Bye, bye, Beyeler!

Heute Freitag, 1. Juni 2012, startet die Zwischenutzung auf drei Etagen in der ehemaligen Galerie Beyeler an der Bäumleingasse 9 in Basel. Dort kaufte und verkaufte Ernst Beyeler während 65 Jahren Kunst. Ab heute kann man im Designershop vom Kleinbasler Verein «Reh4» shoppen und im Innenhof Kaffee trinken, im 1. Stock temporär eine Wohnung, Büroplätze oder Ateliers mieten.

Zwischen der Freien Strasse und dem Münsterplatz entsteht eine neue Zwischennutzung. (Bild: Alexander Preobrajenski)

65 Jahre lang hat Ernst Beyeler an der Bäumleingasse 9 in Basel seine Kunstgalerie betrieben. Nach seinem Tod 2010 wurde die Galerie aufgelöst. Nun ermöglicht die Besitzerin Immobilien Basel-Stadt in der altehrwürdigen Stadtresidenz jetzt eine Zwischennutzung.

Wer durch dieses Anwesen schreitet, atmet Stadtgeschichte ein. Hier an der Bäumleingasse 9, zwischen der Freien Strasse und dem Münsterplatz, hat Ernst Beyeler jahrzehntelang seine Galerie geführt und gleichermassen Kunstsammler und Künstler aus aller Welt begrüsst. 65 Jahre lang lagerten Werke von Picasso, Lichtenstein, Rothko, Bacon oder Giacometti, wurden angekauft und wieder verkauft. Beyelers Tod im Jahr 2010 markierte das Ende der Galerie, 2011 wurde sie von seinem Team aufgelöst, die Werke zugunsten der Riehener Fondation versteigert. Das Gebäude selbst gehört dem Stadtkanton, der in den historischen Räumen (gemäss einer Torplakette wirkte hier vor 100 Jahren auch der Basler Trommelpionier Carl Dischler) im Frühjahr 2013 einen Teil des Gerichts unterbringen will.

«unterdessen» darf zwischennutzen

Statt das Gebäude bis dahin leer stehen zu lassen, hat sich Immobilien Basel-Stadt entschieden, eine Zwischennutzung zu ermöglichen. Diese koordiniert «unterdessen», ein «Verein für Zwischennutzungen», den Pascal Biedermann, Barbara Buser und Eric Honegger gegründet haben. Als Teilhaber der Kantensprung AG (die etwa das Gundeldinger Feld verwaltet) haben sie Erfahrungen mit Umnutzungen. Mit «unterdessen» möchten sie nun auch kurzzeitigere Projekte realisieren.

Biedermann ist euphorisch angesichts der Möglichkeiten, die dieser Stadtpalais bietet: Drei Etagen und ein grosser Kellersaal stehen zur Verfügung. Gratis will man die zahlreichen Räume nicht untervermieten – obschon der Kanton abgesehen von den Nebenkosten kaum Geld verlangt. «Wenn mans billig gibt, wirds billig behandelt. Das wollen wir nicht», sagt Biedermann. Man wolle vielmehr die Chance nutzen, mit diesem Projekt auch Privaten zu beweisen, dass Zwischennutzungen eine sinnvolle Lösung seien, wenn es darum gehe, leerstehende Räumlichkeiten mit Leben zu erfüllen.

So hat Biedermann etwa eine Brockenstube damit beauftragt, einige Zimmer in eine Wohnung umzufunktionieren, die möbliert wochen- oder monatsweise gemietet werden kann. Zudem will er, vergleichbar mit dem Konkurrenzangebot «Coworking Space» im Dreispitz, Arbeitsplätze auf Zeit zur Verfügung stellen – Bürotisch und WLAN inklusive.

Auch «Reh4» mit von der Partie

Für die Räume im Erdgeschoss sowie im hinteren Teil des Hauses hat Biedermann den Verein Reh4 ins Boot geholt, dem zahlreiche Kleinbasler Kreative angehören. Reh4-Präsidentin Angie Ruefer erklärt auf Anfrage, dass Kleinbasler Labels, Designer und Geschäfte von Juni bis Oktober ein Stück inspirierende Wildnis über den Rhein tragen werden. Motto: «We Flash Basel». Kleinläden wie zum Beispiel Marinsel oder Komplott werden im Erdgeschoss Teile ihres Sortiments vorstellen – von Mode über Geschirr bis zu Möbeln ist bei diesen Showcases alles denkbar, sagt Ruefer. Vieles, ausser Kunst. Beyelers langjährige Mitarbeiterin hat ausdrücklich gebeten, respektvoll mit den Räumlichkeiten und ihrer Geschichte umzugehen. Trotzdem könne man so kreativ Abschied nehmen von der Galerie, ehe hier 2013 das Gericht einziehen werde, sagt Ruefer: «Bye, bye, Beyeler.»

Am 1. Juni soll die Zwischennutzung an der Bäumleingasse starten, Reh4 wird die ungeheizten Räume bis Ende Oktober beleben, danach ist vorgesehen, dass das gegenüberliegende Restaurant Rubino in den Wintermonaten hier im EG einen Weinladen einrichtet. Einige Zimmer, die als Ateliers dienen, werden voraussichtlich bis Frühling genutzt, ebenso die Brocki-Wohnung und die Büroplätze, die vermietet werden.

In den warmen Monaten will sich das Reh4 auch im Innenhof ausbreiten. Ruefer plant, in der ehemaligen Waschküche eine Café-Bar einzurichten, um in lauschiger Atmosphäre zu Kaffee und Kuchen einzuladen – oder zum Feierabendbier (auf das sich etwa die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des umliegenden Baudepartements nach einem anstrengenden Tag allein schon beim Blick aus ihren Bürofenstern freuen können).

Weitere Zwischennutzung in der «Lady Bar»

Pascal Biedermann und Co. von «unterdessen» haben doppelt Freude über das Vertrauen und die Offenheit der Behörden: Haben Immobilien Basel-Stadt doch diesem Verein auch die Schlüssel zur «Lady Bar» übergeben, wie schon der «Sonntag» berichtete. Hier an der Ecke Feldberg-/Klybeckstrasse, zwischen Friends und Agora Bar soll ein weiteres Musiklokal entstehen, daneben unter anderem ein Waschsalon. Die Perspektive ist mittelfristig – drei Jahre haben die Zwischennutzer hier in Aussicht. Für das Kulturprogramm soll unter anderen Thomas Brunner von livingroom.fm besorgt sein.

«Wir möchten in erster Linie mithelfen, Neues zu ermöglichen und zwischen den Eigentümern zu vermitteln», sagt Biedermann. Bleibt noch die Frage, weshalb diese beiden Zwischennutzungen unter der Hand an die Kantensprung-Teilhaber vergeben wurden? «Wir haben mit dem Gundeldingerfeld bewiesen, dass wir eine solche Aufgabe umsetzen können», vermutet Biedermann. «Und wir sind gut vernetzt.» Das stimmt sicher. Aber müsste eine solche Vergabe nicht öffentlich ausgeschrieben werden? «Nein, wir schreiben zwar Mietobjekte aus, bei Zwischennutzungen tun wir das nicht», sagt Barbara Neidhart von Immobilien Basel-Stadt. «In der Regel kommen bei Zwischennutzungen die Interessenten auf uns zu. Für uns zählt, dass diese Partner verlässlich sind.»

  • Eröffnung, 1. Juni 2012, 12.00 Uhr – 20.00 Uhr, Bäumleingasse 9, Basel

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