Die «drey scheenschte Dääg» und das 37. Charivari stehen vor der Tür. Unserer neuen Volontärin aus dem Aargau ist die Basler Fasnacht völlig fremd. Dennoch wagte sie sich auf unbekanntes Parkett und nahm den Termin zur Pressekonferenz mit anschliessendem Probebesuch wahr.
Der Herr mit Anzug und gestreifter Krawatte begrüsst die Anwesenden – wichtig wirkt er, jeder scheint ihn zu kennen. Doch, «wer ist Walti?» Ein verzweifelter Blick auf das Einladungsschreiben zur Pressekonferenz ist die Rettung in der Not. Hinter «Walti» verbirgt sich Walter F. Studer, Obmann des Glaibasler Charivari. (Wer noch nie vom Charivari gehört hat, kann sich darunter die Mutter aller Vorfasnachtsveranstaltungen in Basel vorstellen.) Auch der grossgewachsene Herr neben ihm mit dem gewinnenden Lächeln scheint allen bekannt, das Wort «Programm» und ein erneuter Blick auf das Schreiben geben Gewissheit: Erik Julliard ist Vize-Obmann und der Programm-Chef des Charivari.
Ähnlich verzwickt geht es dann auch fröhlich weiter. Es kommen Punkte zur Sprache, die für Kenner selbstverständlich sind, für Nicht-Basler aber viele Fragezeichen aufwerfen. Was genau ist die «Seibi-Stroossebangg»? Und wer ist jetzt schon wieder «dr Heiri»? Trotz fehlendem Fasnachtswissen wird schnell klar, hinter all den wochenlangen Vorbereitungen muss sehr viel Herzblut – oder besser Fasnächtler-Herzblut – stecken.
Das Mysterium «Baseldeutsch»
«Obwohl die Dekoration bereits steht, gehen die Vorbereitungen hinter der Kulissen noch weiter», sagt Danny Wehrmüller. Als Regisseur ist es seine Aufgabe, die einzelnen «Puzzleteile» zu einem Ganzen zusammenzufügen. «Wir erarbeiten zurzeit den lückenlosen Ablauf für das Programm.» Das Programm. Noch so ein Mysterium. «Nundefahne», «Ohremyggeli» und «Schnitzelbangg» – ein Ratgeber «Baseldeutsch für Anfänger» wäre in diesem Moment eine grosse Hilfe.
Was einen am Charivari wirklich erwartet, erklärt die Rückseite des Programmheftes: Für die musikalischen Einlagen sorgen die Seibi-Clique, die Guggenmusik Schränz-Gritte, die traditionelle Trommelgruppe der Seibi-Clique und der Drumline Grey Coats sowie die Charivari-Pfyffergruppe. Ein Schauspielensemble gibt «Rahmestyggli», die «Seibi-Stroossebangg» und den «Heiri» zum Besten – Musik und Theater also, soviel wird einer Aargauerin immerhin klar.
Prominente Überraschungsgäste
Nach dem Programm kommt das Thema Prominenz zur Sprache. «Wir wollen dieses Mal keinen Politiker als Gast», erkärt Studer. Der Besuch von Christoph Blocher habe letztes Jahr für genügend Aufsehen gesorgt. Der umstrittene Politiker an der Basler Fasnacht – eine Geschichte, die auch im Aargau immer wieder in den Medien auftauchte und daher nicht unbekannt ist. «Zuerst dachten wir an eine Person der Kategorie Roger Federer. Der weilt aber zurzeit in Australien und hat keine Zeit», sagt Studer weiter. «Auf der Suche nach einer ähnlichen Grösse wurde uns bewusst, dass es in der Schweiz sonst niemanden gibt.» Deswegen hätten sie sich auf internationales Parkett begeben und Gäste eingeladen, die in erster Linie englischsprachig seien. Wer es ist, wollte er jedoch nicht verraten: «Die Geheimhaltung der Namen gehört zum Sicherheitskonzept.»
Auf den ersten Blick eine verständliche Massnahme, wer möchte schon wieder demonstrierende Basler wegen einer Vorfasnachtsveranstaltung. Doch welche ausländischen Persönlichkeiten könnten für so grossen Aufruhr sorgen? Die Queen oder Justin Bieber werden wohl kaum eingeladen sein. So oder so, offiziell gelöst wird das Geheimnis an den 15 Abenden zwischen dem 19. Jänner und dem 2. Hornig (Februar für nicht Baseldeutsch-Sprachige). «Walti» Studer ist die Vorfreude bereits anzumerken: «Es wird jeden Abend eine andere Überraschung geben.»
Basel-Stadt vs. Baselland
Nach der Pressekonferenz steht noch ein exklusiver Einblick in die Theaterproben auf dem Programm. Die sechs Schauspielerinnen und Schauspieler stehen geschminkt und in Kostümen vor der Bühne bereit. Auf das Zeichen von Danny Wehrmüller präsentieren sie das Rahmestyggli «Zämme?». Und das Rätselraten beginnt von Neuem. Nach kurzer Zeit wird klar, die drei elegant gekleideten Leute mit dem starken Basler Dialekt müssen die «Städter» sein und die etwas urchig wirkenden die «Landschäftler».
Zwei Gruppen, die zwei Kantone repräsentieren – und zu mögen scheinen sie sich nicht besonders. Trotzdem sprechen sie von einer möglichen Fusion der beiden Gruppen. Sofort wird auch einem Aussenstehenden bewusst, welcher Gedanke dem Sketch zugrunde liegt: die im letzten Sommer lancierten Volksinitiativen für eine Fusion von Basel-Stadt und Baselland. Ganz so unverständlich ist die Basler Fasnacht für eine Volontärin aus dem Aargau doch nicht. Fasziniert von dieser fremden Welt der Guggen und «Schnitzelbängg» steht einem Besuch des Glaibasler Charivari nichts mehr im Weg.