In einer Stadtvilla an der Austrasse hat sich ein Bordell niedergelassen, ohne Bewilligung. Die Anwohner sind empört. Die Erfahrung zeigt: Gegen Sexbetriebe vorzugehen, ist schwierig.
In der imposanten Stadtvilla an der Austrasse 90 herrscht grosse Betriebsamkeit. Der überwucherte Garten ist mit Bauschutt vollgestellt, und im Gebäude arbeiten viele Handwerker emsig auf den grossen Tag hin. Wo bis vor knapp einem Jahr eine Familie mit Kindern gewohnt hat, feiert kommenden Freitag der Sexclub «Van der Vaat» seine Wiedereröffnung. Ab dann werden die Kunden im beschaulichen Wohnquartier von Mia, Helen, Charlotte und ihren Kolleginnen erwartet, wie der Website zu entnehmen ist. Das Club-Motto lautet: «Die Chefetage für den Mann.»
Beim «Van der Vaat» handelt es sich nicht um ein neues Bordell, der gleiche Club befand sich zuvor an der Lothringerstrasse. Wie die «Basler Zeitung» berichtete, wurde dem Betrieb dort gekündigt, deshalb der Umzug vom St. Johann in das Ring-Quartier.
Der neue Standort befindet sich jedoch nicht bloss geografisch in einem anderen Umfeld. Für einmal sehen sich nicht die Anwohner einer der üblichen Gastro- und Schummermeilen mit einem Sexbetrieb dieser Grösse konfrontiert. Während die Lothringerstrasse nicht unbedingt zu Basels feinsten Adressen zählt, liegt die Austrasse in einem ruhigen, gehobenen Wohnquartier. Der Sexclub befindet sich in einem Eckhaus, direkt davor verläuft eine Spielstrasse. Mütter schieben Kinderwagen vor sich her. Zur Mittagszeit sind Schüler in Scharen auf Trottinetts unterwegs. Jemand hat einen Rollator an eine Regenrinne gekettet.
Nachbarn hoffen auf Diskretion
Eine Frau mit Kinderwagen betrachtet die Bauarbeiten mit skeptischem Blick. Ob sie wisse, was die neuen Mieter mit dem Gebäude vorhaben? «Ja, das habe ich gelesen. Wir haben uns damals auch für das Haus interessiert und die Räume besichtigt», sagt sie. Doch der Preis (2,2 Millionen Franken) sei einfach zu hoch gewesen. Zudem sei das Gebäude stellenweise recht baufällig. Der Käufer müsse also zusätzlich zum Kaufpreis eine grosse Summe in die Instandsetzung investieren. «Ein Bordell passt nicht gerade hierher. Ob es wirklich stört, wird sich aber erst zeigen. Vielleicht wird es auch ein diskretes Etablissement und wir merken gar nicht viel davon, was dort drinnen passiert.»
Von ihren neuen Nachbarn haben die Bewohner der Austrasse aus der Zeitung erfahren. Auf eine Baupublikation hat die Betreiberin des «Van der Vaat» verzichtet. Kein grosses weisses Schild hat die Passanten darauf aufmerksam gemacht, was in dem Gebäude bald geschehen wird. Dabei ist die Umnutzung einer Wohnliegenschaft in einen Sexbetrieb laut Gesetz bewilligungspflichtig. Gegenüber der BaZ hat die Betreiberin des Bordells noch behauptet, ein entsprechendes Gesuch eingereicht zu haben, das auch bewilligt worden sei. Das Bau- und Gastgewerbeinspektorat (BGI) als zuständige Amtsstelle bestreitet dies auf Anfrage allerdings.
Plant die Betreiberin also eine Eröffnung ohne die nötigen Bewilligungen?
Diese Frage will ich vor Ort direkt stellen, nachdem mehrere telefonische Versuche der Kontaktaufnahme erfolglos blieben. Zwar wird mir die Tür von einer jungen Frau geöffnet, sie wimmelt mich jedoch ab. «Wir haben kein Interesse», ist das Einzige was sie sagt. Dies dafür gleich mehrmals. Wenig später werde ich von einem Mann und einer Frau vom Balkon aus dem ersten Stock hinab argwöhnisch beäugt. Rufend versuche ich, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Mit einer unwirschen Handbewegung geben sie mir zu verstehen, dass auch sie «kein Interesse» haben.
