Der Musiksaal des Basler Stadtcasinos wird saniert und erweitert. Das Museum Kleines Klingental nutzt die Bauphase, um einen interessanten Blick auf die 147-jährige Geschichte des berühmten Baus zu werfen.
Der Konzertsaal mit seiner berühmten Akustik nach dem Umbau im Jahr 1905.
(Bild: Archiv Denkmalpflege Basel-Stadt)Die edle Basler Kulturmeile mit Stadttheater, Kunsthalle und dem Stadtcasino mit dem Musiksaal.
(Bild: Bernhard Wolf – Staatsarchiv Basel-Stadt, NEG 4191)Der Konzertsaal anlässlich des Zionistenkongresses 1911.
(Bild: Alfred Kugler. Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1012-383)Die repräsentative Fassade am Steinenberg kurz nach der Fertigstellung des Musiksaals (1876).
(Bild: Adam Váradi aus «Johann Jakob Stehlin, Photographische Aufnahmen seiner Bauten»)Nach dem Umbau durch Herzog & de Meuron werden die blinden Fenster des Musiksaals wieder sehend.
(Bild: Herzog & de Meuron)Der neue Kopfbau nach einem Entwurf von Zaha Hadid, der nach einer Volksabstimmung fallengelassen werden musste.
Herzog & de Meuron erweitern den Musiksaal-Bau von Johann Jakob Stehlin in Holz.
(Bild: Herzog & de Meuron)Zwischen Musiksaal und dem Kopfbau aus dem Jahr 1939 wurde ein Durchgang geschlagen.
(Bild: Dominique Spirgi)Der Musiksaal des Basler Stadtcasinos ist in mehrfacher Hinsicht ein aussergewöhnlicher Bau:
- 1874 leistete sich die Stadt mit damals 45’000 Einwohnern den Bau eines Musiksaals mit nicht weniger als 1500 Plätzen.
- Mit dem neobarocken Bau beauftragte die private Trägerschaft den damaligen Basler Stararchitekten Johann Jakob Stehlin. Kurz zuvor hatte er in unmittelbarer Nähe bereits das Stadttheater (ebenfalls 1500 Plätze) und die Kunsthalle Basel entworfen und den Steinenberg zum edlen Kulturzentrum der Extraklasse aufgewertet.
- Der Musiksaal des Stadtcasinos geniesst weltweit einen hervorragenden Ruf für seine Akustik.
Der Bau des Stararchitekten des 19. Jahrhunderts wird nun von den Stararchitekten des 21. Jahrhunderts, Herzog & de Meuron, im historisierenden neobarocken Stil erweitert: mit einem Anbau aus Holz, der die Fassadenstruktur des steinernen Altbaus aufnimmt. 2019 wird der umgebaute Musiksaal eingeweiht.
So viel Aussergewöhnliches ist wahrlich eine Sonderausstellung wert, zumal die Geschichte des Baus noch mit vielen weiteren Höhepunkten aufwarten kann. Diese sind nun alle im Museum Kleines Klingental zu bewundern.
Die edle Basler Kulturmeile mit Stadttheater, Kunsthalle und dem Stadtcasino mit dem Musiksaal. (Bild: Bernhard Wolf – Staatsarchiv Basel-Stadt, NEG 4191)
Kuratorin Sandra Fiechter hat die Schau sorgfältig zusammengestellt. Die Ausstellung wirft einen Blick auf die aussergewöhnliche Kulturmeile, die im 19. Jahrhundert entstand. «Nirgendwo sonst präsentiert sich Basel so grossstädtisch wie hier», sagt Museumsleiter Gian Casper Bott.
Es ist bemerkenswert, wie kulturbeflissen sich das vergleichsweise kleine Basel im 19. Jahrhundert zeigte. Die je 1500 Plätze im Stadttheater und dem Musiksaal von damals würden heute, umgerechnet auf die gegenwärtige Einwohnerzahl, einer Grösse von je 6000 Plätzen entsprechen. Man stelle sich das mal vor.
Nostalgischer Blick auf die verschwundenen Bauten
Der Blick auf das Kulturzentrum von einst weckt auch nostalgische Gefühle: Das 1975 weggesprengte alte Stadttheater war halt doch um einiges schmucker als das neue (auch wenn viele Zuschauer damals nur einen Teil der Bühne sahen). Und auch der ehemalige Kopfbau des Stadtcasinos des Architekten Melchior Berri hinterliess einen bedeutenderen Eindruck als der 1938 von den Architekten Kehlstadt & Brodtbeck errichtete Klotz, der heute noch steht.
Zum Glück aber blieb der Musiksaal bestehen. Das ist gar nicht so selbstverständlich, wie der Basler Denkmalpfleger Daniel Schneller sagt. In vielen anderen Musikstädten entstanden neue Philharmonien, während die alten Bauten verschwanden oder zu Ausweichstätten zurückgestuft wurden. Auch in Basel schwirrten einst Ideen für einen neuen Konzertsaal herum. Es war just der Umbauer von heute, namentlich Jacques Herzog, der laut über ein neues Musikzentrum bei der Basler Kaserne nachgedacht hatte.
Aber die herausragende Akustik des «Schuhschachtelbaus» machte den Musiksaal unsterblich. Und zum Projekt, das beim Umbau mit Samthandschuhen angefasst wird. Jede Farbe, die Stoffe der Sitze, jedes noch so kleine Detail müsse zuerst von Akustik-Fachleuten auf Herz und Nieren geprüft werden, sagt Schneller.
Von Boxkämpfen und dem Judenstaat
Der Konzertsaal anlässlich des Zionistenkongresses 1911. (Bild: Alfred Kugler. Staatsarchiv Basel-Stadt, BSL 1012-383)
Die Ausstellung zeigt Baupläne und Skizzen des Architekten von damals und der Architekten von heute. Und sie vermittelt ebenso Einblicke auf Ereignisse von weltgeschichtlicher Bedeutung wie auf Anlässe, die aus heutiger Sicht eher kurios wirken:
- 1879 fand im Musiksaal der erste Zionistenkongress statt. Theodor Herzl, der Begründer des politischen Zionismus, soll später gesagt haben, dass in Basel der Staat Israel gegründet wurde. In der Ausstellung ist unter anderem die Gedenktafel zu sehen, die während des Umbaus vorübergehend abmontiert werden musste.
- 1917 fand im Stadtcasino (und in einer Halle des Badischen Bahnhofs) die erste Schweizer Mustermesse statt, die mit 831 Ausstellern 300’000 Besucher anzulocken vermochte.
- Bis vor rund 30 Jahren fanden im edlen Musiksaal Boxkämpfe statt – sehr zum Missfallen des berühmten Dirigenten und Musikmäzens Paul Sacher, wie es heisst.
Natürlich darf in einer Ausstellung über den Musiksaal die Musik nicht fehlen. Neben Bildern wichtiger Dirigenten und Notenausschnitten von Kompositionen, die im Saal uraufgeführt wurden, sind an zwei Stationen auch Tonbeispiele zu hören.
_
Der Musiksaal in Basel. Ausstellung im Museum Kleines Klingental, bis 4. Februar 2018. Zur Ausstellung gibt es ein vielfältiges Begleitprogramm mit Musik, Vorträgen und Gesprächen.