Da guckst Du in die Röhre

Wussten Sie, dass das Schweizer Fernsehen beinahe in Basel stationiert worden wäre? Kannten sie den eigenwilligen Basler TV-Reporter Roman Brodmann? Das Museum für Geschichte lädt in der Barfüsserkirche zum Streifzug durch die Schweizer Fernsehgeschichte. Prädikat: Sehenswert.

(Bild: Livio Marc Stoeckli)

Wussten Sie, dass das Schweizer Fernsehen beinahe in Basel stationiert worden wäre? Kannten sie den eigenwilligen Basler TV-Reporter Roman Brodmann? Das Museum für Geschichte lädt in der Barfüsserkirche zum Streifzug durch die Schweizer Fernsehgeschichte. Prädikat: Sehenswert.

Es gab eine Zeit, da hatte Basel beim Fernsehen die Nase vorn: 1952 wurde an der Muba ein Fernsehapparat aufgestellt, zahlreiche Familien setzten sich aufs Bänkli und schauten erstmals überhaupt in die Röhre. Ein sagenhaftes Erlebnis.

(Bild: Hans Bertolf)

Ein Ereignis aber auch, das manche Leute besorgte. Was kam da auf die Gesellschaft zu, was konkurrenzierte das Radio, an das man sich doch gewöhnt hatte? «Nun zeigen die Erfahrungen, die in anderen Ländern, besonders in Amerika, mit dem Fernsehen gemacht wurden, dass sich diese Erfindung auf die Jugenderziehung, auf das Familienleben und auf das kulturelle Niveau eines Volkes höchst nachteilig, ja geradezu katastrophal auswirkt.» Mit Argumenten wie diesen wehrten sich einige Basler Studierende gegen den Basler Grossratsbeschluss, einen Versuchs-Sender mit kantonalen Geldern zu fördern. Das Referendum fand erstaunlich hohen Zuspruch in der Bevölkerung.

Pionierversuch in Münchenstein

In Münchenstein wagte man 1952 den Schweizer Pionierversuch, allerdings ohne die finanzielle Unterstützung durch die Stadtbasler, die sich an der Urne dagegen gewehrt hatten. Mit fatalen Folgen: Einige Jahre später folgte ein vom Bund mit deutlich mehr Mitteln ausgestatteter Versuchsbetrieb in Zürich. Und dort, das wissen wir heute, hat sich das Schweizer Fernsehen bis heute behauptet. 

Dabei schien Basel noch in den 1950ern eine zweite Chance zu erhalten: Als die SRG ihren Televisionsbetrieb definitiv aufnahm, sah sie als Standort ein Studio in Basel vor. Diese Entscheidung wurde in Bundesbern schliesslich übergangen. Das Post- und Eisenbahndepartement – damals für die Kommunikation zuständig – machte Zürich zum Zentrum. «Gut denkbar, dass die Skepsis des Basler Stimmvolks noch in den Köpfen der Berner Beamten verankert war», sagt Christoph Stratenwerth.

«Flimmerkiste»

Die Ausstellung dauert bis
8. Februar 2015. Sie wird
ergänzt durch Gesprächsrunden mit aktiven und ehemaligen Fernsehbekanntheiten.
Programmdetails und weitere Infos: www.hmb.ch

Eckpunkte zur Fernsehgeschichte erfährt man neuerdings im Basler Museum für Geschichte. «Flimmerkiste» heisst die Sonderausstellung, die Christoph Stratenwerth mit seinem Team kuratiert und realisiert hat. Erstmals dient der Chor der Barfüsserkirche als Ausstellungsraum, wie Museumsdirektorin Marie-Paule Jungblut erklärt. Ein Novum, das Sinn macht, denn der Platz im Kirchenschiff wäre zu eng bemessen gewesen.  

Skepsis hier, Promis da

«60 Jahre Fernsehen zwischen Illusion und Wirklichkeit» werden hier aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet: Da finden sich einerseits Memorabilia aus der Geschichte des Schweizer Fernsehens, von Kostümen bis Requisiten. Da wird die Geschichte des Fernsehens mit Briefen, Zeitungsartikeln und weiteren Belegen aufgerollt; von der Skepsis der Anfangjahre zum Aufstieg als Leitmedium. Während 1953 nur 920 Schweizer TV geschaut haben, so waren es 15 Jahre später bereits eine Million Gebührenzahler! Mit der Bedeutung des Mediums nahm auch die Kritik an den Inhalten zu. Das demonstrieren Konzessionsbeschwerden ebenso wie Kampagnen der Ringier-Medien.

