Keser kennt den Grusel und lacht – aber erst nach der Rasur.
Denn jetzt zieht er vorsichtig die Haut über meinem Kehlkopf zur Seite. Ich höre das Schaben der Klinge mehr, als dass ich sie spüre. Und das wars auch schon!
Eine Creme für alles
Es folgt ein ähnliches Prozedere wie zu Beginn, aber in umgekehrter Reihenfolge: ein Aftershave, eine Creme gegen Hautirritationen, wieder ein Tuch – diesmal kalt, um die Poren zu schliessen. Ein Peeling, ein Bartöl, fertig. In einer halben Stunde ist mein Gesicht mit so vielen verschiedenen Kosmetika in Berührung gekommen, wie sonst in einem ganzen Jahr nicht.
Andererseits: Wann hat sich mein Hals zuletzt so glatt angefühlt?
Normalerweise verlaufe die Behandlung ganz ruhig, erklärt Keser, ohne viel Gerede. Der Barbier möchte weder sich selbst, noch sein Handwerk in den Vordergrund stellen. Es geht ihm vielmehr um das Ritual und die Zeit, die man in seinem Laden verbringt: «Die Leute sollen sich hier fallen lassen können.»
Das spricht Kunden aller Altersklassen und Schichten an, von Rechtsanwälten bis Studenten. «Bärte kommen nie aus der Mode», erklärt der Barbier, «weil sie keine Mode sind: Entweder man hat einen, oder man nimmt sich Zeit für die Rasur.»
Ein halbes Jahr lang wird Onur Keser jetzt in seinem Barbershop Bärte trimmen, ölen und wachsen. Dann will er ein erstes Fazit ziehen und entscheiden, ob er die Arbeit allein bewältigen kann, oder ob es zusätzliche Hilfe braucht. Doch das ist Zukunftsmusik. «Im Moment bin ich einfach da und weiss, was ich tue. Das schätzen meine Kunden.»
Stimmt, denke ich, während ich meinen Hals betaste. Nächstes Mal bestelle ich die Vollrasur.
B’Art, Ahornstrasse 11, Basel. Öffnungszeiten: Mo–Fr, 10 bis 18 Uhr; Sa, 10–17 Uhr. Anmeldung für Termine: 079 637 88 88.