Mittwoch, kurz vor 10 Uhr. Ein schwarzer Audi, Typ A8L, hält am Aeschenplatz. Christoph Blocher steigt aus, betritt das Gebäude der «Basler Zeitung». Er und seine zwei Begleiter aus Zürich werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informieren, dass sie nun nicht mehr für ihn arbeiten, sondern für das Zürcher Verlagshaus Tamedia.
Pietro Supino, Verwaltungsratspräsident von Tamedia, sagt, man dürfe sich als Chefredaktor bewerben. Der bisherige Chefredaktor und Mitinhaber Markus Somm wird die BaZ spätestens im Oktober verlassen. Der oder die Neue würde idealerweise aus der Redaktion kommen, sagt Supino.
Es gehe um die Integration der Zeitung in den Mantelteil – das ist der nationale Teil der Zeitung, der künftig in Zürich produziert wird. Und auch darum, dass Inhalte aus Basel nach Zürich gelangten und umgekehrt. Dass die Zusammenlegung zu einem Stellenabbau führen könnte, erwähnt Supino nicht.
Nächste Station: Nobelhotel
Anders als 2011, als rauskam, dass sich Blocher an der Zeitung beteiligte, gab es innerhalb der Redaktion kein Geschrei, als Supino auftrat. So erzählen es BaZ-Mitarbeiter gegenüber der TagesWoche.
Vielmehr hätten die Mitarbeitenden Fragen gestellt, auf die sie nur unklare Antworten erhielten. Gibt es Entlassungen? Könne man noch nicht sagen, sagt Supino. Wird es eine ideologische Neupositionierung geben? Supino will auf Kontinuität setzen, genau könne er das aber noch nicht sagen. Holt Tamedia geschasste BaZ-Journalisten zurück? Keine Antwort.
Nächste Station des schwarzen Audi: Hotel Euler, Centralbahnplatz. Es gibt Salamischnittchen und Lachsbrötchen. Etwa zwei Dutzend Journalisten aus der ganzen Schweiz warten im Wienersaal des Nobelhotels. Weitere Journalisten in Bern und in der Westschweiz verfolgen die Medienkonferenz via Liveschaltung.
Neben Blocher nimmt auch Markus Somm Platz, der an diesem Mittag viel lächelt und wenig spricht. Der noch amtierende BaZ-Chefredaktor ist so etwas wie die tragische Figur an dieser Medienkonferenz. Blocher hat für den Verkauf der BaZ – neben einem nicht offiziell bekannten Verkaufspreis – mehrere Lokalanzeiger in der Westschweiz und das «Tagblatt der Stadt Zürich» erhalten. Supino kriegt die lang ersehnte BaZ. Und Somm? Er verliert seine Zeitung und seinen Posten. Nach einer persönlichen Auszeit will er wieder schreiben. Für Tamedia. Für irgendeine Publikation.
«Basel hat eine eigene regionale Ausstrahlung und ist auch nicht schweizerisch. Die Stadt will nicht schweizerisch sein.»
Blocher beginnt mit seinen Ausführungen. Er spricht am längsten, hat Redebedarf. Wie der Basler Medienmarkt funktioniere, wie er die BaZ auf Erfolg getrimmt habe und dabei ein paar Leser verloren gingen. Das erzählt Blocher den Journalisten.
Seine Version vom Verkauf geht so: «Wir sind zum Schluss gekommen, dass es keine bessere Lösung gibt als den Verkauf an den Verlag – wie heisst er?» Blocher schaut zu Supino rüber und erinnert sich sogleich wieder an den Namen: «An den Verlag der Tamedia.»
Die Enttäuschung über Basel, wo Wählerinnen und Wähler heute noch etwas weniger SVP wählen als vor seinem Einstieg bei der BaZ, lässt Blocher durchscheinen, wenn er sagt: «Basel hat eine eigene regionale Ausstrahlung und ist auch nicht schweizerisch. Die Stadt will auch nicht schweizerisch sein.»
