Das erste Retortenbaby der Schweiz wird 30

Ohne medizinische Fortpflanzung würde es sie nicht geben: Am 26. April vor 30 Jahren kam Jelena als erstes künstlich gezeugtes Baby der Schweiz zur Welt. Heute ist sie Mutter einer zweijährigen Tochter.

Happy Birthday: Jelena war vor 30 Jahren das erste Retortenbaby der Schweiz.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Ohne medizinische Fortpflanzung würde es sie nicht geben: Vor 30 Jahren kam Jelena als erstes künstlich gezeugtes Baby der Schweiz zur Welt. Heute ist sie Mutter einer zweijährigen Tochter.

Es war eine medizinische Sensation: Am 26. April 1985, um 7:37 Uhr erblickte Jelena* im Bezirksspital Breitenbach SO per Kaiserschnitt das Licht der Welt. Nach jahrelangem Leiden hatten ihre Eltern endlich das in den Händen, was sie sich immer sehnlichst gewünscht hatten: ein gesundes Baby.

Möglich wurde dies nur durch die künstliche Befruchtung, die sogenannte In-vitro-Fertilisation. Jelenas Mutter litt nämlich an einem irreversiblen doppelten Eileiterverschluss. «Das im Reagenzglas gezeugte Kind ist 2,2 kg schwer und 45 cm gross», schrieb einen Tag später der «Tages-Anzeiger» (PDF auf der Rückseite des Artikels).

Drei Jahrzehnte später sitzt Jelena auf dem Rasen im Schützenmattpark und spielt mit ihrer zweijährigen Tochter. «Bei uns hat es problemlos geklappt», sagt die bald 30-Jährige. Angst, dass ihr das gleiche Schicksal wie ihren Eltern droht, habe sie sowieso nie gehabt. «Meine Mutter musste so fest kämpfen, dass ich überzeugt war, dass mir dasselbe nicht auch noch passieren kann.» Ihr Vater habe sich allerdings nicht wirklich über ihre Schwangerschaft gefreut. Zu traumatisiert war er von der eigenen Geschichte. «Erst als unsere Tochter hier war, war er glücklich und gelöst.»

«Retortenbabys sind Kinder wie andere auch – auch wenn gewisse Leute vielleicht meinen, wir seien nicht wirklich Menschen.»

Jelena wusste relativ früh, dass ihre Entstehungsgeschichte eine besondere ist. «Ich habe als Kind immer den Ordner mit allen Zeitungsartikeln über mich angeschaut und dann viele Fragen gestellt», sagt die Angestellte der Schweizerischen Post. Als etwas Ausserordentliches fühlt sie sich nicht. «Retortenbabys sind Kinder wie andere auch. Einzig unsere Entstehung ist speziell – auch wenn gewisse vielleicht meinen, wir seien nicht wirklich Menschen.»

Vor 30 Jahren war die medizinisch unterstützte Fortpflanzung noch eine Seltenheit, heute gehört sie zum Alltag. Gemäss dem Bundesamt für Statistik liessen sich 2013 insgesamt 6’180 Frauen behandeln, bei 36,3 Prozent endete die Behandlung in einer Schwangerschaft.

«Es ist toll, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt – viele Kinder würde es ansonsten nicht geben», sagt Jelena, die heute in Basel wohnt. Dass eine 65-jährige Deutsche jedoch noch Vierlinge bekommen darf, gehe zu weit und sei verantwortungslos.

Jelena hätte eigentlich noch eine ältere Schwester, die ebenfalls künstlich gezeugt wurde. Zwei Wochen vor der Geburt starb sie jedoch aus unbekannten Gründen. «Danach wollten meine Eltern nicht nochmals einen Versuch wagen, der Frauenarzt motivierte sie aber zum Glück dazu.» Dieser Frauenarzt wurde zu Jelenas Götti.


*Schon als Kleinkind wurde Jelena in der Presse stets nur bei ihrem Vornamen genannt. Als Erwachsene möchte sie dabei bleiben. 

Wenn Kinderwünsche nur dank medizinischer Hilfe wahr werden

Am 14. Juni 2015 stimmt die Schweiz über die Präimplantationsdiagnostik ab. Gerade Basel ist als Ort für die künstliche Befruchtung äusserst beliebt. In unserem aktuellen Wochenthema gehen wir der Frage nach, wieso dies der Fall ist. Haben Sie Anregungen oder Hinweise? Schreiben Sie uns: dienstpult@tageswoche.ch.

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