Chefredaktor Willy Surbeck sieht journalistische Unabhängigkeit in Gefahr

Die Zeiten, als Telebasel machen konnte, was es wollte, sind vorbei. Die Trägerstiftung verstärkt den Zugriff auf den Sender, sie will die Einnahmen erhöhen. Verlierer der Neu-Strukturierung ist Chefredaktor Willy Surbeck.

Die Zeiten, als Telebasel machen konnte, was es wollte, sind vorbei. Die Trägerstiftung verstärkt den Zugriff auf den Sender, sie will die Einnahmen erhöhen. Verlierer der Neu-Strukturierung ist Chefredaktor Willy Surbeck.

Beim Basler Lokalsender Telebasel stehen grosse Veränderungen an. Die Trägerstiftung, die sich in den letzten 20 Jahren vornehm im Hintergrund gehalten hat, will die Strukturen umstellen und auch bei der Programmplanung ein Wörtchen mitreden. Das hat die Stiftungsdelegation beschlossen und heute Dienstag der Belegschaft mitgeteilt.

Mittel dazu ist die Budgetplanung, die bislang faktisch in der Hoheit von Chefredaktor Willy Surbeck und Geschäftsführer Dominik Prétôt lag. Künftig muss Prétôt dem Ausschuss ein Budget vorlegen, das den neuen strategischen Zielen des Senders entspricht. Diese sehen etwa vor, dass der Sender bei seinem Programm die Zielgruppe «40 Jahre plus» im Auge hat. Bislang war das Zielpublikum nicht definiert. 

Was harmlos tönt, könnte gravierende Auswirkungen haben. «Die Stiftung bestimmt ab jetzt Ausrichtung und Strategie des Programms selber», sagt Chefredaktor Surbeck, Verlierer des Umbruchs. Es geht gemäss Surbeck um Fragen wie diese: Wie viel Sport wird gesendet? Wie politisch und politisch ausgerichtet sollen die Nachrichten sein? Wollen wir eine Dating-Show? Wieviel People, Kultur und Wirtschaft verträgt es? Welche Formate braucht es? Was bieten wir im Internet? Welche Inhalte braucht es als Werbeumfeld?

Die journalistische Unabhängigkeit des Senders sei fragiler geworden, sagt Surbeck. Allerdings produziert der Sender bereits heute Programme, die ohne kommerzielle Interessen nicht vorstellbar wären.

Investitionen ins Internet

Offen ist, wie die redaktionelle Freiheit innerhalb des Budgets angetastet wird. «In drei Monaten wissen wir mehr, wie sich die Veränderungen auswirken werden», sagt Surbeck. Daneben bestimmt die Stiftung gemeinsam mit Prétôt auch, wie die Produktionsmethoden neu gestaltet werden. Dabei geht es etwa um die Frage, mit wie vielen Kameramännern oder Videojournalisten, die selber filmen und berichten, die Beiträge produziert werden.

Gemäss Roger Thiriet, Präsident der Stiftung Telebasel, will der Sender vermehrt auf das Internet und andere neue Kanäle als Medium und Werbeplattform setzen. Dafür müssten Ressourcen woanders freigemacht werden. Thiriet spricht von einer «minimalen Reorganisation» (siehe Medienmitteilung und neues Organigramm von Telebasel auf der Rückseite dieses Artikels).

Aufräumen in der Geschäftsleitung 

Um diese voranzutreiben hat das Aufsichtsgremium Geschäftsführer Dominik Prétôt an Stelle Surbecks gestärkt. Prétôt erhält eine grössere Machtfülle und wird künftig den Titel CEO führen. Bislang stand er auf Augenhöhe mit Surbeck. Eine erste Folge der Neuausrichtung: Diana Bevilaqua, Leiterin Sponsoring und Branding, sowie Technikchef Pascal Jacot werden die Geschäftsleitung verlassen. Prétôt betont, dieser Schnitt sei konfliktfrei abgelaufen.

