«Game of Thrones» hat schon wieder ein paar Emmys gewonnen. Wie macht die Serie das bloss? Die Antwort finden Sie tief in sich – oder in diesem Artikel.
So viele Tote haben Sie noch nie gesehen: Ein ganz normaler Tag für Figur Jon Snow. (Bild: HBO)
Eine Serie, in der es um sieben Königreiche und zwei Kontinente, zwanzig Hauptdarsteller und mindestens dreimal so viele Nebenfiguren geht, ist nicht ganz einfach zu beschreiben. Peter Dinklage, der in «Game of Thrones» einen kleinwüchsigen Adligen spielt, schaffte es in unter einer Minute:
«Stabby stabby stabby, sexy sexy sexy sexy, stabby stabby, beautiful language, beautiful landscapes, a few jerks, stabby stabby stabby», erklärte er 2014 auf MTV.
Besser hätte er es nicht treffen können. «Game of Thrones» ist Gemetzel und Gerammel, so weit das Auge reicht, und wenn es dann wirklich mal reicht, ein bisschen Poesie für die Schöngeister. Aber dann schnellstens wieder zurück zu Blut und Brüsten.
Nackte Hauptdarstellerin unter Nonnen? Kein Problem, ist «Game of Thrones». (Bild: HBO)
Eine Rechnung, die aufgeht: «Game of Thrones» hat mit 23 Millionen Zuschauern pro Woche brutal Erfolg. Brutal ist dabei das richtige Stichwort: Keine andere weltweit bekannte Serie lässt eine solche Masse an Figuren kaltmachen. Der Hauptdarsteller nervt? Weg mit ihm. Seine Familie auch? Familienfeier her, alle schön vereint in einem düsteren Château, und dann ran an ihre Eingeweide. Die Liebesbeziehung des Bastards wird langsam etwas einseitig? Killt das Liebespaar!
Der Zuschauer sieht Kindsmord, Inzest und wie einem Schönling von blosser Hand die Augen aus dem Kopf gedrückt werden. Da, wo in gesunden Sendungen die Kamera wegschwenkt, zoomt «Game of Thrones» umso mehr ran. Ständig denkt der Zuschauer: «Komm jetzt, das wirst du nicht auch noch zeigen» und dann wird doch wieder irgendwer erdolcht, vergewaltigt oder – wieso auch nicht – mit flüssigem Gold «gekrönt»:
Dass das nicht bei allen für Wohlwollen sorgt, ist nicht weiter erstaunlich. Nach der Erstaustrahlung 2011 schrien die Properen der Welt auf: Bestialisch! Sexistisch! Gefährlich! Kein Quarterlife-Stammtisch ohne aufgebrachte Stimmen, die sich über die sinnlosen Gewaltexzesse und exzessiv betriebene Objektifizierung der Frauenfiguren entrüsteten.
Nach spätestens zwei Staffeln wurde jedoch klar: «Game of Thrones» is here to stay. Die Serie trifft den Nerv der Zeit, keine andere Show hat in den letzten Jahren mehr Preise abgesahnt.
Woran liegt das?
Ausgerechnet Feministin Laurie Penny brachte es auf den Punkt, indem sie von «Game of Thrones» als «wildem wunderbarem Trash» sprach. O-Ton:
«Das Spezielle an dieser Serie sind nicht die Monster, die vielen Nacktszenen oder das fässerweise vor sich hin stinkende, willkürlich vergossene Blut, sondern das erdrückende Gefühl, dass der Plot schon vor drei Jahren völlig entgleist ist und von einer Gruppe sich zankender, machttrunkener Wahnsinniger auf einen schrecklichen Abgrund zugesteuert wird. Zufällig ist das auch der Plot des gesamten bisherigen 21. Jahrhunderts.»
Recht hat sie.
«Game of Thrones» führt uns in unsere Abgründe, und zwar nicht in die moralischen «Breaking Bad»- oder unheimlichen «Twin Peaks»-Abgründe, sondern jene, die sich direkt vor unseren Augen abspielen: Gewalt, Ungerechtigkeit, Sexismus, ad absurdum geführt.
Die schreckliche Pein, die uns in dieser Serie immer und immer wieder gezeigt wird, ist unsere Pein, aber in solch vulgärer Weise vorgeführt, dass wir uns stets bequem davon distanzieren können.
Game of what? Bei Samuel L. Jackson werden Sie geholfen:
Ganz gemäss dem guten alten Schauerroman-Prinzip: Dem Protagonisten geschehen all diese grässlichen Dinge, wie gruslig! Und wie gut, dass er sie für mich durchlebt, dann muss ich nicht mehr und hab sie trotzdem quasi-erfahren. HBO-Eskapismus, vom Sofa aus.
Genau deshalb ist es auch so schwierig, sich dieser Serie zu entziehen. Es ist unglaublich genugtuend, ja geradezu therapeutisch mit anzusehen, wie sich Barbaren gegenseitig abschlachten. Die Szene, in der das despotische Balg Joffrey Baratheon qualvoll an einer Vergiftung krepiert, gehört zum Wohltuendsten, was das amerikanische Fernsehen bis anhin produziert hat.
Für jemanden, der die Serie nicht kennt, mag das ein bisschen harsch rüberkommen, aber glauben Sie mir: So sehr wie Joffrey Baratheon haben Sie noch nie jemanden gehasst. Nicht mal Ihren Partner, der im entscheidenden Moment auf die Fernbedienung sitzt.
Nun hat «Game of Thrones» also wieder drei Emmys abgestaubt. Wer jetzt noch fragt, wie die Serie das schafft, der soll mal in sich selbst hineinhören.
Stabby, stabby, sexy, sexy.