Einen «hohen Preis» bezahlt
Ob Tamedia nun die BaZ umpole, weg vom streng rechtskonservativen Kurs, wird Supino von einer Journalistin gefragt. Seine Antwort: «Ziel unserer Zeitungen ist nicht, Politik zu machen. Wir wollen auch keine Meinungen machen, sondern Menschen informieren und für sie Orientierung bieten, damit sie sich eine eigene Meinung machen können.» Die «Basler Zeitung» gefalle ihm derzeit sehr. Weiter will man sich nicht in die Karten blicken lassen.
Nach der offiziellen Fragerunde sagt Supino zur TagesWoche, Tamedia zahle «einen hohen Preis» für die BaZ. Lohnen würde sich das aber mit Sicherheit. Denn die Zeitung passe hervorragend ins eigene Portfolio.
Eineinhalb Stunden antwortet Blocher auf die immer gleichen Fragen und redet in die Mikrofone. Dann hat er genug. Blochers BaZ-Abenteuer endet hier, im Hotel Euler. Der schwarze Audi und mit ihm Blochers Chauffeur warten noch immer vor dem Hoteleingang. Um etwa 14.30 Uhr steigt Blocher ein, der schwarze Audi fährt über die Tramgleise auf die Nauenstrasse und verschwindet.
Viel Skepsis im Grossen Rat
Nicht nur am Aeschenplatz und am Bahnhof ist die BaZ Gesprächsthema Nummer eins. Im Rathaus, wo zur gleichen Zeit der Grosse Rat tagt, sprechen Politiker und Journalisten über den BaZ-Verkauf.
Während vorne über Parkplätze und Hundeleinen debattiert wird, sagt Beat Leuthardt von BastA!: «Die ‹Basler Zeitung› war ja nicht nur politisch rechtsnational, sondern hat auch minimalen Ansprüchen an die journalistische Sorgfaltspflicht nicht genügen können.» Bei bürgerlichen Verlagen wie Tamedia bleibe er aber skeptisch, da der Verlag zuletzt einige Stellen abbaute.
Auch der SP-Grossrat Christian von Wartburg sieht Tamedia in der Verantwortung. Zwar begrüsse er, dass die Zeitung nicht mehr in den Händen eines Christoph Blochers sei. «Ich empfinde es aber auch als problematisch, wie Tamedia mit der Gratiszeitung ‹20 Minuten› alle renommierten Verlage unter Druck setzt, um dann eine Zeitung nach der anderen aufzukaufen.»
«Die zweitwichtigste Wirtschaftsregion der Schweiz sollte eine unabhängige Stimme haben. Deshalb sehe ich einen Mantelteil kritisch.»
Für den SVP-Grossrat Joël Thuring ist der Verkauf hingegen «bedauerlich», weil Basel «eine eigenständige Zeitung verliert». Denn die BaZ sei bis dato kein SVP-Blatt gewesen, ergänzt Thüring.
Und Luca Urgese von der FDP sagt: «Die zweitwichtigste Wirtschaftsregion der Schweiz sollte eine unabhängige Stimme haben. Deshalb sehe ich es kritisch, wenn der Mantelteil der ‹Basler Zeitung› künftig aus Zürich kommt.»
Dass die Inhalte zur Bundespolitik immer mehr zentralisiert werden und nur noch wenige Redaktionen für immer mehr Lokalzeitungen schreiben, beschäftigt auch den Medienwissenschaftler Vinzenz Wyss: «Der BaZ-Verkauf bedeutet sicher einen Verlust an Medienvielfalt. Auch wenn die Beiträge in der BaZ in letzter Zeit erwartbar und deshalb auch etwas langweilig wurden, war es doch eine regionale Stimme, die in Zukunft auf nationaler Ebene fehlen wird.»
Für Wyss ist klar, dass Regionalzeitungen kaum Überlebenschancen haben, wenn sie wie die BaZ bisher bloss lose mit anderen Verlagen zusammenspannen. «Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis die BaZ in finanzielle Schwierigkeiten gerät und deshalb neue Optionen sucht.»