Aufmerksamkeit schadet dem Geschäft
Diskretion wird in dieser Branche gross geschrieben und es scheint, als wolle die Betreiberin des «Van der Vaat» Aufmerksamkeit vermeiden. Aufmerksamkeit schadet dem Geschäft. So wurde beispielsweise ein Bordell in der Hegenheimerstrasse im letzten Jahr geschlossen. Auf die ordnungsgemässe Baupublikation hin hagelte es gleich sieben Einsprachen und die verschiedenen involvierten Amtsstellen wiesen das Gesuch ab.
Noch viel heftiger fielen die Reaktionen auf das Gesuch des «FKK Basel» an der Amerbachstrasse 45 aus. Zwar ist dieser Sexclub seit vielen Jahren in Betrieb, nach einem jahrelangen Rechtsstreit entschied das Basler Appellationsgericht jedoch Ende 2013, dass ein nachträgliches Gesuch eingereicht werden müsse. Der Fall warf in den Lokalmedien Wellen und die Anwohner organisierten sich politisch. Die grosse Aufmerksamkeit hat schliesslich dazu geführt, dass nach der Publikation am 4. März 2015 beim BGI 25 Einsprachen mit insgesamt 219 Unterschriften eingingen. Das Verfahren ist noch hängig.
Luzia Wigger Stein leitet das BGI. «Seit diesem Gerichtsentscheid wissen wir, dass wir von Sexbetrieben ohne entsprechende Bewilligung ein nachträgliches Gesuch verlangen dürfen», sagt sie. Zusammen mit einem Entscheid des Bundesgerichts, demzufolge Sexbetriebe in Wohnquartieren einer Bewilligung bedürfen, verfüge das BGI nun über die rechtliche Grundlage, um die Verträglichkeit von Sexbetrieben in einem Wohnquartier prüfen zu können.
Damit das BGI jedoch tätig werden könne, müsse zweifelsfrei belegt werden können, dass eine Wohnung oder eine Liegenschaft zu einem überwiegenden Teil als Sexbetrieb genutzt werde. Was gar nicht so einfach sei, wie Wigger Stein sagt. «Eine Website etwa gilt, so eindeutig ihr Inhalt auch sein mag, nicht als Beweis.» Das erklärt auch, warum von den über 200 Salons, die die Kantonspolizei in der Stadt zählt, kaum einer über eine Bewilligung verfügt.
Täglicher Augenschein der Behörden
Seitdem bekannt geworden sei, dass sich der Club «Van der Vaat» an der Austrasse 90 niederlässt, haben die Kontrolleure des BGI ein Auge auf die dortigen Geschehnisse. «Wir sind jeden Tag vor Ort, konnten bis jetzt jedoch noch keine bewilligungspflichtigen Umbauarbeiten feststellen», sagt Wigger Stein. Ausserdem hat das BGI beim Hauseigentümer um einen Begehungstermin gebeten, «wir warten jedoch noch auf eine Antwort». Besonders aufmerksam hinschauen werden die BGI-Kontrolleure nun am Freitag, wenn die Eröffnung stattfindet. Droht der Betreiberin des «Van der Vaat» dann eine Anzeige? Wigger Stein lässt das offen: «Je nachdem, was wir feststellen, werden wir geeignete Massnahmen prüfen.»
Bei entsprechender Beweislage wird diese «geeignete Massnahme» ein Brief an die Puff-Betreiberin sein. Darin wird stehen, dass es sich beim «Van der Vaat» um eine unbewilligte Umnutzung handle und deshalb ein Baugesuch nachzureichen sei. Erst dann werden sich auch die anderen Bewohner der Austrasse offiziell zu ihren neuen Nachbarn äussern können. Mehrere Anwohner haben gegenüber der TagesWoche bestätigt, im Falle der Publikation eines Baugesuches eine Einsprache eingeben zu wollen. Das Beispiel Amerbachstrasse zeigt jedoch, wie lange der Kampf gegen die unliebsamen Nachbarn dauern kann.