Zugleich trug der Boulevard schon damals zur Popularität der TV-Gesichter bei, wie unter anderem am Beispiel des Wissenschaftlers Bruno Stanek deutlich wird, der 1969 die Mondlandung moderierte und damit über Nacht berühmt wurde. Jahrzehntelang blieb er für dieses Stück Zeitgeschichte in Erinnerung – auch dank der repetitiven Hebelwirkung des Boulevards und des Schweizer Fernsehens selber, das bis heute sehr darauf bedacht ist, seine eigenen Mitarbeiter zu Prominenten zu machen und abzufeiern (wie allein Sendungen wie «Glanz & Gloria» bestätigen).

Fokus auf die ersten 30 Jahre Schweizer TV

Ganz so stark in die Gegenwart taucht man nicht ein. «Flimmerkiste», der Name lässt es erahnen, konzentriert sich auf die Geschichte(n) vor der digitalen Ära. Das erklärt auch den Fokus auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Der Durchbruch der Privaten wird eher beiläufig erwähnt. Dass diese in Sachen Innovation die doch eher behäbige und mutlose SRG oft alt aussehen lassen, ebenfalls.

Man kann diese Fokussierung auf den einstigen Monopolisten kritisieren. Besser aber sollte man sich an der Fülle des Materials erfreuen, das hier recherchiert und aufbereitet worden ist. Besucher, die 40 sind oder älter, wuchsen primär mit den Sendungen des Schweizer Fernsehens auf, mit dessen Kindersendungen, Sportberichterstattungen und Debatten.

Dass der Wunsch, in die Ferne zu sehen, noch viel älter als das Medium selber ist, führen uns die Ausstellungsmacher in einem Zwischentrakt vor Augen. Sie blicken zurück auf antike Gegenstände: Schon vor vielen Jahrhunderten baute man Fernrohre und erfreute man sich an Guckkasten. Die eigenen Kindheitserinnerungen wiederum werden durch Kostüme von Pan Tau oder «3 Nüsse für Aschenbrödel» befeuert. «Weisch no» entfährt es einem auch, wenn man an Franz Hohlers «Spielhaus» erinnert wird. Und an Renés Schoggialbum.

Ein Panoramabild der Schweizer Fernsehgeschichte

Gelungen, wie die Ausstellungsmacher anhand von Zuschauerreaktionen (Fanpost, Beschwerden) die Veränderungen, Polarisierungen, Freuden und Proteste verdeutlichen, wie sie aufzeigen, welche Emotionen der Monopolsender immer wieder evoziert hat – und mit ihm das ganze Medium.

Hinzu kommen veritable Entdeckungen, denn wer erinnert sich schon an den Basler TV-Journalisten Roman Brodmann, der vor über 50 Jahren bemerkenswerte Fernsehbeiträge ablieferte, ja, dokumentarische Miniaturstücke mit eigener Handschrift versah? Er schien eine Art Enfant Terrible zu sein, verkrachte er sich doch mit der Fernsehleitung, der er mit seiner mitunter subversiven Art vermutlich zu wenig geheuer und kontrollierbar war.

 

Es sind einzelne Facetten, die zusammen ein Panoramabild der Schweizer Fernsehgeschichte ergeben – und damit auch en passant gesellschaftliche Entwicklungen erzählen.

Damit setzt das Historische Museum Basel unter Marie Paule Jungblut seinen zukunftsgerichteten Weg konsequent und überzeugend fort: Wie schon bei «pop@basel» möchte man auch diese Schau mehrmals besuchen, mit den Medienformaten spielen, sich noch mehr Zeit nehmen als man gedacht hätte. Im Bewusstsein, dass man beim zweiten Durchgang noch Neues entdecken wird. Replay, bitte.

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«Flimmerkiste – 60 Jahre Fernsehen zwischen Illusion und Wirklichkeit»
Museum für Geschichte, Barfüsserkirche Basel.
Bis 8. Februar 2015

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