Anstelle eines Atomkraftwerks will die Axpo-Tochter CKW in Inwil (LU) nun das grösste Solarkraftwerk der Schweiz bauen; es wäre gleichzeitig auch das unnötigste. Für Solarkraft Freifllächen zu verschwenden, bringt in erster Linie einen Imageschaden. Eine Analyse.
Als die Berner BKW Energie AG 1993 die damals grösste Schweizer Photovoltaik-Anlage einweihte, die auf einer Alpweide auf dem Mont Soleil (Jura) platziert wurde, hagelte es Kritik. «Die BKW zeigen, wie Photovoltaik nicht funktioniert», wetterte etwa Greenpeace. Der Solarpionier Thomas Nordmann, der die Anlage auf den Lärmschutzwänden der A13 bei Chur baute, doppelte im Buch «Prinzip Sonne» nach: «Auf dem Mont Soleil sieht man genau, wie man’s nicht machten sollte.» Einige Kritiker argwöhnten gar, die BKW habe ihr Mont Soleil-Projekt nur realisiert, um die Unterlegenheit der Solar- gegenüber der Atomkraft zu demonstrieren.
Die Begründung für diese Kritik: Die Ernte der – verdünnt auf die Erde einstrahlenden – Sonnenenergie beansprucht viel Fläche. Um Land zu sparen, sollten Photovoltaik-Panels nicht auf Wiesen, sondern auf bestehende Bauten platziert werden. Denn auf Dächern und Fassaden der bestehenden Gebäude in der Schweiz gebe es «bestens geeignete Flächen, auf denen bis zu 40 Prozent unseres Strombedarfs produziert werden könnten», rechnet der Fachverband Swissolar.
Selbst wenn diese Flächen nur halb so gross sind, liegen 99 Prozent des Photovoltaik-Potenzials auf den bestehenden Gebäuden heute noch brach. Denn zurzeit deckt Solarstrom erst 0,2 Prozent des Schweizer Strombedarfs; langfristige Szenarien rechnen mit einem Anteil von maximal 20 Prozent. Diese Zahlen zeigen: Solaranlagen auf Freiflächen verschwenden nicht nur begrenzten Raum, sondern sind auch unnötig.
Das Projekt der CKW in Inwil
Trotz dieser Einwände planen die Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW) jetzt das «grösste Solarkraftwerk der Schweiz» auf einer grünen Wiese, nämlich bei Inwil im Reusstal nördlich von Luzern. Es handelt sich um das Grundstück, auf dem die CKW in den 1970er-Jahren ein Atomkraftwerk mit einer Jahresproduktion von 7 Milliarden Kilowattstunden (kWh) realisieren wollten; dieses Projekt scheiterte am Widerstand der AKW-Gegner.
Beim jetzt geplanten Solarkraftwerk ist eine Spitzenleistung von 10 Megawatt (20 Mal mehr als auf dem Mont Soleil) und eine Jahresproduktion von 10 Millionen (kWh) vorgesehen; das ist nur etwa ein Tausendstel soviel wie beim einst geplanten AKW. Dazu wird eine Gesamtfläche von 15 Hektaren benötigt, was der Grösse von 20 Fussballplätzen entspricht. Die Investitionskosten belaufen sich auf 25 Millionen Franken, teilte die CKW in ihrer Medienmitteilung vom 31. Mai weiter mit. Obwohl das Projekt keine wesentliche Innovation gegenüber der Anlage auf dem Mont Soleil beinhaltet, und obwohl die Kosten pro installiertes Kilowatt mit 2500 Franken (ohne Landwert) kaum billiger sind als bei Grossanlagen auf bestehenden Gebäuden, loben die CKW die geplante Anlage als «Leuchtturmprojekt der Solarenergie».
Die Kehrtwende der Solarlobby
Die meisten Medien erwähnten das Projekt in Inwil nur in einer Kurzmeldung; einzig die Neue Luzerner Zeitung berichtete im Lokalteil ausführlicher darüber (online nicht verfügbar). Ein Protest der Umweltverbände blieb aus. Die Solarlobby, die sich stets für Photovoltaik-Anlagen auf bestehenden Bauten einsetzte und einst versprach, «auch eine umfassende Nutzung von Solarstrom benötigt keinen einzigen Quadratmeter zusätzliches Land», reagierte mit einer Kehrtwende: «Swissolar», so teilt der Fachverband jetzt mit, «begrüsst dieses Projekt (der CKW) als wichtigen Beitrag zur Energiewende in der Schweiz.»
Dieses Lob befremdet. Denn das CKW-Projekt ist noch fragwürdiger als die Freiflächen-Anlage auf dem Mont Soleil oder das ebenfalls kritisierte Projekt der Axpo-Tochter EKZ vom November 2011, das ein Solarkraftwerk auf einer stillgelegten Kiesgrube am Walensee vorsieht. Dies aus folgenden Gründen: Die Sonnenscheindauer und Sonnenstrahlung im oft nebligen Reusstal ist geringer als auf dem Mont Soleil oder am Walensee. Pro Quadratmeter beanspruchten Boden wird die Anlage in Inwil darum weniger Strom und insbesondere weniger Anteil im stromknappen Winter produzieren als die Anlagen im Jura und am Walensee. Zudem degradiert die Anlage in Inwil wertvolles Kulturland zu einer glasigen Fläche, bestehend aus aufgeständerten Panels, zwischen denen allenfalls noch einige Schafe weiden können.
Mehr Imageschaden als Strom
Wird dieses Projekt realisiert, so entsteht in Inwil die bislang dümmste Solaranlage in der Schweiz. Der Schaden, den sie dem positiven Image der Photovoltaik zufügt, dürfte weit grösser sein als ihr Beitrag an die Schweizer Stromversorgung.