Im Kleinbasel, wo viele verschiedene Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen aufeinandertreffen, sind Konflikte vorprogrammiert. Um diese gemeinsam anzugehen, wird nun die Tradition der Stammtischgespräche wiederbelebt.
Das Kleinbasel hatte noch nie den Ruf einer vornehmen Gegend. Aber im «minderen Basel» ist am meisten los. Wer in den Ausgang geht, geht in der Regel ins Kleinbasel, dort findet das städtische Leben statt.
Dort vergnügen sich die Menschen je nach Vorlieben in Rotlichtbars, Beizen und Partylokalen; man trifft sich im Sommer beim Grillen am Rheinufer, an Vernissagen in Galerien und Designerläden; andere holen sich beim Chügelidealer am Claraplatz Nachschub für die Nase.
Aber im Kleinbasel geht man nicht nur dem Vergnügen nach, man wohnt eben auch noch dort. So treffen dort unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen aufeinander – Partygänger und Einwohner, Alteingesessene und Neuzuzüger, Schweizer und Ausländer, Alte und Junge. Dass das nicht reibungslos funktioniert, ist logisch. Und während die einen Medien deswegen vom Niedergang des Kleinbasel berichten, schreiben andere von einer kreativen Aufbruchstimmung.
Vorbild für eine neue Drogenpolitik
Theres Wernli vom Stadtteilsekretariat Kleinbasel ist eine von denen, die für alle Akteure und Betroffenen ein offenes Ohr hat. Bei ihr beklagen sich die Bewohner über den Lärm der Szenegänger, sie weiss aber auch um die Bemühungen der jungen Beizer und Partyveranstalter, im Kleinbasel etwas auf die Beine zu stellen. Klar, das gehört schliesslich zum Konzept der Stadtteilsekretariate: Anlaufstelle für die Quartierbevölkerung zu sein, sie in Alltagsfragen zu beraten – und bei Konflikten Lösungen zu erarbeiten. Doch wie findet man Lösungen, wenn so unterschiedliche Weltanschauungen aufeinander treffen?
Theres Wernli und ein paar andere engagierte Kleinbasler haben sich an die «Stammtischgespräche» erinnert, die in den 80er-Jahren erstmals organisiert wurden, um das Problem mit der öffentliche Drogenszene am Rheinufer in den Griff zu bekommen. Diese Gespräche, an denen Behördenmitglieder, Politiker und Bewohner gemeinsam an einem Tisch sassen, hatten nicht nur dazu geführt, dass das Rheinufer auch für Nicht-Junkies wieder attraktiv wurde, sondern dass Basel schweizweit zum Vorbild für eine neue Drogenpolitik wurde, die nicht nur auf Repression setzte.
Themen, die bewegen
Die Gespräche am Stammtisch als erfolgreiches Muster für Konfliktlösungen wurde dann Mitte der 90-Jahre wieder aufgenommen, um gemeinsam über diverse Themen der Stadtentwicklung zu diskutieren. «Es ging darum, uns proaktiv einzubringen, mitzugestalten», sagt Christian Vontobel, Präsident des Neutralen Quartiervereins Unteres Kleinbasel (siehe Hintergrund des Artikels) und Mitinitiant der «Kleinbasler Stammtischs».
Insgesamt 47 Mal fand die Gesprächsrunden statt; in den Anfangszeiten fünf pro Jahr, später seien es dann immer weniger geworden, so Vontobel. Vor etwa zwei Jahren sei man zum letzten Mal am Stammtisch gesessen und habe eine Lösung für das «Hundeproblem» debattiert. Die Bedürfnisse nach einer Freilaufmöglichkeit der Hundhalter für ihre Vierbeiner einerseits und die Klagen der restlichen Quartierbewohner über die Hündeler andererseits. Das Ergebnis: Im Horburgpark wurde ein Stück Wiese abgetrennt und als Hundespielplatz eingerichtet.
Morgen Mittwoch-Abend wird der Stammtisch nun wieder aktiviert: Unter dem Titel «kleinStadtgespräche» sind vorläufig vier Gesprächsrunden im Restaurant Feldberg geplant, in denen Themen, die die Kleinbasler beschäftigen, diskutiert werden sollen.
Die Zivilgesellschaft ist gefragt
Als erstes geht es um den Konflikt zwischen «Wohnquartier und Gastromeile», darum, wie den Bedürfnissen der Bewohner nach Nachtruhe und denen der Partygänger nach Nachtleben entsprochen werden kann. «Selbstverständlich gibt es auch Gesetze, mit denen man gegen Nachtruhestörung vorgehen kann», sagt Theres Wernli vom Stadtteilsekretariat, aber mit Gesetzen und der Polizei könne man nicht alles lösen. «Auch die Zivilgesellschaft muss Lösungen für ein friedliches Zusammenleben finden».
Nur im Dialog miteinander liessen sich Antworten finden auf Fragen wie: Was erwarten wir voneinander als Nachbarn? Wie kriegen wir gegenseitige Rücksichtnahme hin? Wie geht man vor, wenn man sich durch Lärm gestört fühlt? Was kann der Gastro-Unternehmer tun, wenn seine Gäste wegen des Rauchverbots draussen sind? Fragen halt, die das Leben in einer Stadt so mit sich bringen. «Und diese Fragen», so Wernli, «können wir am besten beantworten, wenn wir gemeinsam an einen Tisch sitzen».
1. «kleinStadtgespräch»: Mittwoch, 23. Januar 2013, 19 Uhr im Restaurant Feldberg, Feldbergstrasse 47 in Basel.
Thema: Wohnquartier und Gastromeile – Lärm oder Kultur? Wie leben die Nachbarn damit?
Moderiert werden die Gespräche von der TagesWoche-Redaktorin Martina Rutschmann.