Seine Werke malt er mit Tinte von Tieren und Saft von Bäumen: Der Künstler Oliver Minder bringt mit seiner ersten grossen Einzelausstellung viel Natur in das Kunsthaus Baselland.
Tausende Tintenfische mussten für die Kunst von Oliver Minder schon von ihrem schwarzen Fluchthelfer hergeben. Bis zu 13 Liter Sepia-Sekret braucht es für nur eine der grossflächigen Arbeiten seiner Ausstellung «High-End-Natural». Er muss dick auftragen, damit sich beim Austrocknen auf der Leinwand die gewünschten Salzkristalle bilden. Die verleihen der tief schwarzen Oberfläche Struktur und werfen interessante Lichtreflexe.
In seinem Muttenzer Atelier riecht es deshalb nach Fischmarkt am Meer. Von einem Fischgrosshändler bezieht Minder auch die Tinte. «Zum Gück habe ich dort diese Halbliter-Gläser gefunden» sagt der 34-Jährige. Für meine erste grosse Sepia-Arbeit drückte ich die Farbe aus Hunderten kleiner Beutel, welche man in den Läden findet, um den Reis zu schwärzen.»
Kein Schwarzmaler
Schwarz sind auch die Kuhfelle, deren Rückenscheitel horizontal, vertikal und diagonal durch quadratische Rahmen laufen. Auch bei dieser Arbeit überrascht das Lichtspiel der Fellstrukturen.
Naturmaterialien inspirierten Minder schon während seinem Kunststudium: «Ich will die Materialien möglichst unverfälscht zeigen und stecke nur innerhalb einer naturgegebenen Grenze, wie der Fellgrösse, den Rahmen ab. Der Mensch dagegen versucht, die Natur in seine eigenen Schemen und Vorstellungen zu zwängen. So züchtet er zur Milchgewinnung gar Kühe, die vor lauter Euter nicht mehr laufen können.»
Minders neuste Werke sind mit transparentem Birkensaft auf weisse Leinwand gemalte Schriftzüge von Black-Metal-Bands.
Obwohl auch die Sepia-Tinte, die das Tier bei Bedrohung ausstösst, als Metapher verstanden werden kann, ist Minder kein Öko-Aktivist. «Meine Kunst kann durchaus eine politische Komponente haben. Das ist aber nicht zwingend.» Schwarz ist auch nicht dogmatisch seine Farbe: «Ich mag einfach deren natürliche Autorität. Durch ihre Klarheit wird der Betrachter am wenigsten von der Struktur abgelenkt.»
Seine neusten Werke sind denn auch mit transparentem Birkensaft auf weisse Leinwand gemalte Schriftzüge von Black-Metal-Bands. Die Idee dazu stammt aus Finnland, wo die Leute auf die gesunde Kraft des Birkensafts schwören, und die Bäume mit einem Akkubohrer gleich selbst anzapfen.
Nicht nur Saftsammler, auch Black-Metaller stapfen in ihren Videoclips gerne durch die Birkenwälder – einfach mit Stachelnieten auf dem Leder statt Bohrer in der Hand. Minder malt sie nun im Blut der Bäume.
Die kryptisch verästelten Bandlogos sind schon im schwarzen Original kaum entzifferbar, nun hängen sie als deren kaum wahrnehmbare weisse Negative an der Wand. So potenziert Minder die Gesellschaft und Gott verachtende Haltung dieser abgeschotteten Subkultur, welche dafür umso mehr von der Kraft der Natur schwärmt.
Kunst statt Koch
Musik – nicht unbedingt Black Metal, harte Gitarrenmusik aber sehr wohl – spielt eine zentrale Rolle in Minders Leben. «Am liebsten wäre ich eigentlich Musiker geworden, doch fehlt mir dazu jegliches Talent», sagt er. So versuchte er erst seine Kreativität als Koch auszuleben, bis hoch zur Sterne-Küche.
Doch fand er weder Gefallen daran noch Erfüllung darin: «Bist du nicht der Chef, spulst du auch dort nur ein stressiges Programm ab, und der Umgang untereinander ist beschissen.»
Er suchte weiter nach einer Art, auszudrücken, was ihn beschäftigt, und landete schlussendlich bei der Kunst. 2009 schloss er an der HGK Basel sein Studium ab und verkaufte gleich bei seiner Ausstellungs-Permiere in der Galerie Tony Wüthrich sein erstes grosses Sepia-Werk. Doch auf die Anfangseuphorie folgte eine grosse Pause. «Willst du in der Kunstwelt wahrgenommen werden, musst du lange kämpfen und konstant deinen Weg gehen. Folgst du Trends, verlierst du deine Authentizität.»
Finnisches Temperament
Sein Weg führte Minder im Januar 2011 über das Internationale Austausch- und Atelierprogramm Region Basel (IAAB) nach Helsinki. «Es war ein harter, für mich unvorstellbar kalter Winter. Doch obwohl mir meine Familie und Freunde fehlten, machte mich die melancholische Stimmung nicht depressiv, sondern kreativ.» So sammelte er etwa Eisblöcke von der Strasse, liess diese auf einer Leinwand schmelzen und hielt den übriggebliebenen Dreck unter Lack fest.
Auch sonst waren die kalten Monate durchaus befruchtend, fand er dort doch Nestwärme bei seiner heutigen Frau. Nachdem sie nun auch Mutter seines Sohnes ist, lebt die junge Familie im Gundeli, wo Minder auch aufgewachsen ist.
«Die besten Kunstideen kommen mir im ganz normalen Alltag.»
«Da meine Frau bereits Deutsch sprach, fiel es ihr leicht, sich hier einzuleben und es gefällt ihr sehr gut. Zudem ist Basel als Kunststandort definitiv besser als Helsinki», erklärt Minder pragmatisch, bevor er hinzufügt: «Mir persönlich passt die zurückgezogene Mentalität der Finnen eigentlich fast mehr.»
Das Temperament lebt er nun auch hier immer mehr. Ein paar Jahre vor seinem Helsinki-Aufenthalt lockte der ehemalige Skater die Nachtschwärmer der Stadt in seinen halblegalen «Freiraum» hinter dem Bahnhof SBB. Dort gab es günstiges Bier, gute Musik und sporadisch sogar Konzerte sowie Kinoabende, und Minder stellte gemeinsam mit anderen Künstlern seine ersten Werke aus. Heute trifft man ihn jedoch kaum mehr im Ausgang. «Am liebsten bin ich mittlerweile daheim. Nicht nur wegen der Familie: Die besten Kunstideen kommen mir im ganz normalen Alltag.»
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Vernissage «High-End-Natural», Donnerstag 22. Februar, 18.30 Uhr, Kunsthaus Baselland, Muttenz. Die Ausstellung dauert bis zum 12. April. Minder stellt seine Arbeiten im gesamten Erdgeschoss aus.