Am Dienstag kommunizierte Novartis den zweiten Stellenabbau in Basel innerhalb von zwei Jahren. Der Basler Wirtschaftsdirektor Christoph Brutschin ist besorgt über die betroffenen Arbeiter und spricht von einem Knick in der Entwicklung.
Ende 2011 kündigte Novartis zuletzt einen Abbau von 750 Stellen an. Damals konnte in Verhandlungen die Zahl der Entlassungen deutlich gesenkt werden. Anfang Woche hat das Unternehmen einen erneuten Abbau von 500 Stellen am Standort Basel angekündigt. Wie viele der Stellen in Basel ersetzt werden, ist unklar. Wirtschaftsdirektor Christoph Brutschin ist beunruhigt über die Zahl der Kündigungen. Über die zukünftige Entwicklung des Novartis-Hauptsitzes und des zugehörigen Campus will er sich aber keine Sorgen machen.
Herr Brutschin, Sie sagten Anfang Woche, sie seien besorgt über die Entlassungen. Auf was bezieht sich Ihre Sorge?
Die Besorgnis gilt immer zuerst den Leuten. Das sind 500 Gesichter, 500 Menschen mit ihren Angehörigen. Für mich stellt sich als erstes die Frage, was mit den Betroffenen passiert. Ich mache mir auch Sorgen, ob wir eine ebenso gute Lösung hinbekommen wie vor zwei Jahren und für einen so grossen Teil der Leute eine neue Anstellung finden.
Mit einem Wegfall von wie vielen Stellen in Basel rechnen Sie?
Wir wissen auch nicht mehr, als Novartis am Dienstag kommuniziert hat. Ich gehe davon aus, dass auch bei Novartis noch nicht alle Entscheidungen im Detail gefällt sind. Klar ist, es fallen nicht nur Stellen weg, es werden auch neue geschaffen. Wir wissen seit Montagmittag vom Stellenabbau. Wir werden selbstverständlich weitere Gespräche mit Novartis führen, um zu erfahren, welche Lösungen es für die Betroffenen gibt – und mich interessiert natürlich auch, wie viele der geplanten fünfhundert neuen Stellen tatsächlich auch nach Basel kommen.
Besteht für die Regierung Verhandlungsspielraum?
Beim letzten Stellenabbau vor zwei Jahren ist es gelungen, für den allergrössten Teil der Betroffenen eine Lösung zu finden. Und wir werden mit derselben Intensität alles daran setzen, dass wir das auch in diesem Fall erreichen. Das wichtigste ist der Faktor Zeit, um Lösungen zu finden.
Der grosse Gewinner der Umstrukturierungen ist Nyon, wo Novartis weiter ausbauen will. Das nachdem Novartis dort mit dem Kanton bessere Bedingungen aushandeln konnte. Setzt das Basel unter Druck?
Es gewinnt nicht Nyon zu Lasten von Basel. In Nyon konzentriert sich Novartis auf völlig andere Bereiche als hier. Dort werden Produkte wie Otrivin, also Nasentropfen, hergestellt. Das ist ein Bereich, der nun verstärkt ausgebaut wird. Wir haben mit der Forschung und dem Hauptsitz eine andere Ausrichtung. Ich gehe davon aus, dass einzelne neue Medikamente in Zukunft stärker von Basel aus betreut werden, was einen entsprechenden Ausbau nach sich zieht. Man kann die beiden Standorte nicht miteinander vergleichen.
Trotzdem hat Nyon offenbar besser verhandelt.
Als vor zwei Jahren das Werk in Nyon vor einer Schliessung gerettet worden ist, feierte man das als grossen Westschweizer Erfolg. Bezüglich der Rettung der Arbeitsplätze stimmt das ja auch. Unter welchem Preis und zu welchen Zugeständnissen das passiert ist, wurde ausgeblendet. Medienberichte sprechen von Steuererleichterungen. Es gab auch ein grosses Entgegenkommen von den Gewerkschaften und der Angestellten. In der Summe war ich durchaus überrascht, wie weit das ging.
«Unter welchem Preis und zu welchen Zugeständnissen das passiert ist, wurde ausgeblendet.»
Sie sagten vor zwei Jahren, selektive Steueranreize kämen in Basel nicht in Frage.
