Jugendhaus zu, Hallenbad zu – und warum nicht gleich auch noch das Freibad schliessen? Der Binninger Gemeinderat will radikal sparen. Doch der Widerstand ist gross. Stark umstritten ist auch die Tiefsteuerpolitik der Bürgerlichen.
Glückliches Binningen! Die Gemeinde ist der Ort, an dem die Reichen und Schönen und Erfolgreichen wohnen.
Gut, der Gemeinderat warnte schon seit Jahren, dass das Geld auch hier einmal knapp werden könnte. Doch wer nahm das schon ernst, bei einem durchschnittlichen steuerbaren Einkommen von 89’000 Franken? Die bürgerliche Mehrheit im Einwohnerrat jedenfalls nicht. Sie lehnte den Antrag auf Steuererhöhungen in den vergangenen Jahren mehrfach ab.
Dann die Nachricht, die für das scheinbar so glückliche Binningen ein Schock ist: Mitte Mai kündigte der Gemeinderat eine «Haushaltsüberprüfung» an, wie es offiziell heisst. Vielleicht müsste man bei 116 «Massnahmen» im Umfang von 2,9 Millionen Franken aber eher von einem «radikalen Sparprogramm» reden. Oder einer «Bankrotterklärung», wie es ein Leserbriefschreiber im «Binninger Anzeiger» tut (ja, die Zeitung existiert tatsächlich noch, doch auch sie könnte bald einmal ein Sparopfer werden).
Proteste vor der Einwohnerratssitzung
Einen anderen Ausweg sieht der Gemeinderat nach ersten Millionendefiziten 2012 und 2013 aber nicht mehr, wie Gemeindepräsident Mike Keller (FDP) vor der Einwohnerratssitzung klarstellt. Das Binninger Parlament wird am kommenden Montag ein erstes Mal über die Sparvorschläge beraten.
Es dürfte einen turbulenten Abend geben. Umstritten ist vor allem die angekündigte Schliessung des Jugendhauses und des Hallenbades Spiegelfeld. Eher so nebenbei will der Gemeinderat auch die Beiträge ans frisch sanierte Bottminger Freibad streichen, was auch für diese Leimentaler Institution das Ende bedeuten könnte. In der ganzen Aufregung um das Binninger Bad geht das allerdings schon fast unter.
Die Welle der Empörung wird am Montag wohl auch über den Einwohnerrat schwappen, wenn die Jugendlichen aufmarschieren, die eine Petition zur Rettung des Jugendhauses lanciert und innert Kürze mehrere hundert Unterschriften gesammelt haben. Daneben werden auch «Badegäste und Restaurantbesucher» erwartet, die gemäss einem Aufruf des Restaurant Spiegelfeld Teams am Montagabend mit «Transparenten, Bademänteln, Bikinis, Flossen und Schwimmflügeli» zur Sitzung erscheinen sollen, um dafür zu sorgen, dass der Gemeinderat mit seinen Sparplänen untergeht.
SP legt sich quer
Politisch werden die Widerständischen hauptsächlich vom links-grünen Lager unterstützt. Die SP hat am Freitag eine Mitteilung verschickt, in dem die Partei einen Verzicht auf sämtliche Massnahmen fordert, die «auf Kosten unserer Jugend, des Sports, der Binninger Vereine und der Kultur» gingen und damit der «der Standortattraktivität der Gemeinde … massiven Schaden» zufügten (die Mitteilung ist auf der Rückseite dieses Artikels zu finden). Nicht in Frage kommt für die SP neben der Schliessung des Jugendhauses und des Hallenbades damit unter anderem auch der angestrebte Verkauf der Ferienheime Wisli und Adelboden.
Dafür fordert die SP eine Steuererhöhung – und zwar bereits für die laufende Steuerperiode um drei Prozent. Eine Forderung, welche die Bürgerlichen bei er Budgetdebatte Ende 2013 noch abgelehnt hatten. Nun erinnert die SP die Bürgerlichen aber an ein altes Versprechen. 2005, bei der letzten, von der FDP und SVP erzwungenen Steuersenkung, versicherten dieses Parteien, dass sie – falls nötig – immer bereit sein würden, die Steuern wieder anzuheben.
Bis jetzt war das nach Ansicht der Bürgerlichen aber offenbar noch nicht der Fall. Und für die Zukunft möchten sie sich auch noch nicht festlegen. In einer Stellungnahme setzt sich die FDP jedenfalls für Alles ein (und damit für nichts Wirkliches): für eine «moderate Steuerbelastung», für die «Vermeidung einer Schuldenwirtschaft» und für die «Weiterführung eines hochwertigen Service Public».
Abschliessende Entscheide sind unter diesen Voraussetzung am Montagabend nicht zu erwarten. Aber eine erste Wasserstandsmeldung wahrscheinlich schon, die zeigt, ob die Badefreunde und all die anderen möglichen Sparopfer bald auf dem Trockenen sitzen oder nicht.
Binningen hat einen Steuerfuss von 46 Prozent der Staatssteuer, noch tiefer sind im Kanton nur Bottmingen (42 Prozent), Arlesheim und Pfeffingen (beide 45 Prozent), der Durchschnitt im Bezirk Arlesheim liegt bei 52,5 Prozent, im ganzen Baselbiet bei 58,9 Prozent. Im Jahr 2003 lag er auch in Binningen noch bei 51 Prozent, danach wurde der Satz in zwei Schritten auf den jetzigen Stand gesenkt. Im Bezirk Arlesheim ist die Steuerbelastung seit 2003 generell gesunken – im Durchschnitt um rund 1,3 Prozent, wobei sich Binningen gerne an der Nachbargemeinde Bottmingen orientiert. Dort wurde der Steuerfuss in den vergangenen elf Jahren um 10 Prozent gestutzt.
Binningen ist längst nicht die einzige Unterbaselbieter Gemeinde, die in finanzielle Probleme geraten ist. Auch Allschwil und Reinach müssen – trotz markant höheren Steueransätzen – einschneidende Sparpakete schnüren. Das liegt unter anderem auch an der zunehmenden Alterung der Bevölkerung (die Rentner zahlen in der Regel weniger Steuern) und den hohen Finanzausgleichzahlungen, welche die Unterbaselbieter Gemeinden mit den guten Steuerzahlern in die vergleichsweise weniger finanzkräftigen Gemeinden im Oberbaselbiet und Laufental leisten müssen.