Das Auf und Ab im Durchschnittsquartier

Das Iselin-Quartier ist glatter Durchschnitt, sagen die Zahlen. Was aber sagen die Bewohner und Unternehmer vor Ort? Ein Besuch bei Alex Wirth, der seit 60 Jahren im Quartier lebt und arbeitet.

Von seinem Käseladen aus beobachtet Alex Wirth seit mehreren Jahrzehnten das Quartier um in herum. «Das Iselin hat sich sehr verändert», sagt er. (Bild: Matthias Oppliger)

Das Iselin-Quartier ist glatter Durchschnitt, sagen die Zahlen. Was aber sagen die Bewohner und Unternehmer vor Ort? Ein Besuch bei Alex Wirth, der seit 60 Jahren im Quartier lebt und arbeitet.

Schaut man sich die Statistik an, dann ist das Iselin-Quartier in allen Belangen durchschnittlich. Die Leerstandsziffer, der Ausländeranteil, die demographische Zusammensetzung, überall entspricht das Quartier genau dem basel-städtischen Durchschnitt. Aber was sind schon Zahlen?

Zu Besuch im Iselin
Diese Woche wollen wir uns im Iselin umsehen, einem Quartier von dem nur selten die Rede ist. In mehreren Artikeln sollen verschiedene Bewohner und Unternehmer zu Wort kommen. Alex Wirth, der Käsespezialist, macht hiermit den Anfang.
Wenn Sie Anregungen haben, freuen wir uns auf eine E-Mail an: Matteo Baldi oder Matthias Oppliger. Mehr über das Iselin lesen Sie auch in unserem Quartierblog.

Wir wollten genauer wissen, wer dort lebt und arbeitet und dies vielleicht sogar gerne. Deshalb statteten wir einer Quartier-Institution einen Besuch ab. Seit fast 60 Jahren versorgt die Familie Wirth von der Colmarerstrasse 10 aus das Quartier und die Stadt mit Milch und Käse. Fast alles rundherum hat sich in dieser Zeit verändert, der Käse-Wirth blieb.

Über die Liebe zum Wohnquartier der Kindheit sang Adriano Celentano dereinst im Lied «Il Ragazzo Della Via Gluck»:

«Mein lieber Freund sagte: Hier bin ich geboren. In dieser Strasse lasse ich jetzt mein Herz. Wieso verstehst du nicht?»

Der Volksmund sagt: Von fremden Gesängen versteht der Mensch nur das, was er schon erlebt hat. Demnach sollte Alex Wirth, der heutige Geschäftsführer, den Gesang Celentanos verstehen. Seit knapp sechzig Jahren ist er dem Iselin treu. An der Colmarerstrasse wohnt er im ehemaligen Elternhaus. In dessen Erdgeschoss befindet sich auch der Familienbetrieb.

Alex Wirth konzentriert sich heute auf den Verkauf von Käsespezialitäten. Liebhaber aus ganz Basel und ausserhalb zählen zu seinen Stammkunden. Das Geschäft im kleinen Ladenlokal läuft. Wovon bei den anderen Geschäften nur bedingt die Rede sein kann.

Viele leere Ladenlokale

Wer entlang der Missionsstrasse oder der Burgfelderstrasse spaziert, dem fallen einige leere Ladenlokale auf. Auch Wirth teilt diese Beobachtung. Er hat auch eine Vermutung, weshalb sich die Geschäfte im Iselin schwer tun: «Wer keine exklusive Ware anbietet, hat es hier schwer.» Deutschland und Frankreich – und somit zahlreiche billige Einkaufsmöglichkeiten – würden unmittelbar um die Ecke liegen und damit die Kunden weglocken, sagt Wirth.

Er beobachtet das Iselin nun seit knapp sechzig Jahren. Die Entwicklung des Quartiers unterteilt er selbst in Epochen. Es sei ein Auf und Ab, mal besser, mal schlechter. Er erzählt von der Zeit, als sein Vater die Milch dem Kunden noch mit dem Milchwagen lieferte, gezogen vom Pferd. Wirth erinnert sich noch, wie er als junger Bube den Vater begleitete und damit sein Taschengeld aufbesserte. «Es gab immer ein schönes Trinkgeld, wenn ich den Damen den Ochsner Mistkübel runtertrug und am Sonntag das halbe Bälleli Angge und den frischen Rahm vorbeibrachte.»

Die Stadt wurde grösser, dann kamen die Studenten

Wirth und die Damen wurden älter. In den Achtzigerjahren seien die Bewohner und Hausbesitzer des Quartiers überaltert gewesen, erzählt Wirth. Doch mit dem Tod der älteren Bewohner wurde bald viel Wohnraum frei. Junge Familien hielten Einzug ins Quartier. Später, als die Stadt immer grösser wurde und der öffentliche Verkehr immer besser, kamen auch die Studenten und somit Wohngemeinschaften im Iselin an.

Prognosen, wie die nächste Epoche aussehen könnte, wagt Wirth nicht. Einerseits haben es kleine Geschäfte schwer sich zu behaupten. Oft müssen sie kurz nach Eröffnung wieder schliessen. Andererseits regt sich einiges: Demnächst wird im Quartier ein Studentencafé eröffnet und auch die Stadt plant das Quartier aufzuwerten.

Alex Wirth kann die Entwicklungen gespannt verfolgen. Sein Laden für Käsespezialitäten läuft gut. Denn die Kundschaft kommt von überall. Auch wenn sich die Lage im Iselin verschlechtern sollte: Die Schweizer nehmen für ein gutes Fondue einiges in Kauf.

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