Eine Nachanalyse schlüsselt das knappe Nein zu der Stadtrandentwicklung Ost auf. Sie zeigt: Die Kumulation verschiedener Bedenken war entscheidend. Fast drei Viertel der Befragten könnten sich aber eine überdachte Stadtrandentwicklung Ost vorstellen.
Aufgrund des knappen Entscheids gegen die Stadtrandentwicklung Ost, der am 28. September 2014 trotz prekärer Situation auf dem Wohnungsmarkt zustande gekommen war, wollte das Präsidialdepartement wissen, wie es dazu kam. Es hat deshalb das Forschungsinstitut gfs.bern damit beauftragt, eine Nachanalyse durchzuführen. 1000 Stimmbürger wurden letzten Dezember befragt, die Kosten dafür beliefen sich für den Kanton Basel-Stadt auf 40’000 Franken.
Die Ergebnisse liefern nicht nur Antworten auf das «Wer», «Wie» und «Wieso», sondern auch auf das «Wie weiter». Die Studie wollte von den Bewohnern wissen, wie denn das Nein zu interpretieren sei: als definitive Absage an die Überbauung im Areal zwischen Rankhof und Riehen – oder als Auftrag an die Behörden, den Vorschlag zur Stadtrandentwicklung «langfristig zu überdenken». Die Antwort fiel eindeutig aus:
Fast drei Viertel können sich neue Pläne vorstellen
Rund 72 Prozent der Befragten sind der Ansicht, die Behörden sollten nochmals über die Stadtrandentwicklung Ost nachdenken. «So können wir erahnen, dass vergleichbare Vorlagen in Zukunft auch angenommen werden können», sagt Regula Küng, Leiterin der Fachstelle Wohnraumentwicklung des Präsidialdepartements.
2016 ist die nächste Richtplananpassung vorgesehen, und bis dahin will das Planungsamt eine Strategie ausarbeiten, wie es in dem betroffenen Gebiet weitergeht. Wie genau, das ist laut Planungsamt-Leiter Martin Sandtner aber noch weitgehend offen. Bis die Pläne konkreter seien, werde es so oder so noch längere Zeit dauern.
Grüne Gründe für die Absage
Gemäss Nachanalyse haben verschiedene Bedenken in Kumulation zur knappen Ablehnung der Vorlage geführt. Am meisten befürchtet wurde, dass das Landschaftsbild verschandelt, der Verkehr überlastet und die Natur zerstört würde sowie Familiengärten verschwinden würden. Bei Kleinbasler Stimmbürgern war zudem ein starkes Argument, dass sie die unverbaute Aussicht aus der eigenen Wohnung verlieren würden.
Entscheidend waren auch die Stimmen der Direktbetroffenen: In Riehen und im Kleinbasel erlangte die Vorlage die grösste Ablehnung. Aufgespaltet nach politischen Parteien war es die Allianz zwischen Wählern der SVP- und der Grünen, welche Nein stimmten.
Bei den Befürwortern hingegen fand die geplante Landschaftsparkanlage Anklang. Glaubhaft war für sie zudem, dass das Areal für eine Hochhausüberbauung gut geeignet wäre und für zusätzlichen Wohnraum sorgen könne. Allgemein waren in dieser Abstimmung Grünräume und ihren Erhalt ein wichtiges Thema.
Hochhäuser sind kein Feindbild
Mehr als die Hälfte der Befragten kann sich laut Studie vorstellen, selbst in einem Hochhaus zu wohnen. Das Nein zur Stadtrandentwicklung Ost müsse also nicht als generelles Nein zu Hochhäusern gewertet werden. Die Stadtplaner fühlen sich daher in ihrer Stossrichtung bestätigt: «Das Wohnen im Hochhaus werden wir weiter fördern», sagt Sandtner.
Die Grüne Partei Basel-Stadt schrieb als Reaktion auf die Nachanalyse am Mittwoch in einer Medienmitteilung: Eine Wohnraumentwicklung im Gebiet Rheinäcker müsse die Grünflächen respektieren, sozial verträglich sein und die Planung der Bebauung müsse transparent geschehen. Bei der Stadtrandentwicklung Ost sei nicht genug verdichtet und unnötig Grünfläche preisgegeben worden. Der Kanton solle möglichst bald ein Konzept vorlegen, das innerhalb der Stadt vermehrt auf Verdichtung setzt.
Areale im Fokus der Stadtentwicklung
Aus der Nachanalyse zieht das Präsidialdepartement auch allgemeine Schlüsse hinsichtlich der Bedürfnissen der Bevölkerung. Es sei unbestritten, dass Basel mehr Wohnraum brauche. Jede zusätzliche Wohnung entspanne die Lage, sagt Küng. «Es ist wichtig, dass sich die Bevölkerung an eine zunehmende Verdichtung gewöhnt.»
Laut dem kantonalen Planungsamt werden die Potenziale der «inneren Verdichtung» – also innerhalb der bestehenden Besiedlungsgrenzen – aber überschätzt: «In einem bestehenden Strassenraum kann man nicht beliebig nach oben bauen», sagt Sandtner. Auch die oft genannte Idee, Büro- und Gewerbefläche zu Wohnraum umzunutzen, sei nicht vielversprechend: «Auch im Büroraummarkt ist die Situation angespannt.»
Grosses Potenzial sehen die Stadtplaner aber in der Arealentwicklung: Am Walkeweg beim Dreispitz soll eine «Low-Cost-Low-Energy-Siedlung» mit Wohnraum für rund 1000 Menschen entstehen. Auch zur Frage, wie der Güterbahnhof Wolf besiedelt werden könnte, macht sich die Stadtplanung derzeit Gedanken. Ebenso zu den Arealen Felix-Platter-Spital, Lysbüchel, dem Industriegebiet Klybeck, um nur einige Beispiele zu nennen.
- Nutzung der Potenziale zur «inneren Verdichtung»
- Berücksichtigung des Wohnens in Arealentwicklungen
- Hochhauswohnen ist kein Tabu
- Neue Strategie für den Raum zwischen dem Rankhof und Riehen