Sie haben wenig Schlaf, aber viel Spass: Lara Stoll, Cyrill Oberholzer und Dominik Wolfinger stellen gerade die zweite Staffel von «Bild mit Ton» fertig. Die TV-Satire ist das abgefahrenste, was man hierzulande im TV zu sehen bekommt. Was sie dazu bewogen hat – und wie es weitergeht, offenbaren die drei Macher im Interview.
Das Konzept der Sendung ist so einfach, wie es der Titel vermuten lässt: Man nehme Bilder, namentlich alte Kinofilme, bei denen das Copyright vergessen ging und vermische sie mit Ton. Das heisst, die originalen Tonspuren der Filme werden herausgelöscht und neu synchronisiert. Dazu werden eigene abgedrehte Szenen mit dem Originalfilm vermischt und in den Plot eingebunden. Das Resultat ist eine wilde Collage, genauer gesagt: «Bild mit Ton».
Die Macher dahinter sind Studierende an der Zürcher Hochschule der Künste. Dazu gehört auch Lara Stoll. Die 27-Jährige hat in der Schweizer Poetry-Slam-Szene grosse Spuren hinterlassen, zählt zur «goldenen» Schweizer Slam-Generation, der auch Gabriel Vetter, Laurin Buser oder Hazel Brugger angehören, die alle bereits ihr Tätigkeitsgebiet erweitert haben (wir berichteten hier und hier und hier und hier).
Der im Slam angesagte spitze Humor bestimmt auch in Lara Stolls Filmschaffen den Tonfall. Dieser Altlast mag sie sich bei «Bild mit Ton» nicht ganz entledigen, Selbstironie gehört zum bestimmenden Stilmittel. Das Format verlange danach, sagt sie: «Man kann sich nicht über andere lustig machen, ohne auch sich selbst lächerlich zu machen. Das wäre unglaubwürdig.»
Wer sind die Macher von Bild mit Ton?
Aber «Bild mit Ton» ist mehr als nur ironisch. Die Zusammenführung von sich fremden Bild- und Tonsequenzen ergibt eine kunstvolle Absurdität, lässt einen laut herauslachen – oder an der Zurechnungsfähigkeit der Macher zweifeln. Wer also sind diese Leute?
Besuch in Lara Stolls kleiner Wohnung in der Nähe der Zürcher Langstrasse. Sie, Cyrill Oberholzer und Dominik Wolfinger empfangen uns. Unter ihren Augen: starke Ringe. Unermüdlich arbeiten sie an der Synchronisation der nächsten Folge, die jeden Montag auf SSF ausgestrahlt wird. Die Wohnung ist zugleich Tonstudio, Requisitenkammer und Gummizelle: Hier entstehen die absurden Ideen hinter «Bild mit Ton». Es gibt Kaffee und Zigaretten.
Die erste Staffel war ein bunt gemischtes Allerlei, in der neuen hat jede Folge einen einigermassen stringenten Plot. Warum der Richtungswechsel?
Stoll: Der Aufwand für die erste Staffel war immens; wir mussten jede Szene selber abdrehen. Das Format hat uns zudem gelangweilt, wir wollten etwas anderes machen. Und dann kam Cyrill mit der Idee, alte Filme zu synchronisieren. Was allerdings immer noch ein riesiger Aufwand ist, wie wir erfahren mussten.
Lara Stolls Wohnung ist Tonstudio, Requisitenkammer und Gummizelle zugleich kurz: hier wird Bild mit Ton produziert. (Bild: Daniel Faulhaber)
Was auch neu ist: die Geschichten drehen sich oft um Politiker oder andere bekannte Persönlichkeiten. Wollen Sie sich damit mehr Gewicht verleihen und von der unverfänglichen Blödelei Abschied nehmen?
Oberholzer: Wenn wir die Figuren im Film mit realen Namen versehen, dann fällt dem Zuschauer das Assoziieren leichter. Ein Kung-Fu-Kämpfer nimmt im Film an einem Turnier teil, bei uns ist das Ueli Maurer am ultratoleranten Schwingfest. Situationen lassen sich leichter ins Absurde überführen, wenn sie einen realen Gehalt haben.
