Das Business mit den Milliarden der Migranten

Gigantisch sind die Summen, die Migranten jedes Jahr in ihre Heimatländer schicken. Gigantisch sind auch die Verdienstmöglichkeiten für die Geldtransfer-Firmen. In Basel floriert das Geschäft.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Gigantisch sind die Summen, die Migranten jedes Jahr in ihre Heimatländer schicken. Gigantisch sind auch die Verdienstmöglichkeiten für die Geldtransfer-Firmen. In Basel floriert das Geschäft.

Der Branchen-Leader ist nicht zu übersehen. Auch dank dem FC Basel. Vor dem Europa-League-Halbfinal gegen Chelsea stellte Western Union im Basler Bahnhof ein riesiges gelbes Zelt auf. Kinder standen Schlange, um an der Spielkonsole mit dem virtuellen Valentin Stocker den virtuellen David Luiz gepflegt umzugrätschen, Mitarbeiter in gelben Westen verteilten Wettbewerbstalons und Informationsbroschüren. Das Unternehmen ist Hauptsponsor der Europa League und gleichzeitig eng mit den SBB verbandelt: In den vergangenen Monaten waren die Bahnhöfe der Schweiz voller Western-Union-Plakate.

Remittances – die versteckte Entwicklungshilfe

Die Geldsendungen von Migranten in ihre Heimatländer sind seit 2000 explodiert: Die sogenannten Remittances stiegen innerhalb von zwölf Jahren von (inflationsbereinigten) 204 Milliarden Dollar (2000) auf 540 Milliarden (2012). Die Geldmenge entspricht nur den nachvollziehbaren Überweisungen, über inoffizielle Kanäle dürften gemäss Schätzungen weitere 250 Milliarden Dollar auf der ganzen Welt verteilt worden sein. Die Remittances entsprechen der doppelten bis dreifachen Menge der weltweit verteilten Entwicklungsgeldern. Unterschieden werden bei den Remittances drei Arten: 1. Überweisungen für den täglichen Bedarf der Verwandten. 2. Investitionen in Firmen und/oder Sozialwesen. 3. Kombinierte Überweisungen an Verwandte sowie an NGOS, die das Geld investieren und eine nachhaltige Entwicklung anstreben.

Nötig hätte die Firma die Kampagne wohl nicht: Western Union ist Branchenführer in Sachen Geldtransfers – einem gigantischen Markt mit gigantischen Zuwachsraten. 2012 wurden insgesamt 540 Milliarden US-Dollar von Migrantinnen und Migranten verschickt, die Weltbank rechnet für die kommenden Jahre mit einem konstanten Anstieg dieser Summe um jeweils 8 Prozent. Ein Grossteil dieses Geldes fliesst durch die über 510’000 Agenturen von Western Union.

Vom St. Johann in die Welt

Im Schnitt erfolgen 28 Transaktionen pro Sekunde bei Western Union, dabei werden durchschnittlich 350 Dollar verschickt. Insgesamt verschiebt die Firma dabei pro Jahr um die 80 Milliarden Dollar – und verdient sich dabei eine goldene Nase: Die Konditionen für die Überweisungen variieren zwar je nach Zielland und Betrag, durchschnittlich beträgt die Kommission auf Geldtransfers 9 Prozent, in Einzelfällen kann die Gebühr aber bis zu 20 Prozent des Betrags ausmachen, wie die Internationale Organisation für Migration kürzlich ausgerechnet hat. Und  an den Haaren sind die Zahlen nicht herbeigezogen: Western Union wies vergangene Jahr einen Umsatz von 5,7 Milliarden Dollar aus – was rund sieben Prozent der verschobenen 80 Milliarden Dollar entspricht.

Wo es viel zu verdienen gibt, wollen naturgemäss auch viele profitieren. Es gibt laut Auskunft des Sekretariat für Wirtschaftsfragen Seco keine aktuelle Erhebung über die Anzahl von Geldtransfers-Filialen in der Schweiz – dennoch ist offensichtlich, dass Migranten immer mehr Möglichkeiten haben, ihr Geld in die Heimat zu schicken. Die Anzahl Filialen von Western Union stieg parallel zum Wachstum der Remittances, waren es 2000 weltweit 101’000 Agenturen sind es 2013 inzwischen über 510’000. Aber auch die Konkurrenz schläft nicht: Es ist nur ein kleines Beispiel, aber alleine im Umfeld der Elsässerstrasse im Basler St. Johann-Quartier sind in den vergangenen sechs Wochen drei neue Geldtransfer-Filialen aufgegangen.

Erwähnt werden bei den Mitbewerbern auch Banken und Postbanken. Sie vernachlässigen allerdings den Markt: Die Kommissionen sind für kleine Beträge bei den meisten Banken zu schlecht, zudem werden Währungsverluste weitergeben. Ausschlaggebend sind aber zwei andere Gründe dafür, dass die Migranten die Banken meiden, wie Entwicklungshelfer festgestellt haben.

Einerseits benötigen die Empfänger auch ein Bankkonto, was gerade in ärmlichen Regionen schwierig wird. Zweitens wissen die Empfänger nicht genau, wann sie das Geld empfangen. Die Banken sind auf Partner vor Ort angewiesen, das kann Minuten, Stunden aber auch Tage dauern. Bei Geldtransfer-Firmen ist das anders, wie wir seit unserem Spaziergang wissen – in den Worten der Ria-Angestellten: «Sie füllen hier einen Zettel aus, ich gebe ihnen einen Code und ihre Familie kann das Geld nur Augenblicke später entgegennehmen.»

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(Bild: David Bauer, Ilya Boyandin, René Stalder)

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