Wir haben nie solche Zugeständnisse gemacht und können das auch nicht. Das würde heissen, wir müssten das Gesetz brechen. Rechtlich sind zeitlich beschränkte Steuererleichterungen nur möglich, wenn eine Firma neu eröffnet wird oder wenn sich eine wesentliche Änderung der betrieblichen Tätigkeit ergibt. In Nyon waren die Voraussetzungen dazu offenbar gegeben. Ich gehe davon aus, unsere Kollegen in der Waadt haben das auch entsprechend abgeklärt, wenn es denn tatsächlich solche Erleichterungen gegeben hat.
Und doch macht es den Eindruck, als würde Novartis sehr gezielt den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Standorten spielen lassen.
In Nyon braucht Novartis Schichtarbeiter, in Basel werden zum Beispiel Marketingfachleute entlassen. Saldomässig haben Sie Recht. Aber das sind komplett unterschiedliche Bereiche. Man kann das beim besten Willen nicht als Verlagerung von Basel nach Nyon bezeichnen.
«Man kann das beim besten Willen nicht als Verlagerung von Basel nach Nyon bezeichnen.»
Teilen Sie den Eindruck, dass der Wettbewerb zwischen den Standorten zunimmt?
Der Wettbewerb existiert, ob er zugenommen hat, ist schwierig zu beurteilen. Die Steuern sind immer mal wieder ein Thema, die Zugänglichkeit. Für Hauptsitze, wie wir sie in Basel haben, ist es enorm wichtig, dass vor Ort, aber auch aus dem Ausland Personal rekrutiert werden kann. Wir versuchen für alle Firmen und Branchen in Basel Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie vernünftig wirtschaften können.
Vor zwei Jahren rechneten Sie noch mit einem starken Ausbau der Arbeitsplätze bei Novartis in Basel. Gehen Sie davon weiterhin aus?
Ja, ich habe mir das Anfang Woche auch nochmals versichern lassen. Ich wollte wissen, ob es sich beim geplanten Abbau um eine Trendwende handelt. Novartis hat mir aber erneut versichert, dass die geplanten Investitionen weitergeführt werden und man auf dem Novartis Campus bis in 20 Jahren insgesamt 10’000 Mitarbeiter beschäftigen möchte. Davon ist man aber noch ein rechtes Stück entfernt. Derzeit sind es 7’400 Mitarbeiter.
Kriegen Sie solche Versprechen auch schriftlich?
Nein. Ich gehe jedoch davon aus, dass sich Novartis daran hält.
Nach dem letzten Stellenabbau sprachen Sie von einem Rückschritt, die Richtung, sagten Sie, stimme aber weiterhin. Nun folgt ein zweiter Rückschritt innerhalb von zwei Jahren.
Mir ist klar, was hier passiert ist. Viele grosse Firmen konzentrieren an ihrem Hauptsitz zentrale Funktionen und versuchen dort, Doppelspurigkeiten zu vemeiden. Was mich überrascht, ist die Anzahl der betroffenen Arbeitsplätze. Ich meine aber trotzdem, dass der Trend in Basel auch künftig in bisheriger Richtung verlaufen wird. Und nach allem, was ich weiss, rechne ich mit einem weiteren Stellenausbau über die nächsten Jahre. Wenn hier in Zukunft neue Stellen geschaffen werden, kann man rückblickend vielleicht statt von einem Rückschritt von einem Knick in der Entwicklung sprechen.
In den vergangenen Jahren versuchte der Kanton kontinuierlich die Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu verbessern. Zuletzt im Fall von Novartis mit einem eigenen Passbüro. Wie sich zeigt, kann ein Stellenabbau auch durch solche und andere Zugeständnisse nicht verhindert werden.
Man kann geteilter Meinung sein, ob wir Novartis tatsächlich so stark entgegenkommen, wie oft behauptet wird. Die Entwicklungen auf dem Areal des ehemaligen Hafen St. Johann beispielsweise sind im Zusammenhang mit dem geplanten Container-Terminal auch in unserem Interesse. Aber auch wenn der Kanton Anliegen von ansässigen Unternehmen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten verschiedentlich erfüllt: An einem Hauptsitz werden die sogenannten Support-Funktionen periodisch überprüft. Es wäre eine völlig andere Situation, wenn wir hier einen reinen Produktionsstandort hätten. In einem solchen Betrieb spielt die reine Kostenoptimierung eine viel grössere Rolle.
Sie sagten zu Beginn, Sie sorgen sich um die Betroffenen des Abbaus. Machen Sie sich auch Sorgen um die Zukunft des Novartis-Hauptsitzes in Basel?
Nein, das mache ich mir nicht.