Drei lange Tage haben die beiden Würstli gebrätelt und zugehört, immer nur zugehört, den alten Sportstars ebenso wie den ergrauten Gigolos. Jetzt reden sie. Exklusiv in der TagesWoche: die beiden Wurstmannen von der Stöckli-Bar.
Dumm sind sie ja nicht. Markus, der eine Mann am Grill, ist Journalist (was noch nichts heissen will) und Jurist (das hingegen ist doch schon mal was). Der andere, der Raphael, ist Kommunikationsfachmann. Und weil die beiden so schlaue Würstchen, pardon: Bürstchen, sind, wissen sie auch, dass das ganze Drumrum sehr viel wichtiger ist als der manchmal ganz leicht angekohlte Inhalt. Darum arbeiten sie auch nicht einfach an einem Wurststand, sondern in einem Kompetenzzentrum für Wurstwaren (und andere Schweinereien).
«Wir bieten einen Rundum-Wohlfühl-Service mit Wurst, Senf, Brötchen und auf Wunsch auch Bier oder einem anderen Getränk an», sagt Raphael (29) und Markus (29) ergänzt: «Es ist das perfekte Angebot, das wir aber auch nur dank unseres Backoffices leisten können, das ebenfalls perfekt organisiert ist. Das musst du unbedingt schreiben!» (Gibt wohl einen satten Bonus.)
So leiden unsere Helden
Trotz all der schönen Worte bringt allerdings auch die Arbeit im Kompetenzzentrum ein paar Nachteile mit sich. Geschmackliche zum Beispiel. Wenn Raphael zum Beispiel nach 14, 15 harten Stunden am Grill völlig fertig und fettig nach Hause geht, wird er dort nur vordergründig nett empfangen: «Ah schön», heisst es dann: «Das Würstli ist wieder da.» Ähnlich traurige Erfahrungen muss auch Markus machen. «Das Schlimmste ist, dass man den Geruch nicht mehr losbekommt. Man wird selbst zur Wurst.»
Am Montag und Dienstag haben übrigens auch die beiden immer wieder das eine oder andere Würstli gegessen. «Heute nehmen wir uns aber schon eher etwas zurück», sagt Markus und Raphael: «Auch aus Rücksicht auf die Verdauung.»
Anderes Thema. Die vielen Stars zum Beispiel, die sich von Raphael und Markus verwöhnen lassen (um in ihrer Diktion zu bleiben). Einmal kam zum Beispiel so ein ganz gewaltiger Schlumpf daher, ein absolutes Riesending, so etwas, wie also er, der Markus, noch nie im Leben gesehen hat. Noch ehe er sich wieder einigermassen gefasst hat, nimmt der Schlumpf auch noch seine Schlumpflarve ab – und wereli-wer steht da leibhaftig vor ihm? Der Beni Huggel, so unglaublich gross, wie ihn also wirklich noch gar nie jemand gesehen hat. Der Beni!, ausgerechnet jetzt, im dümmsten Moment, nur noch ein paar Würstli auf dem Grill, eines, das man vielleicht besser schon ein, zwei Minuten vorher weggenommen hätte. Aber dafür ist es jetzt zu spät. Umso brennender die Frage: Was macht Beni jetzt? Wird er böse, so, wie früher zu seinen Gegnern auf dem Platz?
Politiker haben nur in Bern Spass mit Würsten
Iwo! Es ist unglaublich, aber Beni nimmt einfach das Würstli und isst es sogar auch noch. Total unkompliziert, der Beni, und total nett, erzählt Markus begeistert. Sowas erlebt man halt schon nur am Wurststand. (Oder in der Bellevue-Bar des Bundeshauses. Aber das ist eine andere Geschichte aus einem anderen Leben von Markus. Wir wollen hier keine Details verbreiten, nur soviel: Es ging um eine Nationalrätin und ein Paar Weisswürste. Wer das live erlebt hat, der wird dieses Bild in seinem Leben nie mehr vergessen. Brrr.)
Nach Beni seien dann auch noch all die anderen grossen Stars aus der Welt des Sports ins Kompetenzzentrum gekommen, sagt Markus. Der Scotty zum Beispiel. Oder der René C. Jäggi, auch er sehr nett. Und, wenn ihn jetzt nicht ganz alles täuscht, seien auch noch viele andere Sportstars gekommen, nur an die Namen erinnere er sich grad nicht mehr so, sagt Raphael. Und Jurist Markus ergänzt: «Wir müssen ja sowieso auch die Privatsphäre unserer Kunden wahren. Das gilt selbstverständlich auch für die prominenten.»
Wurst-und Brot-Philosophie
Nächstes Jahr wollen die beiden schlauen Verkäufer nun auch noch neue Kundensegmente erschliessen. «Alle grossen Sportler hatten wir schon, jetzt wollen wir auch noch die Politiker», sagt Raphael. Dieses Jahr hätten sie speziell für die FCB-Fussballer die Bebbi-Wurst entwickelt. Nun wird die gleiche Schweinswurst im nächsten Jahr möglicherweise als Wurst-Politiker verkauft.
Bei allem Fortschritt: Wichtig ist den beiden Wurstmännern, dass sie ihre Stammkundschaft nicht verlieren. Das sind zum Beispiel: alternde Gigolos, die bei einer ersten Wurst, erzählen, wie sie wieder einmal ein wirklich nettes Kätzchen entdeckt hätten, hehe. Dann, bei der nächsten Wurst, dass sie nun ganz, ganz nah dran seien an dem Kätzchen, das dann aber etwas später, bei der dritten Wurst, schon wieder eine dumme Kuh ist. Aber egal, schliesslich haben auch andere Mütter schöne Töchter hehehe und so weiter und so fort. «Mit 70 scheint der Mann vom Verhalten her wieder zum Töfflibueb zu werden», doziert Raphael, der studierte Soziologe. Und Markus fügt anerkennend an: «Es ist schon bewundernswert, was ein Mann alles aushalten kann – an Wurst und Bier wie an Rückweisungen.»
Dann gibt es auch noch die anderen Szenen vor dem Kompetenzzentrum. Ganz und gar unlustige. Betrunkene, die nicht mehr stehen können, andere beschimpfen und auch mal zuschlagen. Gopfertammi gib mir einen Shot und zwar gratis, ich hab schon genug Geld an der Fasnacht liegen lassen – solche Sachen müssen sich auch unsere beiden wackeren Mannen immer wieder anhören. Tätlich angegriffen wurden sie bis jetzt aber noch nicht. «Zum Glück sind wir gut bewaffnet – mit Messer und Grillzange», sagt Markus. Mehr möchte er zu diesem Thema nicht mehr sagen. Zu belastend ist offenbar, was er in den angeblich drey scheenschte Dääg ansehen musste. «Es ist eben leider schon so, dass ab acht Uhr abends alle betrunken sind», sagt Raphael. Dann muss er zurück ins Kompetenzzentrum. Eine Wurst drehen. Und Shots ausschenken. Dann die nächste Wurst, immer weiter, stundenlang, bis am Donnerstagmorgen um vier Uhr.
Dann werden unsere beiden Helden zurückkehren, heim – als Wurst. E Guete!