Verpackungsfreie Läden liegen voll im Trend. Aber Achtung: Den verbrauchsarmen Lebensstil gibts nicht umsonst. Eine Begegnung mit der Zero-Waste-Aktivistin Carole Schante.
Sie habe das erst lernen müssen, sagt Carole Schante, während der Kellner irritiert von dannen zieht. Kaum stand ihr Rooibos-Tee auf dem Tisch, hatte sie die beiden Zuckertütchen von der Untertasse gepflückt und zurück aufs Tablett gelegt. Sie habe lernen müssen Nein zu sagen, bevor es zu spät ist und der Plastik bei ihr liegenbleibt. Mittlerweile klappt es ganz gut mit dem Nein sagen.
Schante lehnt sich zufrieden zurück, der Einkauf war anstrengend, jetzt erst mal Tee trinken. Pur. Ohne Zucker.
Carole Schante, 32 Jahre alt, dunkelblonde Locken über eisblauen Augen, ist ziemlich angesagt. Nicht, dass sie das von sich selber behaupten würde, aber mit dem, was sie tut, trifft sie den Nerv der Zeit. Schante lebt, so gut es geht, nach dem Zero-Waste-Prinzip, das gerade mit ordentlich Rückenwind die urbanen Zonen der Schweiz erobert.
Zürich, Luzern, Basel: Überall eröffnen verpackungsfreie Läden, die französische Schweiz hat den Boom bereits vor zwei Jahren erlebt. «Den Leuten wird klar, dass es so nicht weitergeht mit dem Dauerverbrauch», sagt Schante. Aber warum ausgerechnet jetzt? Weiss sie auch nicht genau.
Früchte aus Costa Rica? Keine Chance
Schante lebt seit vier Jahren in Basel, sie folgte als top-ausgebildete Biotechnikerin dem Ruf eines hiesigen Pharmakonzerns. Für Verabredungen hat sie erst abends Zeit, wenn die kleinen Läden schon geschlossen und nur die Filialen der Grossverteiler noch offen sind. Ihr passt das nicht recht, wegen der Fotos. «Mein Gemüse kaufe ich sonst lieber auf dem Markt», sagt sie und hält trotzig die Karotten ins Bild. Als es dann zur Abwechslung eine Frucht sein soll, winkt sie ab. «Die kommt aus Costa Rica, lieber nicht.»
Gemüse kauft Schante normalerweise auf dem Markt ein. Aber auch beim Grossverteiler lässt sich Kohlrabi verpackungsfrei einkaufen. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Schon als Jugendliche in Strassburg lebte Schante umweltbewusst, trennte Glas, Alu und Plastik. Sie kaufte Gemüse auf dem Markt neben der Schule – ihre Klamotten aber shoppte sie samstags beim Billighändler. Teeniesünden. Trotzdem ein unangenehmes Thema, die Erinnerung daran scheint ihr fast physische Schmerzen zu bereiten, unruhig rutscht sie auf dem Stuhl hin und her.
Zurück zur Abfalltrennung. Die sei zwar besser als gar keine Kontrolle, aber zu einem gewissen Mass auch Augenwischerei. Denn die Masse weggeworfener Verpackungen bleibt immens, ganz zu schweigen von all den Pflegemitteln und Schminksachen, die sich im Verlauf eines samstäglichen Stadtbummels so anhäufen können.
«Ich benutze Bicarbonat als Deo. Kann man auch zum Putzen brauchen.»
Für Schante war damit Schluss, als sie Ende zwanzig war. Sie wurde vieler Dinge überdrüssig, spätestens seit sie Freunde mit dem Umweltnetzwerk «Euforia» bekannt machten. Es folgten Workshops mit Titeln wie «Impact» und eine Ausbildung zum «Changemaker».
Spätestens als Schante die Leitfigur der Zero-Waste-Bewegung, Bea Johnson, kennenlernte, spürte sie: «Das ist es!» Die damals 28-Jährige saugte all die Inputs wie ein Schwamm in sich auf, trennte das Machbare vom Utopischen und begann dann, Schritt für Schritt ihr Leben umzukrempeln.
Verzicht auf verpackte Produkte. Den Grünabfall in die Bioklappe. Duschgel, Shampoo und Seife wurden eins. Im Thai-Imbiss reicht sie in der Mittagspause ihre mitgebrachte Tupperware über die Theke und den Tee to go lässt sie sich seither in den eigenen Thermo-Becher abfüllen. «Und das», sie stellt ein Glas gefüllt mit weissem Pulver auf den Tisch, «ist mein Deo. Bicarbonat. Kann man auch zum Putzen brauchen.»
Interventionen gegen die Routine
Was macht das alles mit ihr? «Ich bin zielstrebiger geworden und mutiger», sagt Schante, denn «eigentlich bin ich ganz schön schüchtern.» Jetzt muss sie andauernd intervenieren und andere Leute in ihrer Routine stören. Kein Plastiksack um die Frucht, bitte, kein Zucker zum Kaffee, den Käse bitte hier rein, danke. An manchen Theken werden Dinge schneller eingepackt, als man Luft holen kann. Dann müssen die Sachen halt wieder raus.
Sie fühlt sich gesund, seit sie auf nachhaltige Nahrung achtet, hat mehr Zeit, seit sie bewusster lebt. Und sie möchte diese Erfahrung teilen.
Erste Zero-Waste-Treffen in Basel
Im Oktober 2016 lancierte sie das erste Zero-Waste-Treffen in Basel, 20 Leute kamen. Die meisten so um die 30, einige Expats waren dabei, eine ziemlich heterogene Truppe, sagt Schante. Es ging ums Kennenlernen und Austauschen: Wo kann man in Basel nach dem Zero-Waste-Prinzip einkaufen, welche Gefässe eignen sich zur längerfristigen Lagerung von Lebensmitteln?
Eine Teilnehmerin veranstaltete einen Furoshiki-Workshop, eine asiatische Packtechnik mit Stofftüchern. Jemand anders lud zum Do-it-yourself-Deo-Crashkurs. Beim nächsten Treffen am 26. Januar soll ein Signet lanciert werden, mit dem sich Zero-Waste-freundliche Take-aways kenntlich machen können. Ein Zero-Waste-Stadtführer Basel ist in Planung.
Schante ist keine Extremistin, die blöden Sprüche über «Umweltverbesserer» kennt sie trotzdem alle. Da steht sie drüber, wenn ihre Freunde sie mit aggressiv verpacktem Gemüse provozieren wollen, kann sie mit ihnen darüber lachen. Gibt es für sie eine rote Linie, einen materiellen Genuss, auf den sie nicht verzichten möchte? «Auf Schminke», sagt Schante: «Ich bin noch nicht so weit, mich mit Kakaopulver zu schminken wie Bea Johnson das tut.»
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Das nächste Treffen der Zero-Waste-Gruppe Basel findet am 26. Januar um 19.00 Uhr in der Markthalle statt. Interessierte sind willkommen.
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