Hinter dem grossen Umbruch steht die Neuausrichtung der Trägerstiftung im April 2013. Die Basler Regierung verabschiedete sich aus dem Präsidium. Kümmerte sich die Stiftung zuvor noch hauptsächlich um das Kabelnetz, ist jetzt ihr Hauptzweck die Kontrolle und Weiterentwicklung des Senders. «2017 werden die Konzessionen neu verteilt, deshalb müssen wir jetzt über die Bücher», sagt Thiriet. Momentan laufen Gespräche mit dem Bundesamt für Kommunikation, ob das jetzige Programm die Anforderungen erfüllt.

Gebühreneinnahmen fallen weg

Da es unklar sei, wie hoch der Anteil aus dem Gebührentopf noch ausfallen wird, müsse Telebasel die Werbeeinnahmen erhöhen, sagt Thiriet. Bislang finanzierte Telebasel 30 Prozent des Budgets von über 8 Millionen Franken jährlich über öffentliche Gebühren. 2028 fallen garantierte Einnahmen von 1,6 Millionen Franken weg, die von der Cablecom für die Nutzung des Kabelnetzes überwiesen werden. Auch reicht es nicht mehr, eine schwarze Null zu schreiben. Die Stiftung will Gewinne sehen.

Damit mehr Werbung generiert werden kann, muss dementsprechend das Programm umgestellt und müssen neue Medien erschlossen werden. «Das Geschäftsmodell TV ist 20 Jahre wunderbar gelaufen», sagt Thiriet. Auf diesen Lorbeeren könne man sich nicht ausruhen. Multichannel heisst das Zauberwort, mit dem Telebasel die Zukunft angeht.

Surbeck grosser Verlierer

Dabei soll die Umstrukturierung bislang vernachlässigte Schwachstellen ausmerzen. Die Spezialisierung im Sender ist derart gross geworden, dass Angestellte kurzfristig nicht ersetzt werden können. Stellvertretungen fehlen, Doppelspurigkeiten und unklare Kompetenzen lähmen den Betrieb, an zentralen Stellen fehlen Ressourcen. Entlassungen stehen aber nicht an, im Moment jedenfalls nicht, wie Thiriet sagt. Bei Telebasel arbeiten auf 100 Prozent hochgerechnet derzeit 65 Mitarbeiter.

Verlierer der ganzen Übung ist Willy Surbeck. Ihm wird intern attestiert, er habe den ganzen Druck von oben abgefangen und seine Leute machen lassen. Zu reden gab etwa immer mal wieder das Format «Report» von Redaktor Christian Keller. Auch hierauf wird die Stiftung über den Qualitätssicherungsausschuss ein Auge haben.

Allerdings ist der Ostschweizer Surbeck 58 Jahre alt, bis zur möglichen Frühpensionierung dauert es nicht mehr allzu lange. Sein Nachfolger, davon geht man intern aus, wird nicht mehr die gleichen Freiheiten und Kompetenzen geniessen, die Surbeck hatte. 

Spielfeld der Interessen

Surbeck sorgte dem Vernehmen nach auch dafür, dass die Zugriffe des 17-köpfigen Stiftungsrats wenig spürbar sind. Dort tummeln sich Vertreter der Kantone sowie wichtiger Wirtschaftsverbände, dazu einflussreiche Einzelpersonen. Jeder mit Interessen, die durch eine kritische oder ausgebliebene Berichterstattung tangiert werden könnten. 

Die grosse Frage aber bleibt: Kann die Redaktion auch künftig noch ein Programm gestalten, das ihrer Vorstellungen entspricht? Surbeck sagt: «Wir müssen wachsam bleiben.» Thiriet entgegnet: «Das Programm muss der Strategie entsprechen. Die Stiftung wird sich aber nicht ins Tagesgeschäft einmischen.»

Nächster Artikel