Big Brother aus dem Weltall

Mit dem Kauf eines Satelliten-Start-ups strebt Google die Verknüpfung von Online und Offline an.

Mit dem Kauf des Satelliten-Start-ups Skybox erreicht das Google-Imperium eine neue Dimension: Der Konzern will die ganze Welt von oben sehen und könnte uns bald auch offline über die Schulter schauen.

Mit einem Marktanteil von 90 Prozent ist Google die weltweit führende Suchmaschine. Google weiss, was wir suchen, und kann entsprechend seine Algorithmen optimieren. Mit personalisierter Online-Werbung verdient Google Milliarden. Doch das Geschäft im Netz ist dem Internetgiganten nicht genug. Mit der Übernahme des Satelliten-Start-ups Skybox Imaging will der Konzern aus Kalifornien sein Imperium auch aufs Weltall ausdehnen. 

Sogenannte Low-Cost-Satelliten erleben derzeit einen beispiellosen Boom. Während Satellitenprojekte noch vor ein paar Jahren Milliarden Dollar verschlangen, können Satelliten mittlerweile für ein paar Hunderttausend Dollar in den Orbit geschickt werden – dank modernster Technik. Im Gegensatz zu den Ungetümen früherer Zeiten sind die kühlschrankgrossen Satelliten der neuen Generation nur ein paar Hundert Kilo schwer.

Das amerikanische Unternehmen Planet Labs plant, bis Mitte 2015 131 Satelliten ins Weltall zu schiessen. Skybox schickte im November einen Satelliten ins All, der in der Lage ist, Videos von 90 Sekunden Länge mit 30 Frames pro Sekunde auf die Erde zu senden. Google war das Start-up eine halbe Milliarde Dollar wert. Mit dem Einsatz von Mikrosatelliten könnte Google Einblicke in unser tägliches Leben bekommen – selbst wenn wir Google gar nicht nutzen. 

Ohne staatliche Erlaubnis dürfen Satelliten nicht ins Weltall geschossen werden. Doch wie Skybox-Chef Tom Ingersoll dem Magazin «Wired» berichtete, soll auch die US-Regierung Interesse an seinem Unternehmen bekundet haben. Die Nachrichtendienste und Google verfolgen ähnliche Ziele. Und kooperieren. Wie im Zuge der Spähaffäre bekannt wurde, hatte die NSA Zugriff auf Googlemail-Konten. Und womöglich bald auch auf Luftaufnahmen.

Timothy Edgar, von 2006 bis 2009 zuständig für Bürgerrechte beim Director of National Intelligence, dem Chef der US-Nachrichtendienste, erinnert sich: «Wir sollten die Privatsphäre-Problematik eines Gesetzentwurfs der Bush-Administration nach dem 11. September bearbeiten, der die Nutzung von Satellitenbildern auf die innere Sicherheit ausweiten wollte. Wir konnten diese Vorbehalte zum Teil ansprechen, indem wir auf strenge Datenschutzrichtlinien für die Sammlung und Nutzung informationeller Daten hinwiesen. Doch als privates Unternehmen unterliegt Google nicht denselben strengen Regeln. Deshalb stellt die Nutzung von detaillierten Satellitenbildern deutlich mehr Risiken für die Privatsphäre dar.»

Auflösung von einem halben Meter

Die übergeordnete Frage ist: Wer kontrolliert eigentlich den Weltraum? 1000 Satelliten kreisen im Weltall umher. Und es werden immer mehr. Das Weltraumrecht als Teilgebiet des Völkerrechts ist kaum geregelt, das letzte Abkommen stammt aus dem Jahr 1967. Einigkeit besteht nur darüber, dass der Weltraum Nichtstaatsgebiet ist. Das heisst: Jeder Staat kann dort tun und lassen, was er will. Und transnationale Konzerne erst recht. 

Der Satellitenexperte Craig Underwood, Direktor des Surrey Space Centre in Grossbritannien, sagt im Gespräch: «Ich bin sicher, dass Google Bilder mit der grösstmöglichen Auflösung schiessen will. Die einzigen Restriktionen, die dem Unternehmen auferlegt sind, sind militärische Vorbehalte und die Gesetze der Physik.» Im Moment seien Aufnahmen mit einer Auflösung von einem halben Meter technisch möglich. Die USA haben gerade erst die Erlaubnis für die zivile Nutzung auf 35 Quadratzentimeter reduziert.

Die eigentliche Gefahr liege in der Nutzung von Drohnen, sagt Satellitenexperte Craig Underwood.

Trotzdem glaubt Surrey, dass davon keine Gefahr für die Privatsphäre ausgehe: «Bei solchen Auflösungen können Autos zwar gesehen, aber nicht identifiziert werden. Die Menschen haben falsche, von Hollywood genährte Vorstellungen über die Leistungsfähigkeit der Luftaufnahmen, etwa dass Satelliten hereinzoomen können und Kennzeichen oder Zeitungen lesen könnten. Selbst das Teleskop Hubble erreichte, wenn man es auf die Erde richten würde, nur eine Auflösung von rund 15 Quadratzentimetern.»

Die eigentliche Gefahr liege in der Nutzung von Drohnen. Google kaufte jüngst den Solardrohnenhersteller Titan Aerospace. Die Drohnen, die eigentlich kleine Satelliten sind, sollen in rund 19 Kilometern Höhe Luftaufnahmen machen. «Diese Art von Bildern hat eine viel höhere Auflösung», bestätigt Underwood. Google könnte künftig also nicht nur wissen, was wir im Internet suchen und schreiben, sondern auch, was wir im Garten lesen. 

Nächster Artikel