Job und Freizeit zu trennen, wird immer schwieriger. Und unsinniger, sagen die Banken. Darum drängen sie auf eine entsprechende Anpassung des Arbeitsgesetzes. Das weckt Ängste, auch bei den Leserinnen und Lesern der TagesWoche. Sie schlagen einen interessanten Kompromiss vor – und wir bleiben dran an der ganzen Debatte.
Es ist eine interessante Debatte, die in den vergangenen Tage bei der TagesWoche online geführt worden ist. Das Thema hat es auch in sich: Arbeitszeit, Arbeitserfassung und die entsprechende Kontrollen.
Ausgelöst wurde die Debatte von den Banken. Sie wollen das Arbeitsgesetz aufweichen, weil es nicht mehr zeitgemäss sei, die Arbeitszeit Minute für Minute aufzuzeichnen. «Man mag es gut oder schlecht finden, aber Tatsache ist, dass heute eine Vermischung von Privat- und Berufsleben stattfindet», sagt Balz Stückelberger, Geschäftsführer Arbeitgeber Schweizer Banken: «Heute gilt es vielerorts als normal, während der Arbeitszeit private Mails zu lesen, im Internet die nächsten Ferien zu buchen, vielleicht auch mal die Kinder in den Schwimmkurs oder die Mutter zum Arzt zu fahren.» Dafür schaue man dann abends aber auch gelegentlich eine Mail an oder arbeite an einer Präsentation. In den Augen von Stückelberger ist das ein gutes Arbeitsmodell.
Skeptischer Personalverband
Sehr viel skeptischer ist Hans Furer, Präsident des Nordwestschweizer Bankpersonalverbandes. Solche Arbeitsmodelle funktionierten nur in Berufen, in denen die Angestellten über viel Handlungsspielraum verfügten und ihre Arbeitszeit frei einteilen könnten, sagt er: «Bei einer Tätigkeit, wie Balz Stückelberger sie selber ausübt, ist das der Fall, in vielen anderen nicht.»
In der TagesWoche-Community sind die Meinungen geteilt, wobei die Skepsis überwiegt. Bei der Abstimmung lag der Anteil der Nein-Stimmen bei 63 Prozent. Bei den Kommentaren gab es allerdings auch Stimmen, die sich klar für eine Flexibilisierung aussprachen. «In vielen Branchen ist es dank der Technik heute möglich, das Familienleben mit den Vorgaben des Arbeitgebers besser in Einklang zu bringen als je zuvor», schreibt Rolf Wilhelm. Er selber sei froh, dass er nie eine Stempeluhr bedienen musste. Ähnlich äussert sich User «Komet». Eine Lockerung sei nötig, damit Arbeit, Weiterbildung und Familie gut organisiert werden könnten und die Work-Life-Balance ausgewogen sei.
Flexible Lösungen nur fürs Kader
Tönt alles gut, «bestechend» sogar, wie Piet Westdijk schreibt. Und dennoch sieht er ein grosses Problem: das Machtgefälle in der Arbeitswelt. Darum müssen die Arbeitnehmer seiner Ansicht nach geschützt werden – mit «konkreten überprüfbaren» Vorgaben. Die Arbeit mache schon heute immer mehr Menschen krank.
Diese Meinung vertritt eine ganze Reihe von Kommentatoren. Einer von ihnen ist Jürg Hafner. «Die ständige Erreichbarkeit birgt grosse Gefahren», schreibt er. Immer erreichbar, immer online zu sein, das führe zu einer starken Zunahme von Burn-Outs. Das sei nicht nur für die Betroffenen tragisch: «Massiv sind die Auswirkungen auch auf die Gesundheitskosten.» Gleichzeitig möchte Hafer die Augen vor der Entwicklung nicht schliessen. Darum schlägt er folgenden Kompromiss vor: Flexible Arbeitsmodelle für leitende Angestellten, die sich der «Mehrbelastung bewusst aussetzen und dafür auch honoriert» würden. Und für den «normalen» Mitarbeiter einen möglichst guten Schutz «vor einer Ausbeutung».
Auf eine solche Lösung müsse es in der von den Banken angestossenen Debatte hinauslaufen, ist Hafner überzeugt. Ist das tatsächlich so? Und wie könnte diese Lösung konkret aussehen? Die TagesWoche bleibt an dem interessanten Thema dran und freut sich auch auf weitere Vorschläge und Kommentare.