Wolfinger: Das macht die Story aber noch nicht politisch, im Gegenteil. Wir nehmen zwar reale Personen, entfremden die dann aber komplett von ihrer wahren Existenz. Die Assoziationen, die das erweckt, die sind vielleicht politisch.
«Situationen lassen sich leichter ins Absurde überführen, wenn sie einen realen Gehalt haben.»
Sie arbeiten seit beinahe einem Jahr an dieser Staffel. Das ist viel Aufwand für unpolitischen Nonsense, was wollen Sie denn bei den Zuschauern erreichen? Haben Sie eine konkrete Absicht?
Wolfinger: Natürlich wollen wir die Grenzen des Sagbaren überstrapazieren. Wir machen Dinge, die sonst im Schweizer Fernsehen nie ausgestrahlt würden. Dabei wollen wir auch die Sehgewohnheiten der Zuschauer unterwandern, indem wir zum Beispiel andere Sendeformate parodieren. Die Zuschauer sollen sich fragen, ob sie das, was sie sehen, gut finden und wenn ja, warum.
Oberholzer: Viele Leute gammeln einfach nur vor dem Fernseher und haben nichts zu beanstanden. Man muss das Gezeigte nur leicht zuspitzen, schon finden sie es aber schlecht. Wenn sich die Leute bei uns fragen, was sie da eigentlich gerade gesehen haben, dann wäre schon viel erreicht.
Dazu hätten Sie auch eine sittsame Sendung nach allen Regeln des Anstands machen können. Warum muss es eine Satiresendung sein?
Stoll: Wir sind doch einfach Beobachter der Gesellschaft…
Oberholzer: … nein, wir sind ein Produkt der Gesellschaft.
Stoll: Ja, von mir aus. Wir zeigen eigentlich einfach, was passiert und filtern einiges raus. Dann sind wir schnell bei diesem Format.
Der aktuelle Trailer, mit einem Superman und einem Hasen.
Lara, ist dieses Projekt für Sie ein Schritt in Richtung Filmkarriere?
Stoll: Ich studiere immerhin Film und Regie an der ZHdK, werde sicher weitere Projekte in die Richtung machen. Aber nicht in nächster Zeit. Mit dem Slammen verdiene ich mein Geld, das mache ich immer noch. Und ich will Musik machen.
Viele Kolleginnen und Kollegen aus der Slamszene haben mittlerweile eigene Projekte lanciert. Spüren Sie da einen Druck, mithalten zu müssen?
Stoll: Viele sind lange dabei, da ist es normal, dass man etwas anderes machen will. Wir unterstützen uns gegenseitig, einige Slammer waren auch schon hier und haben Szenen für uns gesprochen.
«Wir haben Thurnheer gefragt und er hat ja gesagt.»
Nach den letzten drei Folgen «Bild mit Ton»: Gibt es Pläne für später? Ist eine dritte Staffel geplant, hat das SRF schon angeklopft?
Wolfinger: Wir wollen erst einmal unser Studium abschliessen. Für eine dritte Staffel fehlt uns das Geld, die Zeit und vor allem die Nerven. Ich denke nach diesem Projekt macht jeder erst mal wieder sein eigenes Ding. Das soll nicht heissen, dass wir uns auf die Nerven gehen.
Stoll: Ich gründe eine Punkrock Band.
Nach dem Gespräch wird der Journalist gleich noch in die Produktion eingebunden. Einem aggressiven Wächter und einem Höhlenmenschen fehlt für die nächste Folge noch die Stimme. Beni Thurnheer synchronisiert übrigens ebenfalls eine Sequenz, er ist Moderator der kommenden Sendung «Anarchie beim Sonntagsjass». Wie sie ihn ins Boot bekommen haben, wollen wir wissen. Die Anwort ist einfach: «Wir haben ihn gefragt und er hat ja gesagt.»
Anarchie beim Sonntagsjass. Das wollte sich Beni Thurnheer nicht entgehen lassen.
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Alle Folgen von Bild mit Ton sind online hier einsehbar. Ausser den genannten Personen haben noch Pia Meier (Produktionsleitung) und Benoit Barraud (Tonmeister) bei der Produktion von Bild mit Ton mitgewirkt.