Body Count: Frontalangriff auf die Gesellschaft

Das Debüt von Ice-Ts Gitarrenband Body Count begründete vor 25 Jahren nicht nur den Crossover von Hip-Hop und Hardcore. Für Polizisten und Politiker war «Cop Killer» der Zündfunken der Rassenunruhen in Los Angeles.

Der Saenger Ice-T tritt mit seiner Heavy-Metal-Crossover-Band "Body Count" im Volkshaus in Zuerich auf, aufgenommen im Februar 1990. (KEYSTONE/Niklaus Stauss)

(Bild: NIKLAUS STAUSS)

Das Debüt von Ice-Ts Gitarrenband Body Count begründete vor 25 Jahren nicht nur den Crossover von Hip-Hop und Hardcore. Für Polizisten und Politiker war «Cop Killer» der Zündfunken der Rassenunruhen in Los Angeles.

Einen Monat nach der Veröffentlichung des Albums «Cop Killer» zählte man in den Strassen von Los Angeles die Toten. 48 Männer, fünf Frauen, das war die traurige Bilanz, oder eben der Body Count, wie die Anzahl getöteter Feinde im Krieg genannt wird. Tatsächlich brauchte es die Armee, um die bürgerkriegsähnlichen Zustände während der Rassenunruhen zu stoppen.

Auslöser des Gewaltausbruchs war ein Gerichtsurteil vom 29. April 1992. Ein Geschworenengericht – ohne Afroamerikaner – hatte vier Polizisten freigesprochen, die den Farbigen Rodney King nach einer Verfolgungsjagd mit ihren Schlagstöcken fast zu Tode geprügelt hatten. Filmaufnahmen davon waren der viel zitierte Funken, der arme Quartiere wie South Central zum Explodieren brachte. Rassen- und Bandenkonflikte forderten hier fast täglich Opfer. Die rigorosen Polizeikräfte des LAPD galten bei den Bewohnern als Besatzer, nicht als Beschützer.

Ein obercooler Frontalangriff

Die Polizeiverbände selbst prangerten das «Cop Killer»-Album bald als Anstifter des Aufstandes an. Immerhin knallt Ice-T schon im Intro einen Officer über den Haufen, der seine höfliche Bitte um Hilfe fluchend abschmettert, weil sein Job nun Donut essen ist.

Diese 1, 2, 3 Schüsse zählen die musikalische Revolution des Albums ein: Gangsta-Rap meets Metal-Guitars: der Crossover war geboren. Run-D.M.C. hatten zwar schon mit Aerosmith «Walk this Way» gespielt, doch die Rock- und Rap-Parts waren klar getrennt nach Rasse. Hard Rock und Heavy Metal waren weiss. Black Metal? Das waren nationalistische Norweger wie Burzum, die im selben Jahr ihr Debütalbum veröffentlichten.

Ice-Ts Metalheadz waren aber «Motherfucking Niggaz», wie der Bandleader seine Musiker nebst vielen anderen Flüchen anpreist. Der Rapper selbst war bereits ein Star, der schon lange Gewalt, Drogen und Rassismus thematisierte. Mit Body Count waren seine Texte aber noch aggressiver, wütender.

Sein Frontalangriff auf die Gesellschaft traf auch hier den Nerv der Jugend. Doch war Body Count in Schweizer Jugendhäusern eher Konsens-Sound, da Metaller wie Hip-Hopper vereint zu «Body Count’s In The House» oder «There Goes The Neighborhood» hüpfen konnten. Texte wie «KKK Bitch» oder «Evil Dick» fand man einfach krass, also auch cool.

Die zynisch grobe, aber auch berechtigte Sozialkritik der Songs verstand man nicht. Waren bei uns Alter und Schulenglisch schuld, dürfte es bei der amerikanischen Politelite die anstehende Präsidentenwahl gewesen sein: George H.W. Bush gegen Bill Clinton mit Vize Al Gore, dessen Frau Tipper die «Parental Advisory»-Aufsicht verantwortete, die «Explicit Lyrics»-Sticker auf Alben mit krassen Texten klebte. Body Count war in der Schusslinie aller.

Ice-T konnte noch lange behaupten, dass «Cop Killer» eine Message für alle Misshandelten sei, aber sicher nicht wörtlich gemeint. Es half ihm auch nicht, dass er ein Jahr zuvor im Kinofilm «New Jack City» selbst einen Detective mimte (Ice-T soll ja über die Schauspielerei erst zum Rapper geworden sein). Body Count war der Bürgerschreck und trug für Polizisten wie auch für viele Politiker Schuld an den Unruhen in Los Angeles.

Boykott und Selbstzensur

Der Druck wurde für Label und Band zu gross. Radios und Plattenläden boykottierten das Album. Es wurde zurückgezogen und in einer entschärften Version als «Body Count» mit «Freedom of Speech» anstelle des «Cop Killer»-Songs neu herausgebracht.

Crossover blieb das musikalische Ding Anfang der Neunziger. Kaum eine angesagte Alternative oder Metal Band, die sich nicht für die Musik zum Gangsterfilm «Judgment Night» mit einem Hip-Hop-Act kreuzte. Body Count erreichte mit den Folgealben aber weder den Druck noch die Relevanz des Erstlings. Und die Band beklagte bald selbst drei Tote.

Am 31. März, auf den Tag 25 Jahre später, melden sich die beiden Überlebenden, Ice-T und Gitarrist Ernie C zurück mit «Bloodlust», dem inzwischen sechsten Studioalbum. Der Präsident ist dieses Mal bereits gewählt. Insofern ist die Zeit wohl überreif für Body Count.

Und so hört sich das Comeback an: Die Single «No Lives Matter» kam bereits im Februar heraus.

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